Update Limo - lang ist es her. Die Kämpfer werden 3

Ihr Lieben,

Mein letzter Kommentar hier ist lange her, mein letztes Update sogar noch länger. Das muss ich mit diesem Post wohl nachholen. Es wird wirklich lang.

In der Zwischenzeit habe ich vereinzelt Nachrichten von Mamas mit derselben Diagnose bekommen, die letzten Wochen sogar noch gehäufter. Bei keiner lief es genau so wie bei uns, jede Schwangerschaft, jedes Baby ist anders. Manchmal ging es auch nicht gut aus, wie bei uns auch prophezeit wurde. "Nur die Hoffnung nicht verlieren" hilft manchmal nicht, wenn sie einem einfach genommen wird. Diese Nachrichten haben mich immer tief getroffen und ich habe in der Ferne und unbekannterweise mitgefühlt und mitgetrauert. Doch immer haben diese Mamas mir dieselbe Frage gestellt: wie ist es denn ausgegangen? Wie geht es den Jungs?

Heute habe ich auf der Suche nach den Geburtstagsbriefen, die ich verlegt habe, die KKH-Erinnerungskiste rausgeholt. Dort habe ich die Briefe gefunden - und die Prongs, ihre kleinen ersten Bodies und die winzigen Windeln, die sie nach der Geburt bekommen haben. McChills ist genau so groß wie mein Handballen, ohne Finger. Und ich bin eine kleine Frau.
In zwei Wochen werden sie Drei. Nächste Woche startet die Eingewöhnung in der Kita. Zum Geburtstagsbrief in diesem Jahr wurde ich ganz emotional und ich möchte das ehren. Ich möchte eure Unterstützung ehren, ich möchte unseren Kampf und unseren Sieg ehren und ich möchte Hoffnung machen. Ich möchte Intimität teilen, weil sie so rar geworden ist. Dabei ist sie doch so wichtig. Die Nachrichten dieser Mütter haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich verletzlich zu zeigen, wenn man am verletzlichsten ist und sich so für den Schmerz anderer zu öffnen, um seinen eigenen zu verarbeiten. Ich teile mit euch die Briefe, die ich meinen Söhnen geschrieben habe, um sie ihnen in ein paar Jahren zu geben. Dann zeigen sie nur noch Erinnerungen. Aber heute sind sie das ehrlichste, was mein Herz zu bieten hat. Enjoy (or not)🫶🏻


Meine geliebten Söhne,

Die letzten Monate waren spannend und anstrengend. Das Pendeln zwischen medizinischem Personal und Untersuchungen, Studium, Arbeit und der Betreuung von euch zuhause. Wir wissen, dass es ein Privileg ist, dass ihr drei Jahre zuhause von euren Eltern und Großeltern betreut werden könnt - vielleicht sogar mehr für uns als für euch. Wir konnten euch bei so vielen wunderbaren Erlebnissen, Entdeckungen und Erfolgen beobachten. Und auch durch Fehlschläge, Frust und Wut begleiten. Durch Einsamkeit, weil der andere Bruder wieder nicht da ist. Wir konnten jedes eurer Wehwehchen mit einem Kuss trösten und den Schmerz wegpusten, "pfffffff da fliegt er weg!" Mittlerweile macht ihr das auch bei euch gegenseitig, wenn ihr euch im Spiel stößt.
Eure Selbstständigkeit ist total verblüffend. Neulich erst habt ihr alleine die Waschmaschine ausgeräumt, den Korb ins Bad gebracht, die Wäsche in den Trockner gelegt und das richtige Programm mit den richtigen Einstellungen gestartet, während wir in der Küche über irgendetwas gesprochen haben. Danach konnten euer Papa und ich nur begeistert staunen. Ihr müsst zwingend eure Sachen selbst erledigen, wehe wir wischen eure Pfütze auf, bevor ihr es tut! Eure Schnute macht ihr selbst vor dem Spiegel sauber, wenn ihr mit dem Essen fertig seid. Ihr schneidet schon lange eure Banane selbst (leckerer ist sie nur, wenn Oma sie schneidet), schmiert eure Brote, zieht euch alleine Gummistiefel und Hose an. Manchmal schafft ihr auch ein Shirt. Wir müssen seit Monaten nicht mehr staubsaugen, das macht ihr. Kein Witz jetzt.
Auch Regeln und Grenzen kennt ihr gut, auch wenn ihr sie nicht immer einhaltet. Besonders gefällt mir aber, dass ihr seit neuestem bewusst durch Grenzüberschreitungen unsere Aufmerksamkeit erregen wollt. So steht ihr irgendwo und haut mit irgendwas drauf, laut und unaufhörlich. Und wenn zum Beispiel ich zu euch komme, um das zu unterbinden, weil ihr auf Ansprache nicht reagiert, dann heißt es "Nein, Papa." - "Ihr wollt, dass Papa kommt und schimpft?" - "Mh-hm." - "Wollt ihr vielleicht einfach Papas Aufmerksamkeit?" - "Mh-hm." Wir bieten euch Handlungsalternativen, aber eure Einfälle bleiben kreativ. Vor allem dann, wenn es um das Einschlaflied geht, oder ein Buch, das Autodach, die Fahrtrichtung, die Lautstärke - es muss immer genau das jeweils andere von dem sein, was der Bruder gewählt hat. Das ist euer kategorischer Imperativ. Das, und den Bobby Cars zwingend einen Kuss geben zu müssen, wenn ihr an ihnen vorbeilauft.
Ihr spielt ganz viel mit Sprache und kreiert eure eigenen lustigen Worte. So nennt ihr den Ventilator "Lapotapo", ein Schmetterling ist "Pakapaka", obwohl wir immer dazu das Geräusch "Flapflapflap" gemacht haben. Mittlerweile nennt die Ganze Familie sie so. oder bei Erfolg sagt ihr fröhlich "Tadaa!", doch wenn einer von euch der Meinung ist, das wäre noch gar kein Erfolg, dann folgt promt ein trockenes "tada no". Ihr kopiert einfach jedes Wort, das wir sagen. Aktuell ist eins eurer Lieblingswörter "Kindergarten", denn nächste Woche geht es wieder mit mir in die Eingewöhnung. Ich bin sehr aufgeregt, und ihr, glaube ich, auch. Ihr habt einander, und das macht mich sehr glücklich. Ihr haltet beim Laufen oft Händchen. Wenn einer einen Termin alleine hatte, dann begrüßt ihr euch nach nur zwei Stunden (die ihr überwiegend nach dem anderen suchend und fragend verbringt) mit einem Strahlen und einer dicken Umarmung. Wenn ihr euch wiederseht, dann ist die Welt wieder heile.
Jedes Krabbeltierchen soll auf euren Finger klettern. Schmetterlinge, Marienkäfer, Schnecken, Ameisen, Vögel. Auch die dicke Spinne von der Kellerwand. Und weil ihr nicht an sie rankommt, soll ich sie euch reichen. Die könnt ihr schön selbst auf den Arm nehmen, wenn ihr groß genug seid!
Ihr liebt langes gemeinsames Aufwachen. Wenn ihr wach seid, bleibt ihr einfach ruhig liegen oder spielt vor euch her, 30 Minuten, mal eine Stunde. Morgens können wir mittlerweile wieder (meistens) lange im Bett bleiben und einen Kaffee trinken, während ihr im Schlafzimmer oder in der Wohnung spielt. Das konnten wir zuletzt ganz früher, bevor ihr gelernt habt, zu krabbeln. Ich hoffe, für euch sind das genau so schöne Erinnerungen, wie für uns, dieses Familienbett.
Wir geben unser bestes, euch nur Glück mitzugeben. Leider werden wir aber wahrscheinlich nicht alles richtig machen. So wie Axel Foley zu seiner Tochter sagte: "You're my only child, right? And I've only been a father as long as you've been a daughter. We're making this up as we go along, we both are." Wir können schwer planen und vohersagen, wie viele Bücher wir auch lesen mögen; schließlich seid ihr eure eigenen wunderbaren Menschen. Und ich freue mich so, in den nächsten Jahren, Monaten, Wochen, euch immer mehr kennenzulernen, während ihr euch dabei selbst kennenlernt. Ich bin gespannt auf die Seiten der Welt, die ihr mir zeigt, während ihr euren eigenen Platz in ihr sucht.

McZappel: du saugst nun die Sprache - jede Sprache - auf wie ein Schwamm. Die Logopädie hilft bestimmt, aber so oft hattest du die noch gar nicht. Du nimmst richtig Fahrt auf, sagst seit kurzem auch deinen Namen und kannst deine Bedürfnisse viel besser äußern. Heute erst sagtest du "mcZappi Lappen nass", weil du den Lappen selbst nass machen wolltest, um den Tisch zu wischen. Und du schiebst unliebsames gerne an deinen Bruder ab - wer als erster gewaschen, gewickelt oder angezogen werden soll. Wessen Windel voll ist. Wer aufräumen muss. Gänzlich kommst du nicht drum herum, aber wir gewähren dir manchmal eine Gnadenfrist und versorgen deinen Bruder zuerst.
Und wie du Tiere liebst! Alles muss von dir gestreichelt und gefüttert werden. Mittlerweile sogar wir, der Hund und dein Bruder auch. Wenn du etwas umarmst, das du lieb hast, dann gibst du ein echt niedliches Quietschen von dir, damit alle wissen, wie sehr du lieb hast. Manchmal bekommst du auch Niedlichkeitsaggressionen und hast dabei einen Gesichtsausdruck! Zusammengebissene Zähne, vorgestellter Unterkiefer und zurückgezogene Mundwinkel, als würdest du es zerquetschen wollen und mit aller Kraft dagegen ankämpfst. Es ist zum Schreien. So gucke ich auch immer, wenn ich euch drücke. Ich wünsche dir, dass du immer so voller Liebe bleibst, dass du immer ein tröstendes Drückerchen übrig hast, wenn dir mal die Worte fehlen und dass du dir die Zeit nehmen kannst, die du brauchst, um dich auf die Welt vorzubereiten, auch wenn, oder gerade weil, du es bei deiner Geburt nicht konntest.

McChill: dein letztes Jahr war hart. Die Jahre davor aber auch. Du nimmst einfach alles mit. Darum bist du auch so hart im Nehmen. Oder anders herum? Vor ein paar Wochen hattest du zum Beispiel deine erste Zecke, am Kopf, einen Tag vor dem Urlaub. Doch du musst sowas nicht alleine durchstehen. Wir sind für dich da, begleiten dich überall hin. Halten dich fest im Arm, drücken deine kleine Hand, denken an dich, reden dir gut zu und hoffen, dass unsere Worte dir ein wenig Trost schenken können, während wir deinen Schmerz beim Wegfliegen beobachten. Schmerz war seit Anbeginn dein Begleiter und wir können nur ahnen, wie hoch deine Toleranz mittlerweile sein muss. Neulich hast du dir barfuß den Zeh vorne aufgeschnitten und wir haben das erst zuhause gemerkt, da war das Blut schon völlig trocken. Du hast nichts gesagt, aber ein Pflaster wolltest du dann trotzdem. Das hast du auch bekommen.
Alle staunen über deine Konzentrationsfähigkeit. Bei der Logopädie schaffst du 30 Minuten mit nur einem Spielzeug. Einmal haben wir dich dabei beobachtet, wie du 15 Minuten lang alleine ein Schiebepuzzle sortiert hast. Dein bruder wollte dich wieder zum Klettern rufen, aber du hast ihm gezeigt wie das Puzzle geht und dann habt ihr gemeinsam weitersortiert, bis ihr fertig wart.
Dein Bruder scheint dein großes Vorbild zu sein. Was er sagt, sprichst du nach. Wenn er etwas haben will, das du hast, dann dauert es nicht lange, bis du ihm das gibst. Aber nicht wiederwillig, sondern verständnisvoll. Er bekommt von dir meistens auch die größere Hälfte des Riegels. Und wenn er halbiert, dann halbierst du deine Hälfte halt auch. Und wenn er dich zum Wickeln vorschickt, dann gehst du halt. Hauptsache, er kommt mit.
Weiter kletterst du in unermessliche Höhen. Ganz oft stehen wir daneben und müssen atmen und bekommen feuchte Hände. Alle sagen immer, du würdest keine Angst kennen, aber das stimmt nicht. Du kennst sie sehr gut, du kennst auch deine Grenzen und du weißt, dass du uns immer um Hilfe bitten kannst. Du bist nicht furchtlos, du bist mutig. Dein Mut zwingt uns, ebenfalls mutiger zu werden. Und dafür bin ich dir sehr dankbar. Ich wünsche dir, dass du weiter mutig durchs Leben schreiten kannst, ohne so sehr dafür kämpfen zu müssen, sondern dich an den Herausforderungen der Welt einfach erfreust.

Ich liebe euch, für immer und unendlich,

Eure Mama. ❤️

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Liebe Limo,

meine Mäuse werden in der nächsten Woche schon fünf, wie könnte ich Euch da vergessen!
Bist Du Dich eine der Mamas mit denen ich sehr lange in Kontakt stand!
Ich freue mich immer wieder von Eich zu lesen,
nicht nur von Dir und Deiner Gang, sondern auch von allen anderen denen ich hier mal geschrieben habe!
Geschichten wie Eure sind der Grund warum ich hier auch immer noch fünf Jahre nachdem ich selber. hier im Forum nach Hilfe und Erfahrung gesucht habe, immer noch da bin!
Fühlt Euch gedrückt Ihr starken Mamis, die Ihr alle keine Bilderbuchschwangerschaft hattet und um Eure Babys zittern mußtet, fühlt Euch gedrückt, die die Verluste ertragen mussten und bei denen das Schicksal erbarmungslos zugeschlagen hat! Fühlt Euch gedrückt, all jene die gerade zittern und bangen und um jeden Tag kämpfen!
Seid Euch in einer Sache sicher, ihr seid verdammt starke Frauen und ich feier Euch und das Leben 😘
Liebe Limo, Dir und deinen Jungs alles erdenklich Gute!
Ich denk an Euch!

Liebe Grüße Mona

P.S. Falls jemand mit so was zu tun hat, ich schlage Babara „Leu“ aus dem Pränataldiagnostikforum für ein Bundesverdienstkreuz vor!Die Liebe gibt hier so vielen Hoffnung und Stütze und kompetenten Rat!

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Ich habe Tränen in den Augen! Eines Tages werden deine zwei Kämpfer diesen Text lesen und wissen, was für eine unglaublich starke Mama sie haben. Ich danke dir auch für deine lieben Worte und den ausgesprochenen Mut an alle Mütter, die eine ähnliche Erfahrung teilen müssen. Ich hoffe, dass auch ich ganz bald diese wunderschönen Erfahrungen erleben darf. ❤️

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Liebe Limo,
unglaublich, dass deine Jungs jetzt auch schon drei werden. Ich hab eure Geschichte damals mitverfolgt und dich immer ein bisschen bewundert, wie toll du mit der schwierigen Situation umgegangen bist. Mit soviel Zuversicht, Stärke, Positivität und trotz allem auch immer mit einer guten Portion Humor.
Von daher freue ich mich auch sehr zu lesen, dass es euch (bis auf kleine Baustellen) anscheinend gut geht.
Ich wünsche dir und deinen beiden kleinen Kämpfern alles Gute und einen tollen Start in den neuen Lebensabschnitt "Kindergarten".
Liebe Grüße Twinmom2020 mit F und M

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Liebe Limo,

Danke für dein Update. Ich kann mich gut an deine Berichte von damals erinnern, unsere Kinder sind ja fast gleich alt.

Deine Briefe sind so liebevoll, so anrührend, und aus jeder Zeile spricht der Stolz, den du für deine kleinen (schon sooo großen) Kämpfer und ihre Errungenschaften hast. Mit Recht!

Deine Berichte damals haben mir Mut gemacht. Wir hatten nur kleine Herausforderungen im Vergleich zu euren, nur wenig "mal sehen, mal schauen, mal abwarten, mal hoffen und mal bangen", aber mir kamen sie damals groß vor. Und deine Berichte erschienen mir immer so liebevoll, ehrlich und bei allen Herausforderungen so Nach-vorne-Schauend, dass ich dachte, so muss man das angehen, das will ich auch.

Herzlichen Glückwunsch deinen beiden - zu dem, was sie schon erreicht haben und dem, was vor ihnen liegt. Der Kindergarten ist eine tolle Zeit!