Hallo zusammen.
Ich sage schon mal vorab, dass dieser Beitrag etwas länger werden dürfte, wer sich das also gerne ersparen möchte, darf gerne aufhören zu lesen.
Meine Situation ist folgende:
Seit etwas mehr als zwei Jahren bin ich mit einem wunderbaren Mann zusammen und seit Juni sind wir auch verheiratet und erwarten nun unser gemeinsames Wunschkind. (12.SSW)
Ich habe meinen Mann vor 4,5 Jahren als alleinerziehenden Papa kennen gelernt und sein Sohn wohnt jetzt natürlich auch mit uns zusammen.
Seine Mutter sieht er (wenn überhaupt) nur einmal am Wochenende für ca. 9Stunden.
Schon damals ist mir aufgefallen, wie erschreckend unselbstständig er für einen zu der Zeit 6Jährigen Jungen doch war.
Und wie wenig Regeln und Grenzen es doch für ihn gab. Und wenn man welche setzen wollte, war man fast genötigt, mit einem Sechsjährigen darüber zu diskutieren. Einfach weil es sowas für ihn vorher nicht gab.
Er war nicht in der Lage, alleine sein großes Geschäft zu verrichten, geschweige denn alleine Zähne zu putzen oder duschen zu gehen. Wenn er damals auf die Toilette gegangen ist, wurde die Tür dabei offen gelassen, danach das Licht an, die Spülung nicht betätigt, solche Sachen eben.
Nun ja, damals habe ich mir noch nicht angemaßt, etwas dazu zu sagen, weil wir uns ja gerade erst kennen gelernt hatten und ich auch wusste, dass mein Stiefsohn aich schon ziemlich viel durchgemacht hat mit der doch sehr unschönen Trennung seiner Eltern und auch mit seiner Mutter.
Nun sind wir aber mit der Zeit ein Paar geworden und dann auch zusammen gezogen. Der O-Ton meines Mannes war vorher, dass ich mich dann auch durchaus an der Erziehung mit beteiligen solle, weil seine Mutter das ja nicht tut.
Naja, also kamen dann erstmal die Basics dran, als wir zusammen gezogen sind.
Tischmanieren, Teller in die Spülmaschine räumen, Türe beim p***eln zu machen, danach Spülung betätigen...solche Sachen eben.
Da war mein Stiefsohn schon neun(!!!) Jahre alt.
Aber selbst heute ist dieses Kind nicht in der Lage, ohne Kontrolle alleine duschen zu gehen und sich dabei vernünftig zu waschen. Heute kam er an, sein Papa solle ihm doch bitte die Fingernägel schneiden.
Schuhe binden? Keine Chance.
Sein Bett beziehen? Nope.
Sich ein Brot schmieren? Never.
Und wenn man ihm etwas zeigen und beibringen möchte, verzweifelt er sofort, wird unwirsch und fängt an zu weinen.
Und wenn ich als Stiefmama dann etwas dazu sage?
Dann kommt "ja du hast ja recht" aber ändern tut sich nichts.
Genau so, wenn ich meinen Stiefsohn bitte, etwas zu tun oder zu lassen. Es kommt oft genug vor, dass mein Mann dann dazwischen quatscht und sich hinter seinen Sohn stellt.
Bsp.: Neulich hat mich der Kurze ganz schön angeblafft, als ich ihn gebeten habe, doch nicht so zu schmatzen beim Essen.
Ich habe ihn dann gefragt, wieso er so patzig reagieren würde, schließlich hätte ich ihn ja nur ganz normal und ruhig um etwas gebeten.
Daraufhin mein Mann sofort (und natürlich vorm Stiefsohn) : "Wieso, was hastn du jetzt, er war doch überhaupt nicht patzig."
Es könnte so schön sein im Zusammenleben, aber manchmal fühle ich mich so außen vor.
Und es frustriert ungemein, wenn selbst heute noch die Notwendigkeit besteht, immer wieder auf gewisse grundsätzliche Dinge hinzuweisen.
So, das reicht jetzt aber auch...
Vielleicht findet sich hier ja jemand mit ein paar Tips, Ratschlägen oder auch einfach nur netten Worten.
Stiefsohn (11) ist total unselbstständig, Vater nimmt ihn immer in Schutz
Ich halte einen Teil der VErhaltensweisen deines Stiefsohnes für völlig normal. Tür offen beim Pipi...wenn es ihn nicht stört, ist für iihn alles ok. Dann sag ihm bitte, dass es DEIN Bedürfnis, ihn nicht zu sehen. Brote schmieren...Jo, kein Stress, irgendwann macht er schon von allein. Teller in Spüle... daran arbeite ich gerade mit meinen Teenagern, die sind einfach in Gedanken anderwo als beim schmutzigen Geschirr, das ist weder Faulheit noch böser Wille, einfach noch fehlende Umsicht. Schmatzen finde ich auch unangenehm, ebenso flezen am Tisch. Die Reaktion der Kinder ist aber auch eher patzig. Und im Grunde haben sie Recht: Ich finde es zwar unsympathisch, aber rein funktional gesehen kann man lümmelnd am Tisch genauso effektiv Essen in den Mund transportieren wie mit guten Manieren.
Vielleicht hilft es dir ja, wenn du die berühmt-berüchtigte "Ich-Botschaft" sendest anstatt dich über das Kind zu beschweren: "Ich finde es störend...", Mir würde helfen..." "Ich schaffe die Hausarbeit nicht allein..." "Ich erwarte von dir..."
Und dann erzähle in 10, 11 Jahren noch einmal, wie du das Leben siehst, wenn dein Kind herangewachsen ist. (P.S. Bevor ich eigene Kinder hatte, dachte ich auch immer, ich wisse, wie es laufen muss.)
Natürlich wird das über Ich Botschaften kommuniziert.
Ich sage ja nicht zum Papa "Boah, Sorg mal dafür, dass dein Sohn nicht schmatzt oder die Tür zu macht oder oder oder"
Ich spreche schon normal mit meinem Stiefsohn a la "du, hör mal, es ist für mich nicht schön, wenn du..."
Aber trotzdem finde ich es teilweise bedenklich, wenn einem 11Jährigen alles abgenommen wird. Er widerspricht ja seinem Papa genau so oder nölt da rum.
Aber sein Papa macht dann einfach alles, weil er "keinen Stress möchte".
Meiner Meinung nach darf und sollte man Kindern ab einem gewissen Alter auch ruhig etwas Eigenverantwortung und Selbstständigkeit anerziehen. Aber wenn ich das thematisiere, passiert eben trotzdem nicht viel.
Ah, ok, dann habe ich die Ich-Botschaften in deinem ersten Beitrag noch nicht so aufgefasst. Insofern sorry. Was Selbstständigkeit und EIgenverantwortung betrifft, bin ich bei dir, manches ergibt sich aber auch ohne Druck oder dann, wenn es die Situation schlicht und ergreifend erfordert.
Hey!
Ich würde mich an eine Erziehungsberatung wenden und dort mit meinem Partner eine gemeinsame Position erarbeiten. Vielleicht haben die auch noch Ideen, wie man deinen Stiefsohn fördern könnte.
Dann kommt ja in einem halben Jahr die nächste Herausforderung, wenn das gemeinsame Kind geboren wird. Das könnte schwierig werden, wenn dein Stiefsohn merkt, dass er oft kritisiert wird, aber das gemeinsame Kind eben nicht.
Das solltet ihr professionell klären.
Sonst knallt es spätestens in der Pubertät.
Liebe Grüße
Schoko
Vielen Dank für deine Antwort.
Ich habe das mit Beratung von außen schon mehrfach thematisiert aber mein Mann fühlt sich dann sehr schnell angegriffen und hält allgemein nicht viel von "Hilfe von außen". Für ihn haben solche Leute alle einen an der Murmel und wollen ihm dann sagen, wie er es zu machen hätte...
Er war eben lange alleine (auch als er noch mit seiner Ex verheiratet war) und musste immer alles machen und erledigen.
Der Ex war ja (mit Verlaub) so ziemlich alles egal.
Ich nehme mal an daher fällt es ihm auch schwer, sich jetzt abzusprechen, Kompromisse zu schließen und sich auch an diese zu halten. Einfach weil er das nie musste bzw. könnte und durfte.
Für ihn gibt es da nur schwarz oder weiß. Entweder er macht alles oder "dann kümmer du dich jetzt darum und ich halte mich da raus".
Ein "wir" fehlt da einfach.
Es ist ernsthaft erschreckend, dass du Vater und Sohn seit 4,5 Jahren kennst und die simple Tatsache, dass der Sohn ein Kind ist, schlichtweg bis heute ignoriert hast.
Das Verhalten deines Stiefsohnes ist normal.
Also wenn es normal ist, dass 11jährige nicht alleine duschen oder sich die Schuhe zubinden können, dann aber gute Nacht!
Das ist ganz sicher nicht normal.
Das ist das normale Verhalten eines 11-jährigen. Die machen Dinge erst, wenn es absolut zwingend ist.
Die Betten werden zu Hause in aller Regel von Mama bezogen. Zeige mir den Haushalt, wo das anders ist! Die Ausnahme ist mal die Klassenfahrt.
Schuhe schnüren: Wozu gibt es Schuhe mit Klettverschluss?
Duschen? Klar kann der 11-jährige Duschen! Da läuft dann das Wasser und er lässt sich berieseln. Shampoo, Duschgel oder Seife - Fehlanzeige!
Ein Brot selbst schmieren? Klar kann er das. Nur Hotel Mama ist eben besser und es funktioniert im Alltag perfekt. Lass das Kind am Wochenende einfach mal vor dem gedeckten Tisch sitzen und du siehst, es kann das. Nur in der Woche hat man für diese Machtspielchen keine Zeit.
Weißt du, wann mein Fast-11jähriger selbstständig ist? Wenn er muss.
Wenn er nach der Schule allein nach Hause kommt, schafft er es - oh Wunder, oh Zauber - mittlerweile sogar halbwegs komplexe Essen zu kochen, während er, wenn ich zugegen bin, nicht in der Lage ist, sich Brote zu schmieren...
Er geht auch nach dem Sport alleine duschen und zieht sich an, all alone... zuhause nimmt er noch gerne in Anspruch, dass ich ihm die Haare föhne und die Sachen zum Anziehen auf die Heizung zum Anwärmen hänge.
Schuhe mit Schnürsenkeln lehnt er ab, hat es aber auch dem letzten Kindergeburtstag durchaus geschafft, sich die Bowlingschuhe zu binden. Und auf der Klassenfahrt hat er sein Bett selbst bezogen. Das hab ich ihm vorher einmal gezeigt...
Will sagen: Ich bin da irgendwie tiefenentspannt. Ich war als Kind und Jugendliche auch wenig selbstständig, weil ja Betüddelung die Alternative war. Na und?
Wenn du keinen Bock auf bestimmte Dinge hast, dann sag das genauso, markiere deine Grenzen... aber so eine permanente Rumerzieherei zuhause finde ich total anstrengend. Für alle Beteiligten.
Hab gerade noch zurückgemeldet bekommen, wie außerordentlich höflich und wohlerzogen mein Kind beim Übernachtungsbesuch war. Er kann,wenn er will und muss... und da gehe eigentlich bei allen 11jährigen, die in einem nicht gänzlich asozialen Umfeld groß werden, von aus, dass das so ist.
Benimmst du dich denn zuhause wie auswärts? Ich pinkle zuhause auch gerne mit offner Tür, esse bevorzugt vor der Glotze oder direkt vorm Kühlschrank stehend, mir wahllos Dinge in den Hals werfend...zuhause ist da, wo man den Bauch nicht einzieht... irgendwie so...weder mein Sohn noch ich.
Du klingst irgendwie verspannt. Ich war mit meinem Mann übrigens auch nicht erziehungskompatibel. Bei dem muss auch immer Zucht und Ordnung herrschen... selbst beim aufm Sofa lümmeln. Ich fand das tierisch anstrengend und ja, ich habe da meinen Sohn oft verteidigt... Es wird also kompliziert, wenn da zwei Erwachsene sind, die einen unterschiedlichen Blick auf Erziehung haben. Wir haben uns u.a. deswegen getrennt und funktionieren jetzt deutlich besser, wo wir nicht ständig mit dem Erziehungsstil des anderen konfrontiert sind. Und unser Sohn kann switchen, der weiß, wo was Phase ist.
Es gibt so Kinder, die kein großes Bedürfnis nach Selbständigkeit haben. Meiner ist auch so. Anziehen, Schuhe binden, Nägel schneiden etc. sind alles so Sachen, die er, wenn es nach ihm ginge, noch heute (11 Jahre) nicht selbst machen würde.
Jeder dieser Schritte war ziemlich harte Arbeit. Wenn man dann viel am Hals hat und erschöpft ist, dann ist die Versuchung groß, es einfach selbst zu machen. Geht schneller.
Da würde ich mich zu zweit hinsetzen und überlegen, wo die Prioritäten liegen. Bei mir wäre das zB Hygiene und Körperpflege. Ob ich jetzt 2 oder 3 Teller in die Spülmaschine packe, ist mir hingegen egal. Dann dem Sohn klar kommunizieren, was ihr erwartet, was er jetzt selbst tun kann, weil er alt genug ist.
Das sollte aber für den Jungen klar und übersichtlich sein. Wenn du alles auf einmal angehen willst, dann haben Sohn und Väter vermutlich das Gefühl, dass du an allem rummeckerst, und er nichts richtig machen kann. Das führt schnell zu Frust und Verweigerung.
Bei uns ist auch sehr hilfreich, die Selbstständigkeit in Bereichen zu fördern, bei denen das Kind positive Erfahrungen macht. Alleine einkaufen zu gehen, macht meinen Sohn zB total stolz und zeigt ihm, dass er viel alleine kann. Auf längere Sicht, wirkt sich das auch auf die ungeliebten Bereiche sus.
Oder Selbständigkeit einfordern für Sachen, die ihm wichtig sind. Die Sporttasche fürs Training alleine packen zB. Er will ja zum Training. Das ist sein Ding. Da klappt es besser. Auch die erste Ferienfreizeit hat viel gebracht. Da müsste er vieles allein hinkriegen und war am Ende sehr stolz auf sich.
Und trotzdem, gewöhne dich an den Gedanken, dass es ziemlich normal ist, dass man vorpubertäre Jungs an jeden Scheiß hundert Mal erinnern muss. Machen sollten sie ihren Kram dann schon allein, aber dass sie ihre Pflichten jeden Tag aufs Neue "vergessen", ist nicht besonders ungewöhnlich.
Ich vermisse hier absolut die Beziehung zum Stiefsohn, die es nach 4,5 Jahren ja geben sollte.Sehr schade für das Kind. Ich würde sagen:erstmal beim Eigenen besser hinkriegenden.
Mein Bruder war als Junge auch sehr von der Mama verwöhnt, sie hat ihm alles abgenommen in dem Alter wie dein Stiefsohn. Jetzt ist er trotzdem der hilfsbereiteste und selbstständigste Ehemann ever, da staune ich immer wieder. Ich denke, dies umsorgt werden genießen die Kinder sehr. Sie fühlen sich geborgen und geliebt. Meine Tochter kann auch alles viel besser wenn sie alleine ist. Ich mache trotzdem noch viele Dinge gern für sie, weil Ich weiß, dass die alles schafft wenn es drauf ankommt.
Ehrlich gesagt tut mir spontan beim Lesen das Kind sehr leid. Allerdings wäre da meiner Ansicht nach der Papa in der Pflicht (gewesen), ihm Dinge beizubringen. Ich glaube, dass Euer Zusammenleben und ein weiteres Kind nicht die beste aller Ideen war. Als Hauptproblem sehe ich wirklich, dass Dein Partner hin- und hergerissen ist zwischen Dir und seinem Sohn. Wie ist das denn im Alltag, machst Du die Care-Arbeit oder macht er das? Derjenige, der diese hauptsächlich übernimmt, sollte auch die Regeln ansagen dürfen. Ich hatte selber schon 2 x eine Patchwork-Konstellation, beim ersten Mal mit insgesamt fünf Mädels in ähnlichem Alter. War nicht einfach, aber auch als "Next" muss ich z.B. schon sagen dürfen, wenn jemand stinkt, weil er nicht geduscht hat. Das musste ich aber rückblickend nur deshalb tun, weil ihr Vater sich nicht zuständig gefühlt hat... Aus heutiger Sicht würde ich das so nicht mehr mitmachen. Ich werde auch definitiv keinen Partner mehr mit weiteren Kindern haben, gerade aus diesen Erfahrungen heraus, so hart das klingen mag. Ich möchte weder nochmal hören, wie schlimm die Ex ist noch streiten über die Erziehung von Kindern, weder meine noch seine. Sorry, ein wenig abgeschweift... Aber am Ende ist es doch eben so: Sag ihm (Deinem Partner, nicht dem Sohn!), was Dir wichtig ist und warum. Hab Verständnis für den Jungen, er hat es nicht einfach in dieser Konstellation. Und dann tritt Deinem Freund in den Hinter, dass er zusieht, dass das klappt. Das wird sonst nicht gut werden. Ich wünsch Dir alles Gute!