Hallo liebes Forum,
Ich bin seit nunmehr knapp 2 Jahren in einer neuen Beziehung. Nach meiner Scheidung ist es die erste Partnerschaft. Wir haben jeder 2 Kinder, das patchworken funktioniert eigentlich recht gut, zumal sich die Kinder schon vor unserer Beziehung kannten.
Nun ist es so, dass seine Tochter (8) eine schwierige Persönlichkeit hat. Sie hat ADHS, ist medikamentös eingestellt. Sie ist daher regelmäßig sehr anstrengend und fordernd. Daran gewöhnt man sich.
Schlimm ist aber, dass sie sehr regelmäßig lügt. Es sind meistens Schutzbehauptungen. "Ich war es nicht." "Ganz sicher hab ich das nicht gemacht."
Selbst wenn man sie quasi beim Lügen ertappt bleibt sie bei ihrer Version. Zudem beschwert sie sich ständig, dass man sie ärgert, nicht mitspielen lässt etc., und Papa möge das bitte in ihrem Sinne klären.
Leider lässt sich mein Freund dann oft vorspannen...
Manchmal kommt es nun zu Situationen, wo bei unseren Kindern gegenteilige Aussagen kommen und sich gegenseitig die Schuld zugeschoben wird.
In den überwiegenden Fällen stellt sich durch konsequentes Nachbohren meines Freundes heraus, dass seine Tochter gelogen hat.
Meist entschuldigt sie sich anschließend reumütig und die Sache ist ohne weitere Konsequenz vom Tisch.
Nun kam es aber auch vor, dass sie mich belogen hat.
Und ich bin mir nicht sicher, ob meine Reaktion heute richtig war.
Es ging um etwas recht banales. Kaugummis. Meine Tochter hatte ihre Kaugummis, die sie noch von Weihnachten hatte, heraus gekramt um sie zu essen. Vorher ist sie aber nochmal schnell in ihr Zimmer.
Als sie zurück kam, war die Packung leer. Sie ist in ihr Zimmer und hat hinter sich die Türe geknallt. Ich wusste zuerst gar nicht warum. Mein Freund meinte, es gäbe doch keinen Grund sich aufzuregen; wer weiß wie lange die Packung schon leer ist. Er hat seine Kinder trotzdem gefragt ob sie welche genommen haben. Dies wurde verneint; mein Sohn hat indes zugegeben, neulich eins genommen zu haben, sie aber nicht leer gemacht zu haben.
Ich bin dann in ihr Zimmer, um genau nachzufragen. Sie erzählte mir traurig und wütend, dass noch 2 Kaugummis in der Packung waren, bevor sie in ihr Zimmer ist. Sie hatte mich tatsächlich vorher auch gefragt, ob sie eins essen kann. Das hatte wohl auch die Patchworkschwester mitbekommen und wollte auch eins. Meine Tochter verneinte dann.
Ich bin dann zurück, und habe seine Tochter selbst gefragt, ob sie an den Kaugummis war. Sie verneinte.
Dann habe ich meinen Freund mit der Aussage meiner Tochter konfrontiert, dass kurz vorher noch Kaugummis drin waren. Er hat sofort das Gespräch mit seiner Tochter gesucht. Sie hat mehrfach geleugnet. Allerdings hat man die Kaugummis wohl an ihrem Atem gerochen, sodass sie es irgendwann zugegeben hat.
Er bat sie anschließend, sich bei meiner Tochter zu entschuldigen.
Da bin ich dann dazwischen, und habe gesagt, dass ich das nicht möchte. Das reicht für heute nicht. Ich lasse mich von einem Kind nicht zum wiederholten Male in meinem Zuhause anlügen. Zumal wir uns sonst ganz gut verstehen und sie bei mir ein und aus geht. Ich habe gesagt, dass sie heute bei mir mir nicht mehr willkommen ist und sie gebeten zu gehen. Ich möchte nicht angelogen werden. Logistisch war das kein Problem, sie wohnen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Es spielt sich quasi alles vor der gemeinsamen Haustür ab. Mein Freund hat sie dann heimgebracht. Er hat dann aber mitbekommen, dass sie wohl in ihrem Zimmer mit ihrer Smartuhr ihre Mutter angerufen und sich ausgeheult hat. Die hat sich dann bei meinem Freund gemeldet. Es war wohl ein ruhiges Gespräch; ich glaube sie wollte einfach nachhören warum ihre Tochter wohl so aufgebracht angerufen hat.
Die Tochter ist möglicherweise über meine Konsequenz erstaunt. Vielleicht traurig, wütend, enttäuscht, sauer.
War meine Reaktion unangemessen? Ich weiß es steht mir nicht zu, sein Kind zu erziehen. Sie hat aber in meinem Zuhause gegen meine Regeln verstoßen, und meine Kinder zum weinen gebracht. Außerdem führt dieses Verhalten oft zu Streitereien zwischen meinem Freund und mir, weil er seine Tochter häufig erstmal in Schutz nimmt und meine Kinder als Übertreiber abtut. Anschließend bestätigen sich dann ihre Lügen meist.
Mein Freund ist mittlerweile echt verzweifelt. Er hat Angst, dass sie es sich mit ihrer Art überall verscherzt. Da das Problem nicht erst seit gestern besteht, ist sie auf psychologische Empfehlungen jetzt auch frisch in einem Sozialkompetenzkurs.
Ich finde aber Konsequenz, zusätzlich zu allen therapeutischen Maßnahmen, wichtig. Auch als Zeichen meinen Kindern gegenüber.
Wie seht ihr das? War ich zu hart? Steht es mir nicht zu?
Danke fürs lesen!
Stiefkind lügt regelmäßig
Ich finde deine Reaktion erst mal menschlich. Es macht einen mürbe, wenn man ständig mit solchen Situationen konfrontiert ist. Letztendlich muss sie auch merken, dass sie mit diesem Verhalten andere Menschen verletzt.
Es klingt so als wäre sie schon in therapeutischer Behandlung. Vielleicht dort mal das Gespräch suchen wir ihr als Erwachsene am besten handelt und sie am besten unterstützen könnt, damit das besser wird. Dauerhafter Druck ist natürlich nicht gut.
Und dann ist es aber vielleicht auch nur eine "Phase". Wir hatten das hier auch mal. Da wollte es auch nie jemand gewesen sein. Das war ungefähr das Alter. So ein bisschen ist das in dem Alter wohl auch normal...
"Ich weiß es steht mir nicht zu, sein Kind zu erziehen."
Doch, und ob dir das zusteht. Ihr seid in einer Beziehung, ihr seid öfter als Familie beieinander, da finde ich gehört das dazu. Wenn dein Freund mal z.B. kurz einkaufen gehen würde, hast du ja auch die Aufsichtspflicht. Da muss das Kind dann auch auf dich hören.
Ich bin auch absolut bei dir mit den Konsequenzen. Immer nur leere Worte als Entschuldigung bringen niemanden weiter. Ich persönlich hätte hier einen anderen Ansatz gewählt. Und zwar hätte die Tochter mit ihrem Taschengeld für deine Tochter neue Kaugummis kaufen müssen. Je nachdem wieviel sie hat und wie lange das dauern würde, bekäme sie dazu noch z.B. für das Wochenende Fernseh/Internet/Gamekonsole-Verbot, je nachdem was davon sie gerne macht.
Edit: Gerechterweise müsste es dann aber auch eine Konsequenz für deinen Sohn geben.
Danke für die Antwort. Sie haben das gestern Abend auch noch gemacht, neue Kaugummis gekauft. Aber das machen sie eben dann immer. Wie gesagt, war es nicht das erste Mal.
Meinen Sohn hat auch seine Kaugummis mit seiner Schwester geteilt und andersrum. Das war nicht das Problem. Er hatte sie aber nicht leer gemacht und schon gar nicht gelogen.
Im Gegenteil, er hat ja sofort eingeräumt, irgendwann mal eins gegessen zu haben.
Danke für deine tolle Antwort. Ich sehe das genauso. Viel beachtenswerter als das Nicht-Zugeben ist doch das Verhalten deiner Bonustochter, das zur Schutzbehauptung führt.
Sie kann ihre Impulse nicht kontrollieren, fühlt sich offensichtlich öfter ungerecht behandelt bzw ausgeschlossen. Da sollte man ihr helfen, das mit dem Kurs ist eine coole Sache, ich hoffe, sie profitiert.
Das inquisitorische Bohren und Befragen des Kindes, das offensichtlich nicht die Wahrheit sagt, finde ich - no offense - mehr als kontraproduktiv, vorsichtig ausgedrückt. Ihr setzt ein Kind unter Druck noch mehr unter Druck, das ist wie ein Machtkampf, und ihr seid die Stärkeren. Und der Rauswurf toppt das dann noch. Ich verstehe, dass du wütend warst, und wir alle reagieren in der Emotion mal über, das ist ja nur menschlich. Aber im Nachhinein kann man reflektieren, ob das eigene Verhalten insgesamt der Lösung des Ganzen zuträglich war.
Ich denke, man hätte ihr auch sagen können: „Sie mal, Sophia, wir wissen, dass du den Kaugummi genommen hast, auch wenn du das jetzt nicht zugeben willst. Den Kaugummi ohne zu fragen einfach zu nehmen, aber nicht okay: Er gehörte Anna und du kannst anderen nicht einfach Dinge wegnehmen, nur weil du gerade Lust darauf hast. Verstehst du, dass Anns jetzt sehr traurig und wütend ist, weil sie sich schon auf den Kaugummi gefreut hatte?“ Und dann immer wieder die künftige / wünschenswerte/ alternative Handlungsweise durchgehen und die wiederholen lassen: „wenn so etwas wieder passiert, frage ich Anna, ob sie mit mir teilt. Oder ich frage Papa oder dich, ob ihr etwas anderes zum Naschen habt. Oder…“
Sorry, ich will da nicht den Besserwisser spielen und ich stecke ja auch nicht in euren Schuhen. Theorie ist immer leichter als die Praxis. Aber das Lügen ist hier nicht das Problem, finde ich. Ich sehe ein überfordertes Mädchen, das soziale Schwierigkeiten hat und Unterstützung.
LG Lil
Danke für den Beitrag. Ich bin ja für jeden Ansatz dankbar. Wir haben schon viel versucht. Mein Partner geht schon stark auf seine Tochter ein. Er redet viel und zeigt viel Verständnis. Sie bekommt in diesen Situationen zudem immer gesagt, dass sie keinen "Ärger" bekommt, wenn sie es einfach zugibt.
Dennoch bleibt sie immer im Brustton der Überzeugung bei ihrer Lüge. Und, das könnte ich noch erwähnen, bringt dabei auch öfters ihre Bonusgeschwister bzw. meine Kinder in Schwierigkeiten, weil sie mit ihrer Lügerei überzeugend falsch verdächtigt.
Das ist soo schwierig, immer nur gut zuzureden.
Aber ja, wir hoffen inständig, dass der Kurs da ansetzen kann.
Ich verstehe dich sehr gut, es muss wirklich anstrengend sein! Ich hoffe mit euch, dass dieses Training ihr zumindest neue Möglichkeiten aufzeigt, auch wenn die dann natürlich noch geübt werden müssen. Viel Kraft und Gelassenheit!
Ich finde das gar nicht zu hart.
Sie hat etwas aus deinem Haushalt gestohlen. Ich würde jemanden, der mich bestiehlt, auch raus werfen.
Klar ging es hier "nur" um Kaugummis, aber irgendwann ist es Geld oder kostbare Gegenstände
Wenn ich es richtig verstehe, entstand der Konflikt in deiner! nicht eurer Wohnung und in der quasi „sicheren“ Umgebung deiner Kinder.
So doof es klingt, deine Bonustochter ist Gast und dein Partner auch, wenn es so ist.
Irrelevant welche Diagnosen sie hat, es ist deine Wohnung und du
musst du dich nicht ständig belügen lassen.
Wenn das Kind nicht die erforderliche Impulskontrolle hat, damit du und deine Kinder in eurer Wohnung ohne ständige negativ Erlebnisse leben könnt, dann muss es engere Grenzen geben.
Dein Partner sollte im Nachgang die Situation nochmal in Ruhe mit seiner Tochter aufarbeiten, insbesondere dass ihre „Tat“ gar nicht so schlimm war, aber ihre Lügerei zur Eskalation führte.
Eben das es viel besser gewesen wäre, wenn sie von Anfang an bei der Wahrheit geblieben wäre.
Und er sollte ihr die Sicherheit geben, dass sie ihre Fehler zumindest ihm gegenüber zugeben kann.
Danke für die Antwort. Ja, es war bei mir zu Hause.
Dass die eigentliche "Tat" nicht schlimm ist bekommt sie immer wieder gesagt von meinem Freund. Sie weiß also, dass sie nur Ärger fürs lügen bekommt.
Wobei der "Ärger " dann meist schimpfen und Wiedergutmachung (z.B. neue Kaugummis kaufen) bedeutet.
Das war das erste Mal, dass ich eine eigene Reaktion gezeigt habe, da ich mich sonst nicht so einmischen möchte. Diesmal aber weil es eben in meinen Räumen war und sie mir ins Gesicht gelogen hat.
"Das war das erste Mal, dass ich eine eigene Reaktion gezeigt habe, da ich mich sonst nicht so einmischen möchte. Diesmal aber weil es eben in meinen Räumen war und sie mir ins Gesicht gelogen hat."
Vielleicht war ja auch genau DAS endlich mal an der Zeit.. Ich finde deine Reaktion nachvollziehbar und menschlich. Und ADHS kann auch nicht einfach für alles als Ausrede herhalten. Wenn es wirklich so schlimm ist, dann muss dein Partner mit ihr zum Arzt, muss sie therapieren und einstellen lassen und vor allem, bis dahin aus deinen Räumen fern bleiben. Wie schon jemand weiter oben schrieb, das ist dein sicherer Rückzugsort für dich und deine Kinder. Da hat, überspitzt formuliert, ein lügender und stehlender Eindringling nichts zu suchen.
gelöscht, weil Lesefehler bemerkt und Antwort doch nicht passend war.
Hey!
Ich habe selbst adhs und gebe auch mal meine 2 Cents dazu.
Wie wird denn das Mädchen behandelt? Ich tippe mal nicht auf Medikation, oder? Der Diebstahl des Kaugummis ist ja schon eine impulsive Handlung, die unter Medikation ausbliebe.
Ich kenne es von mir, dass ich ständig Dinge esse, die ich eigentlich nicht essen sollte. Das sind dann impulsive Momente und nachher ist mir direkt klar, dass es nicht ok ist. Nun bin ich wieder unter Medikation und bin völlig in her Spur.
Also mein Rat wäre, mal über eine andere Behandlung zu sprechen. So läuft es eben nicht, das Kind eckt an und das wird ihm auf Dauer nicht gut tun. Von deinen Kindern ganz zu schweigen.
In einen Sozialverhaltenskurs kann sie ja gerne gehen- aber ohne Medikation finde ich ihn witzlos. Der Kurs ändert ja an der Impulsivität nichts. Und ja, impulsive Kinder lügen schneller.
Deine Reaktion finde ich gut, insbesondere auch für deine Kinder. Aber auch für das Mädchen. Lügen sind keine Bagatellen.
Liebe Grüße
Schoko
Hey, im Beitrag steht, dass das Kind medikamentös eingestellt ist.
Stimmt. Dann ist die Frage, ob das Kind die Medikation am Wochenende auch nimmt (manche lassen die Medikation am Wochenende weg) und wann genau das Medikament genommen wird. Nur eine zum Frühstück, oder Frühstück und Mittag? Wann wurde der Kaugummi geklaut. So eine Tablette wirkt etwa 4 Stunden, wenn man sie korrekt mit Kohlenhydraten nimmt.