Kein Fremdeln: zu viele Bezugspersonen?!

Hallo!
Eigentlich ist es ja (oberflächlich gesehen) etwas Schönes: Unser Sohn wird in einer Woche 1 Jahr alt und fremdelt überhaupt nicht.
Ich erkläre mir das so, dass er von Geburt an viele Menschen gewohnt ist, die ihn lieben, knuddeln, füttern, baden und bespielen, da wir eine sehr große Familie und einen großen Freundeskreis in nächster Nähe haben.
Die meiste Zeit ist er natürlich bei mir. Ich habe ein halben Jahr gestillt, bis er von selbst den angebotenen Brei besser fand, er schläft bei uns im Bett und ich bin noch bis zu seinem 2. Geburtstag mindestens in Elternzeit.
Er fremdelt absolut nicht, geht auch zu fremden Onkeln und Tanten, die er zB letztes Wochenende auf einer großen Feier zum ersten Mal gesehen hat. Selten weint er, wenn er uns gehen sieht und er bei Oma bleibt (zB für einen Ausflug in die Sauna), beruhigt sich aber super schnell. Er hat eine absolute Lieblingstante. Ist die da, lässt er sich nicht aus ihren Armen nehmen.


Eigentlich finde ich das alles sehr schön und auch praktisch, da ich einige Freiheiten habe und weiß, dass er glücklich betreut ist und alle sind natürlich begeistert von dem lieben Baby.

Jetzt mache ich mir aber doch Sorgen, da ich gehört habe, dass das fremdeln auch wichtig sei.
Ist dem so?
Kann das noch kommen?

Ebenfalls habe ich immer wieder gehört, ein Baby brauche EINE verlässliche Bezugsperson.,, Er hat so viele. Kann das auch nachteilig sein?
Lg und Danke schonmal für informative Antworten

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Man kann auch Probleme konstruieren, wo keine sind. Eurem Sohn geht es offensichtlich gut - Punkt.

Es ist evolutionär überhaupt nicht angelegt, dass ein Kind nur bei Mama (und Papa) groß wird. Es braucht ein ganzes Dorf... usw.
Nur hier bei Urbia meinen immer alle, es wäre etwas schlechtes, wenn sich viele Menschen "reinhängen".

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Du bist doch die Bezugsperson! Schlimm wäre ein kompletter Tag bei dir ein Tag bei Tante ein Tag bei Oma ... und vermutlich bist du ja auch oft dabei. Unser Kind hat zb auch bei Verwandten nie gefremdelt. Auch nicht bei der Oma die er selten sieht. Ihr anderer Enkel hat dagegen bei ihr gefremdelt obwohl die ihn regelmäßig betreute. Bei fremden 'fremdelt' unserer dagegen heute noch.

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Schwachsinn. Das ist Hausfrauen Nachkriegsgequatsche. So - wie es bei euch ist - sollte es eigentlich überall sein. Der Kleine ist glücklich und rund um umsorgt auch wenn die eine Person mal flach fällt. Und vermutlich hat er einfach schon durch eure Lebensführung mehr soziale Anregung mit anderen.

Außerdem wer sagt bitte, dass das Fremdeln mit Punkt 1 da sein muss.

Die Frage ist ja zukünftig auch eher die, ob er distanzlos auch zu völlig Fremden läuft, sich da alles andrehen lässt und mitgehen würde....oder doch so etwas wie einen Impuls hat nicht von seinem Kernumfeld getrennt werden zu wollen.

Und ich glaube, da er sich ja trotzdem in seinem sehr vertrauten Rahmen bewegt, wird er da vielleicht einfach nicht die Notwendigkeit haben genauso zu Fremdeln, wie es Kinder tun, die halt nur ihren Kernfamilienhaushalt im Schwerpunkt kennen und wo dann maaaal Besuche kommen.

Bei uns ist es genauso mit der großen Family. Ist vielleicht ein dämlicher Vergleich, aber man sagt ja über Katzen auch, dass sie auf Fremde stark reagieren können und das gar nicht mögen. Als wir unseren Wurf hatten und wirklich jeden Tag ne Horde Menschen zum begutachten und Streicheln kam......was soll ich dir sagen.....keins der Katzen ist irgendwie Menschenscheu geworden oder lässt sich von häufigen Besuchen stören. Und wenn die das lernen können, warum sollten das Babys nicht auch hinbekommen. Der Mensch schimpft sich doch so intelligent zu sein.

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Das ist aber auch sehr pauschal interpretiert... nur weil man viel unter andere Menschen ist, heißt es nicht, dass dadurch Kinder weniger fremdeln als bei Familien wo wenig Besuch da ist.

Wir hatten eine riesige Familie und wir waren immer überall mit den Eltern. Auch wurden wir Arbeitsbedingt mal von dem und dem betreut. Wer halt grad da war.

Meiner Schwester hat es nie gestört. Die war wie mein 2jähriger und hättest verkaufen können. Mir hat das gar nicht gut getan und es hängt mir bis heute noch nach, dass ich nur von dem betreut wurde wer grad Zeit hatte.

Meine Kinder sind im kurzen Abstand auf Die Welt gekommen und haben den selben Alltag. Und alle 3 sind dennoch so unterschiedlich.

Wichtig ist es doch die Kleinen im Blick zu haben und das zu geben was sie brauchen. Sind sie anhänglich, dann sollte man schon schauen dass man sie nicht länger als nötig (z.b. berufsbedingt) abgibt. Die werden ja irgendwann älter und dann legt es sich von allein.

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P.s. in damaligen Zeiten wurden die Kinder vom ganzen Dorf aufgezogen, aber die Mama (oder Mamaesatz) war immer anwesend. Denn damals hatten Frauen keine Berufe oder Arbeiten, wo sie die Kinder nicht mitnehmen konnten.

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In dem Alter hat meine Enkelin auch nicht gefremdelt. Auf jeder Feier war sie begeisterter Wanderpokal von Arm zu Arm. Da sie auch viel in Krankenhäusern war, war dies gut, sie strahlte jeden Dok und jede Schwester an. Man " hört " so vieles, aber lange nicht alles stimmt. Wieso soll es schlecht sein, wenn ein Kind nicht brüllt beim Anblick eines anderen Menschen? Nur EINE Bezugsperson? Na super - und wenn die ins Krankenhaus müsste, muss man klein Josefine mit aufnehmen? Auch das ist Unsinn. Meine Enkelin hat ihre Eltern und meinen Mann und mich gehabt - und das war auch gut so, besonders als meine Tochter krank war.
Ihre Fremdelphase hatte sie so mit ca. 4-5 Jahren, aber nur gegenüber vollkommen Fremden.
Leonie ist nun 13 Jahre alt und es ist immer noch gut, dass sie auch mich hat. Immerhin werden Eltern in der Pubertät des Kindes manchmal zickig🤣🤣 und da ist eine Oma zum Vermitteln auch nicht schlecht.
LG Moni

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Ich würde das auch entspannt sehen, fremdeln oder nicht, wann und wie stark ist denke ich auch sehr individuell verschieden.

Meine Tochter hat schon sehr früh gefremdelt, sogar gegen die Oma, die sie seit Geburt 2-3x wöchentlich gesehen hat und die sehr erfahren und lieb ist. Bei Großfamilientreffen, die es oft gibt, hat sie die Aufmerksamkeit sehr genossen, nehmen lassen von anderen aber Fehlanzeige.

Sie ist jetzt 17 Monate und braucht immer noch länger als andere Kinder zum Auftauen. Hat aber auch starke eigene Meinungen zu anderen Dingen wie Wickeln, Essen, ...

Andere Kinder, die ich übers letzte Jahr auch langfristig mitbekommen habe im selben Alter, sind ganz unterschiedlich in der Hinsicht.
Einer ist ein ganz fröhlicher und würde mit allen mitgehen, er ist aber sicher nicht schlecht gebunden. Ich denke, er ist wie seine Eltern halt extrovertiert.

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Huch, dann habe ich wohl auch alles falsch gemacht. Spaß beiseite. Ich denke Menschen sind unterschiedlich und auch Babys/Kleinkinder sind unterschiedlich. Sicherlich kann man durch Erziehung/Umgang etc. bestimmte Charakterzüge verstärken.

Mein Sohn war genauso, ich konnte ihn überall, so gut wie jederzeit, bei jedem lassen. Am ersten Kindergartentag hatten wir Tränen..... als ich ihn abholte und er gehen sollte :)

Heute ist er fast 20, kann sich immer noch in jede Gruppe einfügen und auf Leute zugehen.

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😂 das mit dem Kindergarten war bei mir damals auch so! Mama war etwas beleidigt 😅

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Hallo

Ja. Fremdeln ist wichtig. Aber es ist falsch, dass ein Baby nur EINE Bezugsperson braucht. Es ist belegt, dass auch ein Baby schon von einem Netzwerk aus Bezugspersonen profitiert.
Du musst selbst wissen, ob du eine verlässliche Bezugsperson für dein Kind bist.
Mein großer Sohn war ein Kind, das sich - scheinbar - problemlos in fremde Hände geben ließ. Allerdings ist er eine Persönlichkeit, die ihre Bedürfnisse einfach nicht offen kund tut. Das macht er heute noch nicht. Er hat einfach keinen Zugang zu seinen Bedürfnissen.

Ich war damals keine besonders verlässliche Mutter, weil ich arg mit mir zu tun hatte. Das habe ich damals aber nicht gemerkt. Wir hatten damals eine ambivalente-unsichere Bindung. Mein Sohn hat immer gebrüllt, wenn sich eine Situation verändert hat. Habe ich ihn abgegeben, hat er sich sofort auf vorhandenes Spielzeug gestürzt und Personen um sich herum ignoriert. Habe ich ihn abgeholt, hat er gebrüllt und mit Spielzeug geworfen.

Die Gute Nachricht ist aber, dass Bindungen nichts statisches sind. Man hat immer die Chance, etwas wieder gut zu machen.
Sollte es bei euch beiden so sein, dass die Bindung suboptimal ist, ist das nicht so schlimm. Das lässt sich auch dann ändern, wenn es schon negative Auswirkungen hat.
Bei meinem älteren Sohn ist die ungünstige Bindung mit 3 so richtig zum Tragen gekommen, weil er wirklich sehr verhaltensauffällig wurde. Mit 4 sind wir dann zur Familientherapie gegangen und haben halt an uns gearbeitet. 🤷‍♀️
Aber wie gesagt: ich hatte damals auch ordentlich mit mir selbst zu tun.

Was ich als Essenz sagen will: du merkst am späteren Verhalten deines Kindes, ob es gut sozialisiert ist. Und wenn euch Fehler passiert sind, dann könnt ihr die immer beheben.

Außerdem finde ich 1 Jahr noch recht früh für "richtiges" Fremdeln. Mein zweiter Sohn hat auch erst so richtig mit 1,5 damit angefangen. Ich bin da oftmals selbst rotz und wasser heulend aus der Krippe gegangen, wenn ich mein brüllendes Kind abgeben musste. Vorher konnte ich ihn auch anderen Leuten problemlos in die Hand drücken. Mit ihm habe ich von Anfang an eine sichere Bindung. Er ist aber auch ein Kind, was sein Herz auf der Zunge trägt und kein Problem damit hat, Bedürfnisse zu äußern und einzufordern.

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Vielen Dank für das Teilen deiner Erlebnisse.
Ich denke/hoffe, wir haben eine gute Bindung... kann man das in dem Alter an irgendwas besonders ablesen? Du scheinst dich ja intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben.

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Hab ich nur, weil es bei uns halt nicht gut lief.
Wenns Probleme gibt, holst du dir einfach Hilfe.

Wenn du magst, kannst du dich zu Bindungstheorien belesen. Ich würde dir aber Bücher empfehlen - nicht das Internet. Es gibt zig Meinungen und Theorien zum Thema Bindung. Ich hab damals ganz pragmatisch "Entwicklungspsychologie" von Oerter und Montada gelesen (das Buch hat an die 1000 Seiten, ich hab jetzt nicht alle Kapitel gelesen). Für mich war das hilfreich.

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Fremdeln ist auch eine Frage des Charakters des Kindes. Von extrem bis gar kein fremdeln gibt es halt alles.

Mein großer hat als Baby neben uns Eltern nur die Oma akzeptiert. Mit über einem Jahr war er dann auch das erste mal bei meiner schwiegermama ein zwei Stunden ohne uns, war erst reserviert, aber es ging dann super und seitdem liebt er seine Oma abgöttisch.
Generell mag er jeden, der an ihn als Person interessiert ist (Leute alá "Oh wie süß ich muss ihn knuddeln!" weicht er rigoros aus) und mit ihm spielt.

Unser kleiner ist von Anfang an extrem anhänglich, an mir. Papa darf ihn quasi nur trösten, wenn ich nicht da bin. Zeitweise hat er alles verweigert, wenn nicht ich diejenige war, die ihn gefüttert/gewickelt/Fläschchen gegeben hat. Einschlafen ging die ersten sechs Monate nur auf mir, erst mit gut elf Monaten ohne mich im eigenen Bett.
Wenn da jemand anderes zu ihm Hallo sagte, ist er immer sofort hysterisch geworden, auch Oma, die ja wirklich häufig zugegen ist, war Grund zum schreien...
Jetzt ist er 1 1/2 und kann auch mal ein zwei Stunden bei Oma bleiben, aber wenn ich dann zurück bin, klammert er erstmal extrem und ist auch am folgenden Tag meist anhänglicher.

Beides hat seine Vor- und Nachteile. Wenn jemand offen ist, schnell vertrauen fasst, kann er natürlich schneller Kontakt knüpfen, sich Austauschen, bestimmt auch sicherer auftreten. Jemand, der eher reserviert ist, schaut eben genau, wem er vertraut und geht auf Nummer sicher, hört vllt mehr zu, bevor er sich mitteilt.
Du siehst, da können diverse Charaktereigenschaften rauskommen. Für den Moment würde ich mich an deiner Stelle freuen, dass er so offen und glücklich ist :)

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Sehr interessant und auch erstaunlich, wie sich zwei Kinder in der gleichen Familie so verschieden entwickeln können. Bin auch schon gespannt, wie unser zweites so wird...

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Wie hier schon oft geschriebenen wurde, ist es eine Charaktersache.

Mein Sohn hat nie gefremdelt, ist immer auf alle Menschen zugegangen und hat mit Wildfremden Gespräche angefangen. Er wäre das perfekte Dorfkind, weil er jeden grüßt und kennen möchte 😅

Ich finde es extrem schade, dass wir ihm so früh schon das Gefühl "Keiner auf der Welt will mir etwas Böses" nehmen müssen🙁