Neugeborenes Baby – immer Ähnlichkeit zum Vater?
Vielleicht haben Sie das auch schon einmal gehört: Neugeborene Babys sehen eher ihrem Vater ähnlich. So habe die Natur es eingerichtet, damit auch der Vater sicher sein kann, dass er wirklich der Vater ist. Ob das stimmt oder ob's ein Ammenmärchen ist?
Ähnlichkeit - also mehr Fürsorge fürs Kind
Wissenschaftler sagen: Im Gegensatz zur Mutter können Väter nie hundertprozentig sicher sein, biologischer Elternteil eines Kindes zu sein – und das nagt, bewusst oder unbewusst, an vielen Vätern. Sind sie aber überzeugt davon, wirklich Vater zu sein, engagieren sie sich viel mehr für das Neugeborene. Das wurde sogar erforscht:
In einer Untersuchung wurden Männern verschiedene Kinderfotos gezeigt. Eines davon hatte man aus ihrem eigenen Foto erstellt/gemixt. Dieses Kind fanden sie am attraktivsten und wollten es am ehesten adoptieren. Mit ihm würden sie außerdem am liebsten Zeit verbringen, am ehesten 50 Dollar für es ausgegeben und hätten die wenigsten Probleme, Alimente zu zahlen.
Aber sehen Kinder tatsächlich ihren Vätern ähnlicher?
Mitte der 1990er Jahre gab es dazu eine Studie, die tatsächlich zu belegen schien, dass Einjährige ihrem Vater ähnlicher sehen. Inzwischen gilt das als widerlegt: Es gibt keinen natürlichen Mechanismus, der absolut sicherstellt, dass Väter sich sofort nach der Geburt zweifelsfrei in ihrem leiblichen Nachwuchs wiedererkennen können – manche sehen ihnen halt ähnlich, andere eben nicht.
Aber es wäre schon schön, wenn es so wäre
Dass das Ammenmärchen von der Ähnlichkeit sich trotzdem so hartnäckig hält, liegt wohl an zwei Dingen:
1. Dem Wunschdenken der Väter
In Italien hat man untersucht, ob kinderlose Männer Familienähnlichkeiten anders beurteilen als Väter und einen entsprechenden Effekt gefunden: Väter sahen insgesamt mehr Ähnlichkeiten zwischen (nicht zwingend verwandten) Gesichtern als kinderlose Männer sowie auch als kinderlose Frauen und Mütter. Die Forscher schlussfolgern daraus: Väter haben ein so großes Interesse an bewiesener Verwandtschaft, dass ihr Wunschdenken ihr Urteilsvermögen beeinflusst – was den Kindern in Form größeren Engagements zugute kommt.
2. Dem Interesse und Harmonienbedürfnis der Mütter
Dass gerade sie nach der Geburt die Ähnlichkeit mit dem Vater so betonen, sei Ausdruck ihres dringenden Wunsches, der Vater möge seine Beteiligung am Nachwuchs nicht in Frage stellen. Bei den Frauen macht man ein durch das Hormon Oxytocin bedingtes Harmonie- und Kuschelbedürfnis dafür verantwortlich, dass sie ihren Liebsten ganz sicher in den Zügen des Nachwuchses wiederfinden wollen. Ist der Papa bei der Ähnlichkeitsfrage im gleichen Raum, wird Mama sogar noch nachdrücklicher in ihrem positiven Vergleich.
Französische Studie widerlegt den Mythos
Eine der eindrucksvollsten Untersuchungen mit typischen Ergebnissen zum Thema kommt aus Frankreich, wo Mütter, Väter und Fremde die Fotos von 83 Babys und Kleinkindern aus 69 Familien auf ihre Ähnlichkeit mit dem Vater beurteilen sollten. Die Ergebnisse zeigten zum einen, dass die Mütter darauf beharrten, dass die Söhne ganz der Vater seien, während viele Väter ihre Zweifel hatten. Von dem Fremden bestätigte nur ein Drittel die Ähnlichkeit mit dem Vater, der Rest votete für die Mutter. (Text: Kathrin Wittwer)