Kindergeburtstag all'Italiana
Schrille Torte, zahlreiche Gäste, großer Lärm! Wenn Italiener feiern, dann müssen die Wände wackeln. Und so kommt auch bereits die Geburtstagsparty einer Vierjährigen nicht ohne Superlative aus. Lesen Sie hier Julia Rubins Erlebnisse beim Kindergeburtstag all'Italiana.
50 Gäste zum vierten Geburtstag
„Tanti auguri a te, tanti auguri a te, tanti auguri a Carlotta, tanti auguri a teeeeeee“ - so klingt der immer lauter und schräger werdende Chor der Geburtstagsgäste zur Melodie von "Happy birthday". Mein kleinster Sohn, Leo, mittlerweile 14 Monate alt, hat sich gerade mit all seiner Kraft an der kleinen Stereoanlage hochgezogen (da leuchtet so ein schönes rotes Licht), als jemand vom anderen Ende des Raumes mit der Fernbedienung die Musik anstellt. „MMMPFMMMPFMMMPFWUMMMPWUMMPWUMMP“, die Anlage fängt an zu blinken,Leo wird fast in die nächste Ecke geschleudert (Bass und Lautstärke waren wohl noch vom letzten Fest auf höchste Stufe gestellt), die Folge: ein Heulkrampf in meinen Armen, aber Gott sei Dank keine bleibenden Hörschäden. Meine beiden größeren Jungs klammern sich fest an meine Beine, und so stehe ich da, mit meinen drei Söhnen bei unserer ersten italienischen Kindergeburtstagsparty. Der Bass der kleinen Stereoanlage ächzt vor sich hin und gibt auch wirklich alles, um dem italienischen Anspruch gerecht zu werden: Wenn gefeiert wird, dann richtig. Und wenn es nur der Geburtstag der kleinen Carlotta ist. Carlotta wird heute vier Jahre alt.
Es ist Samstag Nachmittag, Carlotta feiert in einer Art Gemeindehaus. Eingeladen hat sie fast alle größeren Kinder aus dem Kindergarten.
Dazu muss man wissen: Unsere Kinder haben wie eigentlich alle in ihrem (privaten) Kindergarten einen Ganztags-Platz. Das bedeutet: Betreuungszeiten von 7.30 bis 18.30 Uhr. Unter der Woche nachmittags zu Freunden spielen gehen, das gibt es hier nicht. Die meisten Elternpaare sind voll berufstätig, also finden die Kinder ihre Freunde im Kindergarten und da wird zusammen gespielt. Morgens, mittags, am Nachmittag. Und so kommt es, dass Geburtstagsfeiern immer am Wochenende stattfinden und fast immer mit den Freunden aus dem Kindergarten. Heute sind schätzungsweise 20 Kinder gekommen. Die meisten Kinder bringen wiederum ihre Geschwister und Mama oder Papa mit. Und so kommen schnell an die 50 Leute zusammen, die Carlottas Geburtstag feiern.
Auf der Tischreihe am Fenster stapeln sich schon bergeweise riesengroße Geschenke, aufwendig verpackt in bunter Glitzerfolie, verziert mit riesigen Schleifen. Geschenke werden nicht persönlich übergeben, sondern abgestellt und erst später aufgemacht. Wenn alle Kinder da sind. Oder wenn sie schon wieder weg sind (Das wusste ich in dem Moment noch nicht). Ich glaube, wir haben ausgesehen, wie Menschen vom anderen Stern, orientierungslos und ahnungslos, was wir nun machen sollten. Meine Jungs halten jeder ein kleines Päckchen in der Hand, eingepackt in schlichtes rotes Papier, ohne Schleife. „Von Luis“ bzw. „von Ben“ hat der Große in krakeliger Schrift draufgeschrieben. Francesca, eine andere Mama, muss uns gesehen haben – und hat uns schnell aus dem „Ich-bin-zum-ersten-Mal-hier-und-weiß-nicht -was-ich-nun-machen-soll-Dilemma“ befreit. Sie nimmt meinen Jungs fröhlich lachend die Geschenke ab und stapelt sie auf dem Tisch, sie nimmt mir Leo vom Arm (der sich mittlerweile wieder beruhigt hat)und trägt ihn durch die Gegend, und so habe ich zwei Hände frei, um mir mit den Großen einen Weg zu DER Attraktion des Nachmittags zu bahnen: einer riesigen Hüpfburg im Garten des Gemeindehauses.
Hüpfburg und ein „Albtraum-für-deutsche-Mamas-Buffet“
Das Geburtstagskind finden wir erst eine Stunde nach unserer Ankunft im Gedränge , denn sämtliche Kinder verbringen das Geburtstagsfest mehr oder weniger hüpfend. Abgesehen von zwei kleinen Pausen. Pause Nummer eins: Das Buffet wird eröffnet. Nein, kein Kuchenbuffet. Ich würde es als „Ein Albtraum für deutsche Mamas – Buffet“ bezeichnen. Wo ist der selbstgebackene Schokoladenkuchen? Vanille Muffins mit Smarties? Gebastelte Tischkarten? Das bunte Kinder-Geburtstagsgeschirr? Nein, hier wurde nicht gebacken, nicht verziert, hier geht es praktisch zu: Auf dem Buffet stehen riesige Einweg-Plastik-Schüsseln, voll mit Flips und Chips, kleinen Würstchen, ein Bäcker hat massenweise vorgeschnittene Pizza-Margherita und Focaccia auf großen Papp-Tabletts hereingetragen, dazu gibt es Sprite, Cola und Wasser. Und zum Nachtisch Toastbrot mit Nutella. Oder als Vorspeise? (Bei manchen Kindern auch als Vor-, Haupt- und Nachspeise). Nebendran liegen Plastikteller, –becher und –besteck bereit. Und wenn das Fest zu Ende ist, landet alles in riesigen Mülltüten. Alles rein damit, zuschnüren und – schwupss - ist alles wieder ordentlich. Praktisch. Aber wie sieht es aus mit umweltfreundlich? Mehrweggeschirr oder Mülltrennung habe ich hier in Italien bislang auf noch keinem Kindergeburtstag gesehen.
Geburtstagstorte: je schriller, desto besser
Nach etwa einer Stunde gibt es dann den Geburtstagskuchen und damit Pause Nummer zwei: Und diese Pause sieht einem Kindergeburtstag, wie ich ihn aus Deutschland kenne, dann schon ähnlicher. Allerdings nur ein klein wenig. Denn auch hier halten es die Eltern praktisch: Auch die Torte wird vom Bäcker geliefert. Obendrauf: eine quietschrosa „Hello Kitty“ oder der grünschwarze „Ben10“. Die restliche Dekofarbwahl kennt keine Grenzen: je bunter, desto besser. Hat allerdings zur Folge, dass man den Kuchen darunter gar nicht mehr so richtig erkennen kann. Es war aber einer da, gut gefüllt mit klebriger, roter Kirschmarmelade. (Die Flecken auf den Shirts meiner Jungs werden mich noch lange an unseren ersten italienischen Geburtstag erinnern.)
Kalte Pizza und laute Musik
Carlottas Fest wurde mit den Kindergartenfreunden, aber in einem für die meisten noch unbekannten Gemeindehaus gefeiert. Häufig sind aber auch Kinder-Geburtstagsfeiern mit den Kindergartenfreunden im Kindergarten. Und die Animateure sind dann, ja – Kindergärtnerinnen! „Maestra“ Valentina zum Beispiel läuft dann verkleidet auf Stelzen und mit Perücke durch den Garten. Mein Mittlerer – drei Jahre – hat sie trotzdem erkannt. Meine Erklärung zu ihrer überraschenden Größe war aber eher kontraproduktiv: „Valentina ist deshalb so toll gewachsen, weil sie immer das Gemüse isst.“ (Das macht mein Sohn nämlich nicht.) Seit dieser Erklärung lässt er nun leider auch seinen bis dahin geliebten Blumenkohl und den Kartoffelbrei liegen. Jedes Mal aufs Neue verwirrt (aber immer sehr glücklich) ist er außerdem, wenn es samstags morgens noch heißt: Nein, heute ist kein Kindergarten, wir gehen aber trotzdem hin. Zum Geburtstag-Feiern. Diese Feste haben dann aber einen großen Vorteil. Unsere Kinder kennen sich dort aus und wir Eltern müssen nicht dabeibleiben, sondern haben zwei Stunden „frei“. Mittlerweile haben wir uns aber so an den Trubel der italienischen Kinderparties gewöhnt (und sie lieben gelernt), dass wir uns jedes Mal sehr auf das lustige, laute, bunte italienische „Partychaos“ freuen. Die laute Musik hat noch keinem geschadet und trotz Chips, Flips, Kaubonbons und kalter Pizza sind die Kinder nach diesen Parties noch nie wegen Bauchweh aufgewacht.
Unser Kontrastprogramm: Käsekuchen und Bratwurst
So, wie wir uns an die italienischen Kinderfeste gewöhnen mussten, mussten sich aber auch unsere italienischen Freunde an unsere deutsche Art des Feierns gewöhnen: Weniger Kinder (bei uns gilt die altmodische Regel: „Du darfst so viele Kinder einladen, wie alt Du geworden bist. Eltern und Geschwister zählen nicht dazu.), ruhiger und wesentlich entspannter. Wir machen Schatzsuche, Eierlauf, Sackweitwurf und Dosenwerfen. Für die Kids gibt`s nachmittags selbstgebackenen Schokokuchen und für die Eltern „Torte tedesce“ – deutsche Torte, in meinem Fall meist Käsekuchen. Und abends wird der Grill angeschmissen: deutsche Bratwurst für alle. Damit kann man italienische Kinder glücklich machen. Und italienische Mammas und Papas auch, vor allem, wenn mein Mann dazu dann noch das Hefeweizen und das bayrische Weißbier aus dem Kühlschrank holt. Am Ende helfen alle dabei, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen und die Pfandflaschen einzusammeln. Vielleicht machen sie es uns ja mal nach? Zumindest das mit dem Geschirr. Ich habe mir auf alle Fälle die Idee mit der Hüpfburg und den verkleideten Erzieherinnen gemerkt. Für den nächsten Kindergeburtstag bei uns im September. Dann wird unser deutscher Geburtstag schon ein bisschen italienischer (statt Bratwurst gibt es dann vielleicht ja auch Pizza zum Selbst-Belegen?) Bis dahin freuen wir uns erst mal noch auf die nächsten italienischen Kindergeburtstage. Die kommenden drei Wochenenden sind schon damit verplant. „Juchhuhhh - dann gibt`s endlich wieder Nutella-Toasts zum Abendessen!“ - ja, besonders meine großen Jungs lieben die Feiern ihrer italienischen Freunde.