Alleinerziehende brauchen Unterstützung
Alleinerziehende müssen im normalen Alltag schon sehr viel mehr leisten als andere Eltern. Als zusätzliche Herausforderung kommen in vielen Einelternfamilien finanzielle Probleme hinzu. Doch es gibt Veränderungen in der Politik, die die besondere Belastung der Alleinerziehenden verringern wollen und bereits konkrete Hilfe.
Eigentlich hatte Manja Bär (Name geändert) es sich anders gewünscht. Seit zwei Jahren ist die Mutter eines dreijährigen Sohnes alleinerziehend - unfreiwillig. „Mein Traum war eigentlich immer ein klassisches Familienleben mit Mutter, Vater und gern auch mehreren Kindern. Dass ich mich irgendwann als Einzelkämpferin wiederfinden würde, war nicht geplant.“ Aber irgendwann auch nicht mehr zu verhindern: Nachdem Manja Bär „ungeplant, aber nicht unwillkommen“ schwanger wurde, begann es in ihrer Beziehung zu kriseln. „Wir waren uns zwar theoretisch mal einig gewesen, dass eine Familie toll wäre. Aber als es dann konkret wurde, hat mein Ex Angst bekommen.“
Das Paar trennte sich noch vor Justus‘ Geburt; wenige Monate danach zog sein Vater für einen neuen Job gut 200 Kilometer weit weg. „Damit fällt er natürlich für die alltägliche Betreuung komplett weg“, sagt die 34-Jährige. „Zum Glück kann er aber den Unterhalt zahlen und hat mich bis vor zwei Monaten, als ich in Teilzeit gearbeitet habe, finanziell unterstützt.“ Unter den gegebenen Umständen sei die Vater-Kind-Bindung recht gut: Justus sieht seinen Vater alle zwei Wochen übers Wochenende, die beiden telefonieren fast jeden Tag.
Manja Bär weiß, dass sie damit noch ganz gut fährt. Zwar bleibt der komplette Alltag mit Kleinkind an ihr hängen, zwar gibt es für sie kaum Pausen oder Zeit zur eigenen Verwendung, „aber ich muss mir keine Sorgen machen, dass wir finanziell nicht über die Runden kommen könnten. Ich habe Freundinnen, die allein mit den Kindern sind und oft nicht wissen, woher sie das Geld für Geschenke oder Ausflüge nehmen sollen.“
Alleinerziehende sind besonders armutsgefährdet
Nicht umsonst gelten die Alleinerziehenden als Problemgruppe: Rund 1,6 Millionen von ihnen gibt es in Deutschland, fast die Hälfte ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Obwohl es schon längst kein gesellschaftlicher Makel mehr ist, alleinerziehend zu sein, ist das damit einhergehende Risiko noch immer groß. Das belegen die Statistiken: Die so genannten Einelternfamilien seien „eine ökonomisch besonders verletzliche Familienform und deshalb - international gesehen - unter der armen und armutsgefährdeten Bevölkerung die herausragende Gruppe, in deren Familien ein Großteil der Kinder in Armutsverhältnissen heranwächst“, stellt der Soziologe Wolfgang Erler fest. Rund 640.000 deutsche Alleinerziehende beziehen Arbeitslosengeld II. Nach einer aktuellen Studie des Statistischen Bundesamts arbeiten zwei von fünf alleinerziehenden Müttern Vollzeit; 58 Prozent schaffen es, sich überwiegend aus eigener Arbeit zu finanzieren. Ein Drittel aber hat weniger als 1.100 Euro monatlich zur Verfügung, zwei Drittel kommen auf 1.100 bis 2.600 Euro. Schwierig ist die Situation vor allem mit Kleinkindern: Nur jede vierte alleinerziehende Mutter von unter Dreijährigen ist überhaupt berufstätig. Zum Vergleich: Mit Kindern zwischen 15 und 17 Jahren arbeiten drei Viertel.
Ein gut funktionierendes soziales Netz ist unverzichtbar
Dass sie nicht auf staatliche Hilfe angewiesen ist, empfindet Manja Bär als großes Glück. Die Werbegrafikerin hat für ihren Sohn schnell einen Krippenplatz gefunden und konnte gut ein Jahr nach seiner Geburt wieder arbeiten. „Weil mein Ex mir Unterhalt gezahlt hat, bin ich erst in Teilzeit wieder eingestiegen. Das hat uns genug Zeit gegeben, uns als kleine Familie an die neuen Abläufe zu gewöhnen.“ Inzwischen arbeitet sie wieder acht Stunden - jedenfalls theoretisch. „Justus ist, wie alle Kleinkinder, nicht selten krank und muss dann entweder daheim bleiben oder früher abgeholt werden. Ohne meine Eltern und zwei Freundinnen wüsste ich nicht, wie ich das mit dem Job hinbekommen sollte.“ Bär hat sich inzwischen ein gut funktionierendes Netz aufgebaut, kann im Notfall auf Unterstützung zählen. „Aber natürlich ist es ziemlich anstrengend, dass ich letztlich immer für alles zuständig bin und eigentlich nie ausfallen darf. Manchmal wäre es ehrlich gesagt schön, wenn es nicht immer so anstrengend wäre.“
90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen
Damit dürfte sie den meisten Alleinerziehenden - zu 90 Prozent sind es Mütter - aus der Seele sprechen. Auch wenn die Bundesregierung sie inzwischen als Gruppe in den Blick genommen hat, die besser unterstützt werden müsste, fühlen sich viele von ihnen häufig alleingelassen - und das nicht nur bei der Erziehung. Denn wirklich bekannt werden in der Regel nur die politischen Beschlüsse, die Einschnitte bringen: So traf die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger im Zuge des Sparpakets ab 2011 in besonderem Maße rund 50.000 Alleinerziehende. Und dass es noch immer nicht genügend bezahlbare und zeitlich flexible Kita-Plätze gibt, wird sich in absehbarer Zeit auch nicht gravierend verändern. Dass es beim Arbeitslosengeld II einen Alleinerziehendenzuschlag und staatliche Hilfen zur Finanzierung der Kinderbetreuung gibt, geht bei solchen Nachrichten oft unter.
Das Familienministerium weiß um die Alltagsprobleme
Doch es bewegt sich was: Um Alleinerziehende besser bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, startete 2011das Bundesprogramm „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“ mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds. Bis 2013 sollen an rund 100 Standorten in ganz Deutschland lokale und regionale Netzwerke auf- und ausgebaut werden, die Alleinerziehende unterstützen. Dabei geht es vor allem um Ausbildung, Qualifizierung und Vermittlung in Beschäftigung, aber auch um eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung und Unterstützungsangebote bei finanziellen Fragen. Dass das bitter nötig ist, hat die Regierung inzwischen erkannt. So heißt es in dem Bericht „Lebenswelten und -wirklichkeiten von Alleinerziehenden“ des Familienministeriums, besonders problematisch seien „Inkompatibilitäten von Arbeits- und Familien- und Betreuungszeiten“. Die Wahl des Arbeitgebers sei – wenn die Kinder noch klein sind und/oder die Situation des Alleinerziehens neu – „weniger abhängig von persönlichen Interessen, Qualifikationen oder Karrierechancen, sondern von flexiblen Arbeitszeiten, Erreichbarkeiten (Fahrt-/ Öffnungszeiten, Verkehrsmittel) und Distanzen (Arbeitsplatz, Kita/Tagesmutter/Schule/Freizeitaktivitäten) sowie Kinderbetreuungsmöglichkeiten“. Wichtig, aber noch längst nicht im nötigen Maß vorhanden seien flexiblere Strukturen bei der Arbeits- und Betreuungszeitgestaltung - und ein „generelles Verständnis“ für verschiedene Familien- und Lebensformen.
Finanzielle Hilfe ist nötig - besonders beim Unterhaltsvorschuss
Aus dem Bericht wird aber auch ersichtlich: Hilfreich wäre auch mehr finanzielle Unterstützung als Hilfe für alleinerziehende Väter und Mütter. Mehr als eine halbe Million Väter/Mütter in Deutschland zahlen keinen oder einen zu geringen Kindesunterhalt. In die Bresche springt dann der Staat: Mit einem Unterhaltsvorschuss von 133 Euro monatlich für unter sechsjährige Kinder und 180 Euro für ältere Kinder. Doch ab dem zwölften Geburtstag oder nach maximal 72 Monaten ist damit Schluss - ungeachtet dessen, dass sich für viele Einelternfamilien gerade dann die Kosten für Freizeitaktivitäten oder Bildungsangebote erhöhen, wenn die Kinder älter sind. Die FDP hat für das kommende Jahr eine Reform des Unterhaltsvorschusses angekündigt; doch ob und wann der Bundestag eine entsprechende Entscheidung trifft, kann niemand sagen. Auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der geschiedene Alleinerziehende im Regelfall einen Vollzeitjob annehmen müssen, sobald ihr Kind älter als drei Jahre ist und nur dann Anspruch auf Unterhalt des ehemaligen Partners haben, wenn gute Gründe dafür vorliegen, dass sie nicht voll arbeiten können, hat die Situation vieler Alleinerziehender verschärft.
Seit Jahren engagiert sich deshalb der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), der sich als Lobby für Einelternfamilien versteht und dessen Ortsverbände Beratung und Information anbieten. Immer wieder fordert der VAMV eine finanzielle Grundsicherung für Kinder - bislang jedoch erfolglos.
Konkrete finanzielle Hilfe bieten Organisationen wie die Bundesstiftung Mutter und Kind, die schwangere Frauen in Notlagen unterstützt, und verschiedene Stiftungen der Länder. So helfen etwa „Familie in Not“ in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, „Hilfe für die Familie“ des Landes Berlin, die Stiftung „Hilfe für Familien, Mutter und Kind“ des Freistaates Sachsen Familien, die unverschuldet in finanzielle Not- und Konfliktsituationen geraten sind.
Entwarnung: Den Kindern geht es trotzdem gut
Bei allen Herausforderungen, denen alleinerziehende Eltern sich stellen müssen: Für ihre Kinder ist diese Familienkonstellation nicht per se ein Problem. Zu diesem Schluss kommt der Bielefelder Erziehungswissenschaftler Holger Ziegler in einer aktuellen Studie. Für die meisten Kinder aus Einelternfamilien spiele es „kaum eine Rolle, dass sie nur ein Elternteil um sich hätten. Ob es ihnen gut gehe, hänge stattdessen von zwei anderen Faktoren ab: der materiellen Situation der Familie und dem Maß an Fürsorge und Zuwendung. Bei Letzterem schneiden die Alleinerziehenden sogar etwas besser ab: Deren Kinder gaben in der Befragung an, mindestens genau so viel Zuwendung zu bekommen, wie Kinder in einem Haushalt mit beiden Elternteilen - tendenziell fühlen sie sich sogar besser. So gaben sie zu 100 Prozent an, sie „hätten immer jemanden, der sich um sie kümmert“.
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