Goldesel, Freizeitpapa oder mehr?
Eine große Studie der Universität Bremen über Väter nach der Scheidung zeigt, dass viele Männer mehr sein wollen als nur Wochenend-Papas. Doch fast ein Viertel der Befragten verlor nach der Trennung den Kontakt zum Kind.
Nach der Scheidung: Papa für ferienartige Lustzustände
3600 geschiedene Männer haben sich in den vergangenen Jahren an der bislang bundesweit größten Untersuchung über Scheidungsväter beteiligt. Bremer Sozialwissenschaftler unter der Leitung von Professor Gerhard Amendt vom Institut für Geschlechter- und Generationenforschung (IGG) haben danach gefragt, in welcher Weise Väterlichkeit nach der Scheidung überhaupt noch möglich ist. Die Studie, die im soeben erschienen Buch "Scheidungsväter" veröffentlicht worden ist, beschreibt die komplexe Welt der Scheidungsväter. Jede Scheidung ist ein unverwechselbares individuelles Schicksal und keines dieser Schicksale folgt den üblich gewordenen Vorurteilen gegenüber "den Scheidungsvätern". Mit der wissenschaftlichen Untersuchung gibt Professor Gerhard Amendt der Perspektive von Scheidungsvätern in der vom Kindschaftsrecht unmissverständlich festgeschriebenen Hervorhebung des Rechts der Kinder auf beide Eltern einen festen Platz in der öffentlichen Debatte.
Die Bedrohung ihrer Väterlichkeit durch die Scheidung - das belegt die Studie - erfahren die Männer als sehr groß. Bei fast einem Viertel der Befragten bricht die Beziehung zu den Kindern aus vielfachen Gründen weg. Sie reichen von Besuchsrechten, die die Exfrau unterläuft, der Rechtlosigkeit von unverheirateten Vätern, über Gerichte, die ewig brauchen, bis sie ihre Verfügungen treffen und rechtswidrig handelnde Exfrauen folgenlos agieren lassen, bis hin zum abschätzigen Bild über Scheidungsväter im allgemeinen. Und Männer brechen den Kontakt ab, weil sie ihre Kinder vom Loyalitätszwang befreien wollen, der von ihrer Mutter auf sie ausgeübt wird.
Überraschend äußern Männer deshalb auch die Angst, nach der Scheidung nur noch als Suggardaddy oder Eventdaddy für Wochenendausflüge und ferienartige Lustzustände zugelassen zu werden. Andererseits ist die Ressource Mann mit ihrer finanziellen Potenz in den bevorstehenden Jahren ökonomischer Einschränkungen bei den ehemaligen Ehefrauen weiterhin hoch gefragt - gerade und obwohl die Paarbeziehung keine Rolle mehr spielt. Aber nur zu zahlen und eine stundenweise Beziehung zu ihren Kindern zu haben, reicht den meisten Männern nicht mehr aus.
Professor Amendt stellt auch einen Bezug zwischen den niedrigen Geburtenraten der Deutschen und den weitgehend vernachlässigten Wünschen und Vorstellungen der Männer her. "Lösungen werden", so Amendt, "fast ausschließlich bei zusätzlichen Kindergärtenplätzen, Ganztagsbetreuungen und erhöhten Kindergeldern gesucht. Dabei gerät ins Vergessen, dass nicht nur Frauen sondern auch Männer sich für Kinder entschließen müssen." Denn Kinder haben ein Recht auf beide Eltern, also müssen Männer und Frauen gemeinsam sich ein Kind wünschen.
Besonders bei jungen Männern neue Formen der Väterlichkeit
Dem sollte sich auch die Politik stellen: Die Forderung des Bremer Wissenschaftlers: Über die gesellschaftlichen Vorstellungen von Väterlichkeit und Männlichkeit in unserer Gesellschaft muss eine neue Debatte begonnen werden. Die Studie zeigt nämlich, dass vor allem unter den eher jüngeren Männern andere Formen von Väterlichkeit existieren, als die landläufigen, wonach Müllentsorgen und Windeln bereits den guten Vater ausmachen. Sie wollen vielmehr Alltagsbeteiligung als Selbstverständlichkeit und weiterhin für das Leben ihrer Kinder verantwortlich sein und es nicht nur finanzieren. Und sie wollen anerkannt werden. Es hilft nicht weiter, wenn Männern und Vätern undifferenzierte Vorhaltungen gemacht werden. Die gängig gewordene Vorwurfskultur gegen Männer in unserer Gesellschaft könnte durchaus das Gegenteil bewirken und einer - von vielen - Gründen sein, warum ihr Wunsch nach Kindern verhalten ausfällt.
Die Geschichte der Scheidungsforschung ist davon geprägt, dass sie bisher nur für Mütter und Kinder einschneidende Erlebnisse thematisierte. Scheidungsväter gelten hingegen zumeist als die Verursacher von Belastungen für Mütter und Kinder. An die Stelle einer Forschung, die Scheidungsvätern Versagen und Schuld zuwies und sie zur Besserung aufrief, muss nach Ansicht der Forscher eine neue konstruktive Debatte über Väterlichkeit treten. Vater und Mutter sind gemeinsam für die Kinder verantwortlich. Männer entwickeln nach der Scheidung oft ein neues Verständnis von Väterlichkeit, weil durch die Scheidung das alte außer Kraft gesetzt wurde. Amendt: "Diese Veränderungen müssen gesellschaftlich unterstützt werden, gerade wenn damit die weitgehende mütterliche Alleinverfügung über die Kinder begrenzt wird." (idw)
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