Warum Männer keine Babykleider kaufen
Väter wechseln Windeln, schieben Kinderwagen und die ganz ambitionierten von ihnen riskieren sogar ein paar Monate Elternzeit. Aber eines tun sie nicht: Babykleider kaufen. Liegt das in den Genen, ist das pure Hilflosigkeit, oder fehlt die Lust am Shopping? Und gibt es Tricks, das zu ändern?
Babykleider sind Frauensache?
Werfen wir einen Blick in einen Babyladen. Hochkonzentrierte Mütter und Omis durchkämmen die Kleiderständer und Regale. Ist das süße Rosa mit den vielen Knöpfen auch praktisch? Gibt es etwas Niedlicheres als Schühchen Größe 19, die genauso aussehen wie die Großen?
Ja, auch ein paar wenige Männer kann man entdecken, meistens samstags, sie stehen daneben, mehr oder wenig geduldig, schicksalsergeben. Aber allein einkaufende Väter? Fehlanzeige! Filialleiterin Solveig Stern bestätigt den ersten Eindruck. „Alleine kommt kaum ein Mann ins Geschäft. Und wenn, dann ist es nicht ganz freiwillig.“ Festmachen kann sie das am Kaufverhalten. Grob gesagt gäbe es zwei Typen von einkaufenden Vätern. „Wenn einer alleine kommt, hat er oft einen Zettel in der Hand. Da hat die Frau genau aufgeschrieben, was er mitnehmen soll. Entweder er kommt damit gleich zu uns und wir suchen die Sachen raus oder er versucht die Sachen selbst zu finden. Dann wird er bald zum Typ zwei.“ Den beschreibt die Fachfrau so: „Der andere Typ telefoniert mit seiner Frau. Entweder, weil er die Sachen nicht findet oder weil es den Artikel nicht mehr gibt. Dann ist er vollkommen hilflos, was er stattdessen nehmen soll.“
Es gibt aber auch Situationen, in denen der Mann aus eigenem Antrieb den Laden betritt. Nancy Klausgraber, Verkäuferin mit 18 Jahren Berufserfahrung: „Wenn die Mama schon im Krankenhaus liegt und der Papa was mitbringen will, dann sucht er auch alleine einen Strampler aus. Gerne mit dem Spruch ‚Papa ist der Beste’ oder mit der Deutschlandfahne drauf. Allerdings vergreift sich der Mann gerne, was die Größe anbelangt. Oder er will ein Spielzeug für Zweijährige. Ein typisches Zeichen dafür, dass er sich während der Schwangerschaft seiner Frau nicht wirklich mit den Eigenschaften und Bedürfnissen eines Neugeborenen auseinandergesetzt hat.“
Die Väter selbst widersprechen dem nicht. Sie geben zu, unsicher bei der Auswahl von Babybekleidung zu sein. „Ich kenn’ mich einfach nicht aus. Was passt zusammen? Zu Hause legt mir meine Frau alles auf die Wickelkommode, dann kann ich die Kleine auch anziehen“, gesteht ein Vater. „Du würdest unserer Kleinen am liebsten wieder die gleichen Sachen von gestern anziehen“, stimmt dessen Ehefrau zu. „Wenn ich nach Hause komme, kriege ich garantiert den Satz um die Ohren, was denn das da um Himmels Willen sei“, begründet ein anderer seine Haltung, die Sache lieber seiner Frau zu überlassen. Es gibt aber auch Väter, die zu einer klaren Rollenverteilung stehen: „Ich habe mit Babysachen kein Problem, weil ich mich damit nicht beschäftige. Das ist Frauensache“, formuliert es ein junger Vater eindeutig.
Was sagen Experten?
Damit ist aber immer noch nicht geklärt, ob der Mann nicht will oder nicht kann. Entwicklungspsychologen und Experten für Neuromarketing sind sich in einem einig. Der Mann tickte schon immer anders als die Frau. Das hat sich seit der Steinzeit nicht geändert. Früher gab es eine klare Aufgabenteilung. Die Frau ist für das häusliche Wohlbefinden zuständig, versorgt die Kinder und kümmert sich um die Feuerstelle. Der Mann ist auf der Jagd und beschützt die Familie gegen andere Clans. Olivia Shepherd vom Neuromarketing-Blog „Think Neuro!“, erklärt, warum diese Aufgabenteilung funktioniert. „Männer und Frauen werden von verschiedenen Hormonen gesteuert. Beim Mann spielt das Testosteron die entscheidende Rolle. Nach Dominanz strebend und begleitet von Euphorie will er seine Ziele verwirklichen. Die Frau dagegen entwickelt Dank des Östrogens eher einen ausgleichenden Charakter, der Bindungen pflegt und dem häusliches Wohl wichtig ist.“ Und was hat das nun mit dem Einkaufen zu tun?
Neuromarketingexperten wie Shepherd schreiben auch dem „Auftritt“ von Konsumartikeln diese Charaktereigenschaften zu. „Große Schrift, klare Botschaft, dunkle, eckige Verpackung weisen darauf hin, dass hier das dominanzgesteuerte Verhalten des Mannes angesprochen werden soll. Nun zeigen Sie mir mal einen Artikel im Babyladen, der so angeboten wird.“ Frauen, so Shepherd, sprechen dagegen auf weiches, Harmonie ausstrahlendes Design an. Sanfte Farben, weiche Stoffe, verspielte Details seien, dank Östrogen, wichtige Impulse für eine Kaufentscheidung.
Damit wäre der bockige Mann aus dem Schneider. Er kann gar nicht anders, als sich dem Babyladen zu verweigern. Es liegt in den Genen, der geschlechtsspezifische Hormoncocktail lässt sich nun mal nicht verändern.
Das ist dann doch etwas zu einfach. Schließlich entwickelt sich der einzelne Mann, geprägt von seiner Erziehung, seinem Umfeld und vielleicht auch von seiner Ehefrau zu einem zwar immer noch triebgesteuerten Wesen, aber mit durchaus einsichtigen Momenten. Der Mann wird, von Ausnahmen abgesehen, im Auswählen von Stramplern keine neue Lebensaufgabe entdecken, aber es gibt Möglichkeiten, wenigstens die Schwellenangst vor dem Babyladen abzubauen.
Auf der Jagd muss seine Kompetenz gefragt sein
Dazu muss man wissen, dass es zwei Arten des Einkaufens gibt. Der oben beschriebene Mann mit dem Einkaufszettel hat ein klares Ziel, vorgegeben von der Frau: einen bestimmten Artikel finden und fertig. Und so geht er auch hier wieder wie in der Steinzeit an die Aufgabe heran: Beute finden, verfolgen, fangen. Anders jedoch derjenige, der mit Lust in den Sachen stöbert und das Shoppingerlebnis an sich schon als lohnenswert empfindet, ganz gleich, ob am Schluss etwas gekauft wird. In wissenschaftlichen Experimenten wurde nachgewiesen, dass reines zielorientiertes Kaufen mehr Stress hervorrufen kann, die Teilnehmer waren eher erschöpft, verloren sogar manchmal das Interesse an der Aufgabe. Wer unabhängig vom tatsächlichen Kaufziel Spaß am Shoppen selber entwickelt, war konzentrierter bei der Sache, identifizierte sich mehr mit dem ausgesuchten Produkt.
Olivia Shepard gibt den Frauen deshalb zwei Tipps: „Verknüpfen Sie den notwendigen Einkauf mit einer ‚Rechercheaufgabe’, die auch noch seine Kompetenz anspricht. Wenn er also einen Strampler mitbringen soll, dann könnte er sich doch gleich einen Überblick über die technischen Besonderheiten der verschiedenen Kinderwagentypen verschaffen, mit Bremssystemen und Schnellspannnaben kenne er sich doch aus. Hier darf er der Checker sein, ohne gleich entscheiden zu müssen.“
Zugleich solle man ihn aber auch auch kompetent in Dingen machen, die erst mal nicht so spannend sind. Also nicht nur sagen, diese Marke ist gut und jene eher Murks, sondern nach Testurteilen suchen. Nichts beeindruckt den Mann mehr, als ein Testheft, wo nach klaren Kriterien eine Bestenliste zusammengestellt wurde.
Shepherd: “Was ist besser geeignet, ein Dominanzgefühl, ein Gefühl von Macht und Überlegenheit zu entwickeln, als einen Testsieger zu besitzen?“
Nebenbei lernt er auch, auf was er beim Kauf achten muss, kann also mitreden und ist nicht mehr nur williger Erfüllungsgehilfe mit Einkaufszettel.
Frau kann es nicht erzwingen
Wenn der Erfolg aber ausbleiben sollte, darf sich Frau nicht zu sehr frustriert fühlen. „Die Maßnahmen bleiben immer auch Zwänge, Notlösungen, die durchaus scheitern können“, wirft der Evolutions- und Marktpsychologe Prof. Dr. Florian Becker ein. „Aber eine Aufgabenteilung in der Beziehung hat durchaus ihr Gutes. Denn ein Vorteil einer Beziehung ist gerade die Möglichkeit der Spezialisierung.“ Das sehe man gerade in der heutigen Gesellschaft. „Noch nie gab es so viele Singles wie jetzt. Bei denen gibt es viel weniger geschlechtsspezifische Unterschiede in den Fähigkeiten und Interessen. Aber sobald diese in einer Paarbeziehung leben, kommen ihre Präferenzen wieder zum Vorschein.“ Er vergleicht die Erfolgsaussichten, den Mann zum Babysachen-Shopper zu erziehen mit dem Erfolg von Diätversuchen. „Manche lassen sich darauf ein, etwas zu tun, was ihnen eigentlich keinen Spaß macht. Meistens ist das Ergebnis aber unbefriedigend.“
Becker geht sogar noch einen Schritt weiter. Er sieht es schon als große kulturelle Veränderung, wenn Väter sich heutzutage überhaupt um Säuglinge und Kleinkinder kümmern. „Der Mensch ist viel mehr Tier als wir es wahrhaben wollen." Und da kann man sehen: "Sind die Männchen einer Art stärker und größer als die Weibchen, dann spielt der Konkurrenzkampf zwischen den Männchen meist eine große Rolle und nicht die Pflege des Nachwuchses. Es gibt auch Tierarten, bei denen sich vornehmlich die Männchen um den Nachwuchs kümmern. Hier sind dann oftmals die Weibchen größer und kämpfen um die Männchen.“
Selbst die Flucht in den Werkzeugkeller kann Becker erklären: „Die ersten Werkzeuge waren Jagdwaffen und für die Beutezerteilung. Die Männer, die an diesen Werkzeugen Spaß hatten, haben bessere Jagdwaffen hergestellt und mehr Erfolg bei der Jagd gehabt. Und Frauen haben instinktiv auch solche Männer auserwählt, weil diese mehr Ressourcen beschaffen konnten. Somit haben sich Männer mit Präferenzen für Werkzeuge und Technik in der Evolution durchgesetzt.“ Die Steinschleuder hat der Mann von heute zwar gegen eine Aktentasche eingetauscht, aber wir seien immer noch viel, von dem was wir mal waren. Vielleicht muss Frau noch ein paar Generationen warten, bis der Typ Mann mit Brutpflegeambitionen sich auch genetisch öfters durchgesetzt hat. So empfiehlt Becker: „Lassen Sie doch den Frauen den Spaß am Strampler-Suchen. Der Mann darf dann seiner Lust am Schrauben beim Zusammenbauen des Babybettes nachgehen.“