Ein Vater in Elternzeit

„Wir hatten nie zuvor so viel Zeit füreinander"

Ein Vater berichtet von seinen Erfahrungen in Elternzeit: von seinen Ängsten und Bedenken, von den schönen und schwierigen Momenten. Ein urbia Interview.

Autor: Petra Fleckenstein

Im Vordergund standen die Kinder

Zeit allein
Foto: © Colourbox

Harald Müller* (39) war als Chirurg in Köln einen fordernden und zuweilen aufreibenden Berufsalltag mit sehr hohem Arbeitspensum gewohnt, als er wegen seines zweiten Kindes eine Erziehungszeit einlegte und dafür sogar den Verlust seines Arbeitsplatzes in Kauf nahm.

Wie kam es zu eurem Rollentausch?
Das hatten wir im Rahmen der zweiten Schwangerschaft schon geplant, zum Teil aus sehr praktischen Erwägungen, also Arbeitsplatzwechsel meiner Frau, aber auch, weil wir es bei der ersten Schwangerschaft schon geplant hatten, es aber wegen Problemen an meiner Arbeitsstelle nicht durchführen konnten. Da wir damals das Gefühl hatten, dass die Rücksichtnahme auf Karriere und Job uns zuviel genommen hat, wollten wir diesmal etwas anders machen. Ein Grund für mich war auch der Wunsch, einmal mehr Zeit für die Kinder zu haben. Etwas, was vorher aus beruflichen Gründen so nicht möglich war.

Was hast du dir davon versprochen?
Im Vordergrund standen die Kinder, mehr Zeit für den Älteren, bei dem ich hoffte, noch was nachholen zu können und mehr Zeit für die Jüngere, um zum ersten Mal die erste Zeit aktiv mitzuerleben.

Welche Bedenken hattest du?
Eher sehr praktische wegen Haushalt und so. Ich wusste im Vorhinein, dass ich da andere Vorstellungen um die Organisationsabläufe als meine Frau habe. Ich hab mir allerdings auch viele Gedanken um meine berufliche Zukunft und deren Gestaltung gemacht.

Vertrag wurde nicht verlängert

Wie war die Reaktion deines Arbeitgebers?
Mein damaliger Chef hat meine Haltung akzeptiert, wie er das nannte, hat mir aber, weil eine Vertragsverlängerung anstand, eine Woche Bedenkzeit gegeben, meine Meinung noch zu ändern. Als ich weiter auf Erziehungsurlaub bestand, hat er den Vertrag nicht verlängert. Beim ersten Kind lief das eigentlich genauso. Damals hat er mir auch eine Woche gegeben, um mich zu entscheiden, wobei ein Übernahmevertrag das Pressmittel war. Wir haben dann kurzerhand alles umgeschmissen und umorganisiert. Mit dieser Entscheidung sind wir – und ich glaube auch unser Sohn – nie glücklich gewesen.

Wie haben deine Freunde reagiert?
Normal, eigentlich nicht besonders.

Wie habt ihr euch auf den Wechsel vorbereitet?
Gar nicht, außer eher praktisch orientierten Hinweisen.

Wie hast du die erste Zeit als Hausmann erlebt?
Toll, ich hatte noch selten so viel Zeit für mich. Die Kleine schlief viel, die ganze Familie hat gemeinsam zu Mittag gegessen, am späten Nachmittag gabs Kaffee. Und ich hab so nach und nach all das erledigt, was lange liegengeblieben war. So viel Zeit für uns hatten wir noch nie. Natürlich war es komisch, morgens einkaufen zu gehen, vor allem weil fast nur Frauen unterwegs waren. Man lernt seine Umwelt mal von einer ganz anderen Seite kennen, ich kannte viele Nachbarn aus der Umgebung zum Beispiel kaum.
Vermisst hab ich eigentlich nur den sonst viel intensiveren Kontakt und Austausch mit anderen.

Wie fühlte es sich an, wenn deine Frau morgens ging?
Meistens war ich froh, dass ich nach einem hektischen, morgendlichen Organisieren (Wo ist dein Schwimmzeug? Hast du Taschentücher? Kannst du mir die Ordner noch schnell ins Auto tragen? Ist die Mülltonne draußen?) endlich in Ruhe mit meiner Tochter in unseren gewohnten, viel ruhigeren Alltag einsteigen konnte.

Wie hast du die Tage mit deinen Kindern gestaltet?
Ganz unterschiedlich, was man so macht, einkaufen, spielen, wickeln, spazierengehen. Ein Kontakt mit einem anderen Vater und gleichaltriger Tochter hat sich leider nicht gehalten. Da wir einen Garten haben, waren wir während des Sommers natürlich viel draußen. Mit dem Älteren war ein viel intensiverer Austausch auf allen Ebenen als je zuvor möglich.

Was hast du anders gemacht als deine Frau?
Wir hatten beide schon immer andere Schwerpunkte – im Spiel mit den Kindern, in der Art der Haushaltsführung. Die Schwerpunkte haben sich jetzt einfach umgekehrt.

Was hast du gemacht, wenn deine Frau abends heimkam?
Essen.

Problem, Rolle als Hausmann durchzusetzen

Wie hat sich dein Verhältnis zu deinen Kindern entwickelt?
Ich weiß viel mehr von meiner Tochter. Meinen Sohn hab ich früher oft weniger als eine Stunde am Tag erlebt. Die Gefühle zu ihr sind nicht anders oder tiefer, ich weiß nur einen viel größeren Teil ihrer Geschichte und Entwicklung.

Hat sich deine Frau in dieser Zeit verändert? Hast du an ihr neue Seiten entdeckt?
Sie mußte zum ersten Mal die Familie ernähren und hat das auch zuweilen als Druck und Stress erlebt. Sie ist beruflich härter geworden, obwohl sie ja vorher auch lange teilzeittätig war, das aber nur, wenn man so will, als Zubrot. Wir beide verteidigen unsere Sachen härter. Ich finde auch gleichwertiger.

Hast du dich als Mann anders gefühlt als zuvor?
Nein.

Welche Schwierigkeiten gab es?
Mein größtes Problem war es eigentlich, meine Rolle als Organisator des Haushalts durchzusetzen und Einmischungen meiner Frau zurückzuweisen. Sie konnte sich zum Teil nur schlecht von ihrer alten Rolle lösen.

Hat sich durch den Rollentausch dauerhaft etwas verändert?
Ich denke, vor allem das Verständnis für den Beruf des jeweils anderen und die Wertschätzung seiner Arbeit.

Wie beurteilst du deinen Erziehungsurlaub im Nachhinein?
Bezüglich der Kinder und ihrer Entwicklung war es wunderschön, ich hatte selten so viel Zeit für die Kinder, auch für mich. Alles andere ist halt Pflicht, nicht lustig, eher öde, wenn einem die größeren Projekte ausgehen. Der Familie hat es sehr gut getan.

*Name geändert