Lerneffekt mit Spassfaktor

Welche Kinderzeitschrift für mein Kind?

Bildergeschichten, Tierseiten, Ausmalbilder, Poster, Rätsel und Basteleien - auf den ersten Blick ähneln sich Zeitschriften für Kinder. Doch kleine Unterschiede machen in Sachen Spaßfaktor und sinnvolle Unterhaltung viel aus. urbia gibt Tipps, wie man eine gute Zeitschrift erkennt.

Autor: Maja Roedenbeck

Kinderzeitschriften: Wie erkenne ich gute?

Vater Kind Zeitschrift

Schon wenige Monate alte Babys finden es für ein Weilchen spannend, auf Mamas Schoß zu sitzen, während sie in einer Zeitschrift schmökert. Das Rascheln der Seiten beim Umblättern, die bunten Bilder und Illustrationen: unheimlich faszinierend! Anfangs ist es völlig egal, ob Bikinimode in der Brigitte oder Fußballgötter im Kicker – das Baby guckt, was es zu gucken gibt. Doch schon bald guckt es differenzierter, und dann stoßen Abbildungen von Bananen, Bällen oder Bussen, weil das Baby die Gegenstände aus seinem Alltag kennt, auf mehr Begeisterung als die schönsten Palmenstrände. Und irgendwann kommt der Tag, an dem der Nachwuchs alt genug für seine eigene Zeitschrift ist: die Kinderzeitschrift. Genau genommen kommt er schneller als man denkt, denn heutzutage gibt es schon Zeitschriften für Kinder ab einem Jahr (z.B. das Teletubbies Magazin, 2,75 Euro). Je älter die Kleinen werden, desto größer ist die passende Auswahl am Kiosk.

Wer hat den coolsten Gimmick?

Verschiedene Quellen zählen rund 85 bis 100 Kinderzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Angaben schwanken deshalb, weil es kaum möglich ist, klare Grenzen zwischen Kinder- und Jugendzeitschriften zu ziehen oder zwischen Kinder- und Special-Interest-Zeitschriften, die sich mit ihren Inhalten z.B. ausschließlich über Pferde nur an eingefleischte Fans richten. Während Eltern sich angesichts der schwer zu beurteilenden Vielfalt die Haare raufen, kennen Kinder keine Entscheidungsschwierigkeiten. Mit Adleraugen erspähen sie das Heft mit dem coolsten Gimmick (Spielzeugbeilage) im ganzen Zeitschriftenregal und halten es Mama, Papa oder Oma auffordernd unter die Nase. Die Piratenpistole in Disney Art Attack (2,95 Euro) oder die rückwärts laufende Uhr im SpongeBob Magazin (3,20 Euro) sind natürlich attraktiver als die Lupe in der Dora Zeitschrift (2,70 Euro) oder das Fingerpüppchen in Der Mondbär (3,20 Euro). Doch bei dem Heft mit dem coolsten Gimmick handelt es sich meist nicht um die pädagogisch wertvollste Kinderzeitschrift.

Zeitschriften für Kinder: Nicht jedes seriöse Heft überzeugt

Eltern, die mitdenken, kritisieren die albernen Inhalte und die ramschige Aufmachung mancher Titel, die eher eine Verkaufsveranstaltung von Merchandisingprodukten sind als Kinderunterhaltung. Auch wenn die kleinen Leser alle zwei Seiten aufgefordert werden, im Internet Geheimcodes einzugeben, um an Gewinnspielen teilzunehmen, sollte man skeptisch werden. Doch selbst, wer nach einem der seriöseren Kindermagazine greift, hat keine Garantie auf wirklich gute Unterhaltung. So scheint zum Beispiel Petterson und Findus (2,70 Euro) auf den ersten Blick ein guter Kompromiss zu sein: Die Gimmicks (ein Speedcar zum Abfeuern von der Basisstation, im nächsten Heft eine Boxpistole, aus der eine Plastikfaust hervor geschossen kommt) gehen als cool genug durch und die Figuren aus den beliebten Kinderbüchern von Sven Nordqvist grüßen von den bunten Seiten. Trotzdem enttäuscht das Heft: Die Bildergeschichte über ein Seifenkistenrennen, die im Sportkommentatorenstil verfasst ist, hat so wenig Inhalt, dass sie schon beim ersten Lesen kaum fesselt. Die Rätsel sind zum Großteil so einfach und wenig innovativ, dass sich schon Vierjährige damit langweilen, während die Witze selbst ein Fünfjähriger noch nicht versteht. Insgesamt ist die Zeitschrift in einem Rutsch ausgelesen und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.

Nicht nur oberflächliche Beschäftigung

Wie pickt man als engagierte Mama oder engagierter Papa also die Perlen unter den Kinder zeitschriften heraus? Sehr anspruchsvolle Eltern sind mit den Empfehlungen der Stiftung Lesen gut bedient. Kinder- und Jugendzeitschriften, die das entsprechende Gütesiegel tragen, finden Sie hier . Allerdings empfiehlt die Stiftung Lesen in der Kategorie „Kinderzeitschriften ab 4 Jahren“ nur ein einziges Produkt (für noch jüngere Leserchen gar keins): Medizini, die kostenlose Kinder zeitschrift aus der Apotheke. Okay, stimmt, das ist wirklich ganz nett gemacht und sehr informativ, aber eine richtige Zeitschrift ist es nicht und die vielen kleinen Nachrichtenhappen, Rätselchen und Gesundheitstipps sind doch recht unübersichtlich angeordnet und versuchen zu viele verschiedene Altersgruppen auf einmal zu bedienen. Alternativ stellt die Diplom-Bibliothekarin Ellen Kurz in ihrer Diplomarbeit „Kinderzeitschriften“ (2000, Fachhochschule Stuttgart) Bewertungskriterien auf. Ihre These lautet: „Der Sinn einer Zeitschrift ist nicht oberflächliche Beschäftigung!“ Bestenfalls, so Kurz, werden die jungen Leser in ihrer Entwicklung gefördert und fühlen sich ernst genommen. Sachinformationen werden korrekt und verständlich vermittelt und das Sprachniveau ist der jeweiligen Zielgruppe angepasst. Das Layout ist ausgefeilt, denn Kinder sind heutzutage optisch einen hohen Standard gewöhnt. Vor allem aber wird in den Geschichten der Kinderalltag aufgegriffen, sodass sich der Nachwuchs mit den Hauptfiguren identifizieren kann und vielleicht sogar einen Lösungsansatz für ein bekanntes Problem findet.

Die Standards mögen auf den ersten Blick in allen Zeitschriften gleich sein: Bildergeschichten, Tierseiten, Ausmalbilder, Poster in der Heftmitte, Rätsel, Papierbasteleien, Gewinnspiele und Jahreszeiteninhalte. Doch die kleinen, feinen Unterschiede machen in Sachen Spaßfaktor und sinnvolle Unterhaltung viel aus.

Wir stellen auf den folgenden Seiten fünf empfehlenswerte Kinderzeitschriften für Kindergartenkinder vor.

Für Jungs und Mädchen: Benjamin Blümchen (2,70 Euro)

Benjamin Bluemchen

Die Empfehlung bekommt das Magazin nicht für seine wenig aufregenden Gimmicks (Aufzieheisenbahn, Froschhüpfspiel) oder seine durchschnittlichen Rätselseiten (Labyrinthe, Fehlersuchbilder), sondern für die überzeugenden Bildergeschichten mit dem sprechenden Elefanten aus dem Neustädter Zoo, die auch nach mehrmaligem Lesen nicht langweilig werden. Jedes Heft bietet gleich zwei siebenseitige Storys, die beliebte Kinderinteressen wie Ritter oder Dinosaurier aufgreifen oder den Kinderalltag beschreiben, einen unaufdringlichen Lerneffekt haben und wichtige Themen wie Verkehrserziehung, Fairness im Wettkampf und Umweltschutz anschaulich umsetzen. All das in einer kindgerechten Sprache, die sich jedoch nicht scheut, den Wortschatz mit neuen Begriffen anzureichern. Hier „sagen“ nicht alle bloß irgendwas, sie leugnen, schimpfen, vermuten, flüstern und wundern sich. Die Geschichten sind auch für Zweijährige schon unterhaltsam, selbst wenn sie manche Moral noch nicht verstehen, doch die Rätsel richten sich eher an Vierjährige.

Für Geschwisterkinder verschiedenen Alters: Sesamstrasse (2,80 Euro)

Sesamstrasse

In dieser Zeitschrift hauen zwar weder die Gimmicks (Daumenkino, Plastikhandy) noch die Vorlesegeschichten vom Hocker. Ein nacherzählter Fernsehbeitrag mit ein paar abfotografierten Szenen wirkt einfach nicht so schön wie das Original in der Sendung, und die Infohappen (z.B. Pflegetipps für Haustiere) kämen integriert in eine nette Erzählung kindgerechter rüber. Doch dafür punktet Sesamstrasse mit schönen Ideen wie der Rubrik „Bilder lesen“, wo die Kinder ein Gedicht mitsprechen können, indem sie Illustrationen durch Wörter ersetzen. Und vor allem die Rätsel sind unschlagbar: Für größere Kinder wird in immer innovativen und übersichtlich gestalteten Aufgaben mit Zahlen von 1 bis 10 gerechnet, mit Buchstaben und ersten englischen Wörtern gespielt, auch logisches Denken ist gefragt. Die Kleineren lieben die Ausmalbilder, üben zählen, suchen Kuriositäten in Alltagsszenen oder sortieren das richtige Paar Ohren auf verschiedene Tierkörper. Bei den einfachen, aber immer neu entworfenen Würfelspielen mit Ernie und Bert ist dann die ganze Familie dabei. So bietet das Heft Spaß für alle Geschwister, und es rätselt sich auch nicht so schnell aus, denn die Rubriken sind gehaltvoll und nicht künstlich aufgebläht.

Für sehr wissbegierige Kinder: Löwenzahn (2,70 Euro)

Loewenzahn

Wer das Heft im Kiosk durchblättert, merkt, dass es sich eher an Dritt- oder Viertklässler als an Kindergartenkinder richtet. Die Themen sind zum Teil ziemlich anspruchsvoll (z.B. Was ist WLAN? Warum riechen Schlangen mit der Zungenspitze? Gibt es den Osterhasen wirklich?) und fürs erste Kreuzworträtsel müssen die kleinen Leser schon schreiben können. Andererseits kommt es ja immer drauf an, wie die Eltern das aufbereitete Wissen vermitteln. Auch Vierjährige haben schon Spaß an WAS IST WAS Büchern, wenn man sie ihnen nicht einfach nur vorliest, sondern ihnen die Thematik anhand der Abbildungen in kindgerechten Worten erklärt. Und auf diese Weise können auch Kindergartenkinder etwas mit dem wirklich schön gemachten, reich ausgestatteten Löwenzahn Magazin anfangen: Mit den Eltern besprechen sie nach dem Lesen der ganz netten Comicgeschichte, warum es die Natur so eingerichtet hat, dass wir uns vor schlechten Gerüchen ekeln (So essen wir keine verschimmelten Nahrungsmittel!). Gemeinsam werden Pupskissen aus Luftballons gebastelt oder kleine Experimente gemacht (Kann man den Geschmack eines Apfels von dem einer Kartoffel oder Zwiebel unterscheiden, wenn man sich die Nase zuhält?). Auch der Gimmick ist nicht nur ein Plastikspielzeug, sondern was zum Mitmachen: ein Set zum Flummis-Selberherstellen oder Töpfchen plus Samen zum Züchten eines Mimosenpflänzchens.

Für Mädchen: Lillebi (2,99 Euro)

Lillebi

Aus der Kategorie Mädchenzeitschriften haben wir uns zwei verschiedene Hefte für die Zielgruppe Kindergartenalter angeschaut: Prinzessin Lillifee (2,95 Euro) und Lillebi (2,99 Euro). Das Layout von Lillebi wirkt sehr überladen: Die Collagen aus Fotos, Zeichnungen, Text und verschnörkeltem, bunten Hintergrund auf buchstäblich jeder einzelnen Seite machen es den Kindern schwer, sich auf die Inhalte zu konzentrieren. Dennoch schneidet Lillebi im Vergleich besser ab als Prinzessin Lillifee, denn die Geschichte über einen Urlaubstag, die Ideen zum Zeitvertreib am Strand und die recht ordentliche Auswahl an Rätseln und Basteleien in der Sommerausgabe bieten vielfältige Unterhaltung. Die Note 1 verdient das Rezept für kleine Köche: Aus Mozzarella-, Tomaten- und Toastscheiben mit Pesto werden „Leuchttürmchen“ geschichtet. Prinzessin Lillifee dagegen bietet nichts anderes als Rüschen und Romantik: eine unspannende Bildergeschichte im Schlossszenario mit wenig alltagsnaher Problematik, außerdem wird ein Feenkostüm gebastelt (Maske liegt als Gimmick bei), ein Feenbild ausgemalt, ein Schmetterlingspudding gekocht, ein Schmetterlingstanz einstudiert und Werbung für weitere Lillifee-Produkte gemacht. Dazu zwei, drei Allerweltsrätsel. Auch wenn sich Mädchen von rosa magisch angezogen fühlen, muss man es ja nicht übertreiben.

Für Kinder, die auf ein Gimmick verzichten können: spiel mit

spielmit

Die Fanpostseite zeigt, dass hauptsächlich Sechs- bis Achtjährige die Zeitschrift (die der Elternzeitschrift "spielen und lernen" (3,95 Euro) beiliegt) lesen, die sich an „alle Kinder, die gern spielen und lernen“ richtet, aber auch die Vier- und Fünfjährigen sind mit einigen Bildzuschriften vertreten. Und tatsächlich dürften sie mit den Inhalten des Hefts keine Verständnisprobleme haben. Auf das einfache Backrezept für Schoko-Muffins folgt eine authentisch aus dem Kinderalltag gegriffene Geschichte über eine Mutprobe, bei der man besser nicht mitmachen sollte. Und nach anschaulichen Infos über Kröten und Schnecken kommt der Höhepunkt: eine echte, ausführliche, schön bebilderte Reportage über das Leben eines Jungen auf den Kapverden, die die kleinen Leser schon mal vorsichtig in Richtung „Erwachsenenzeitung“ führt. Dazu wenige, aber sorgfältig präsentierte Rätsel, Bastel- und Experimentanleitungen, alles vom Schwierigkeitsgrad her für Vorschulkinder gut geeignet. Fazit: Es gibt zwar kein Gimmick und die Zeitschrift ist genau genommen nur eine Beilage, doch dafür ist sie komplett ohne Werbung, im unaufgeregten Layout und mit vielen Informationen und Denkanstößen ein echter, sinnvoller Lesegenuss für alle Kinder, die nicht auf ein aufdringliches, supercooles Ambiente bestehen.

Macht ein Abo Sinn

Zum Schluss bleibt noch die Frage, ob sich ein Jahresabo für die individuelle Lieblingskinderzeitschrift lohnt. Abgesehen davon, dass man dabei Geld spart und als Neukunde ein Geschenk bekommt (Kindertrolley, DVD, ferngesteuertes Quad o.Ä.), sind die Kinder erfahrungsgemäß zunächst begeistert, wenn das Heft alle zwei Monate an sie persönlich adressiert im Briefkasten liegt. Doch schon bald wird’s zur Gewohnheit und die Ausgaben stapeln sich ungelesen im Kinderzimmer. Dann wird der gelegentliche Besuch im Kiosk, wo sich der Nachwuchs durch das Regal mit den Kinderzeitschriften stöbern und nach ausgiebigem Bestaunen und Vergleichen ein Heft aussuchen darf, wieder zum wahren Abenteuer.