Förderung für kleine Tollpatsche

Mein Kind ist so ungeschickt

Das Dreiradfahren will nicht klappen, weil dein Kind das Treten und Lenken nicht koordinieren kann? Es stolpert oft, fällt über die eigenen Füße oder eckt an Türrahmen an? Wenn dein Sprössling zu Hause hilft, geht oft etwas daneben? Hier findest du Tipps, wie du dein Kind unterstützen kannst.

Autor: Andrea Schmelz

Warum ist mein Kind ungeschickt?

Mädchen ungeschickt Spielplatz
Foto: © fotolia.com/ JanJansen

Kinderärzte und Sportlehrer beklagen, dass Kinder heute immer „unfitter“ werden und es vielen Kids an Gleichgewicht und Koordination mangelt. Bewegungserfahrungen, die Kinder früher noch machen konnten (etwa auf Bäume klettern), kommen oft zu kurz und viele Wege werden heute – z.B. aus Zeitmangel – mit dem Auto und nicht mehr zu Fuß zurückgelegt. Je weniger Bewegungsmöglichkeiten Kinder jedoch haben, umso weniger können sie Koordination und Motorik trainieren und umso ungeschickter sind sie auch.

Nicht immer steckt aber ein Mangel an Bewegung dahinter, wenn ein Kind ungeschickt ist. In einem gewissen Rahmen ist Sportlichkeit auch Veranlagung. Nicht selten war schon ein Elternteil beim Turnen in der Schule eher unsportlich.

Manche Kinder sind Spätentwickler und beherrschen bestimmte motorische Fähigkeiten erst später als ihre Altersgenossen. Im Vergleich mit diesen wirken sie darum ungeschickt. 

Im Zweifelsfall immer zum Kinderarzt

Wenn du dir Sorgen machst, weil dein Kind häufig stürzt oder deutlich ungeschickter ist als Gleichaltrige, solltest du es unbedingt vom Kinderarzt untersuchen lassen. Manchmal stecken Störungen hinter der Ungeschicklichkeit, die einer zusätzlichen therapeutischen Förderung bedürfen (z.B. Krankengymnastik, Ergotherapie). Hier zwei typische Ursachen für Ungeschicklichkeit:

  • Kinder mit Hyperaktivität (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom = ADHS) haben häufig feinmotorische Koordinationsstörungen und sind durch ihre Schusseligkeit verstärkt unfallgefährdet.
  • Bei Wahrnehmungsstörungen werden Sinneseindrücke nicht korrekt verarbeitet bzw. sind die Kinder damit überfordert, die verschiedenen Sinneseindrücke einzuordnen und unterschiedliche Informationen korrekt zu verarbeiten. Kann dein Kind beispielsweise seine Kraft nicht richtig dosieren, wird es zwangsläufig ungeschickt erscheinen, weil es immer wieder zu grob zupackt und z.B. etwas zu Bruch geht.

Hilfreich ist in jedem Fall auch eine Untersuchung beim Augenarzt. Wenn dein Kind schlecht sieht, kann es Hindernisse nicht frühzeitig genug erkennen und stolpert darum öfter oder eckt an Möbeln an.

Bitte nicht entmutigen!

Ungeschickte Kinder, die immer wieder Misserfolge erleben bei Bewegungen/Tätigkeiten, die anderen Kindern offenbar spielerisch gelingen, brauchen viel Ermutigung!

  • Schimpfe nicht, wenn mal wieder was daneben geht. Bitte dein Kind stattdessen ohne Vorwurf, dir z.B. beim Aufwischen zu helfen.
  • Verkneife dir Sätze wie „Pass doch besser auf, wo du hintrittst!“, wenn dein Kind wieder einmal gestürzt ist. Dein Kind würde gerne weniger ungeschickt sein, wenn es das nur könnte!
  • Traue deinem Kind etwas zu! Sicher hast du schon von der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ gehört. Wenn jemand erwartet, dass er ungeschickt ist (z.B., weil er immer wieder hört, wie ungeschickt er ist), wird genau das eintreten. Und jedes Misserfolgserlebnis verstärkt das Problem noch…
  • Biete Hilfestellung an. Wenn dein Kind sich aufs Klettergerüst wagt, du selbst jedoch Bedenken hast, ob das gut geht, kannst du in der Nähe bleiben und anbieten: „Prima, dass du dich das traust! Ich bin hier und du kannst dich an meiner Hand festhalten, falls du das möchtest.“
  • Lass deinem Kind die Auswahl. Rege es zu vielfältigen Bewegungsaktivitäten an und biete ihm verschiedene „fahrbare Untersätze“ wie Rutscherauto, Dreirad, Laufrad, Roller an. Zwinge es jedoch zu nichts und verliere nicht die Geduld, wenn du das eine oder andere Mal das Gefährt selbst nach Hause tragen musst, weil dein Kind nicht damit zurecht gekommen ist und die Lust verloren hat.
  • Lass dein Kind so viel wie möglich draußen spielen und geht oft auf den Spielplatz. Hier kann es verschiedene Bewegungsformen ausprobieren (klettern, balancieren, schaukeln, rutschen), aber auch Hand-Auge-Koordination und Feinmotorik trainieren, etwa beim Sandspielen.

 

Früh übt sich…

Schon im Babyalter kannst du dein Kleines fördern, wenn du ihm möglichst viel Bewegung ermöglichst. Lege es lieber auf eine Krabbeldecke, statt es in die Babywippe oder gar in die Babyliegeschale fürs Auto zu setzen. Auf der Decke kann es sich frei bewegen, sich abstützen und drehen. Dabei trainiert es seine Muskulatur, die es später fürs Krabbeln braucht.

Das Krabbeln ist ein enorm wichtiger Entwicklungsschritt, denn dabei muss dein Kind erstmals so genannte Überkreuzbewegungen ausführen (also z.B. rechten Arm und linkes Bein gleichzeitig bewegen). Eltern ungeschickter Kinder berichten überdurchschnittlich häufig, dass ihr Kind das Krabbeln übersprungen hat und gleich gelaufen ist. Sei also stolz, wenn dein Kind krabbelt und noch nicht läuft! Dränge es nicht zum Laufen, indem du es zum Gehen an beiden Händen hältst oder es gar in eine  Gehhilfe setzt (Achtung: hohe Unfallgefahr!).

Richtig üben, sodass dein Kind Spaß daran hat

Es ist verständlich, wenn du speziell die Bewegungen mit deinem Kind üben willst, die ihm schwer fallen. Genau die mag dein Kind aber nicht, weil es dabei kaum Erfolgserlebnisse hat. So wird es schnell die Lust verlieren.

Besser ist es, du wählst eine Bewegung aus, die dein Kind schon gut beherrscht (die ihm daher auch Spaß macht!) und variierst sie bzw. steigerst den Schwierigkeitsgrad. So lässt sich spielend die Koordination verbessern. Kann dein Kind z.B. gut gehen, hüpfen oder kriechen, wandel diese ab:

  • Gehen: Bitte dein Kind schneller zu gehen oder zu laufen, lass es rückwärts oder auf einer Linie gehen (z.B. mit Malerkrepp auf den Fußboden kleben). Fordere es auf, im Gehen verschiedene Tiere nachzumachen (watscheln wie eine Ente, beim Gehen wie ein Vogel mit den Armen = Flügeln schlagen), ein Kirschkernsäckchen auf dem Kopf balancieren…
  • Hüpfen: schneller hüpfen, rückwärts hüpfen, auf einem Bein hüpfen, über ein Hindernis hüpfen, von einer Stelle zu einem markierten Ziel hüpfen, hüpfen wie ein Frosch…
  • Kriechen: schneller kriechen, rückwärts kriechen, sich auf dem Boden schlängeln wie eine Schlange, abwechselnd unter einem Stuhl durchkriechen und über den nächsten Stuhl darüber, um Stühle im Slalom herumkriechen…

Am besten ist es, du machst selbst mit oder führst die Bewegung zumindest vor, da die meisten Kinder mit Erklärungen wenig anfangen können. Vielleicht möchtest du auch einen kleinen Wettbewerb austragen? Dann solltest du für dich jedoch den Schwierigkeitsgrad erhöhen (gib deinem Kind z.B. einen Vorsprung), sodass dein Kind eine echte Chance hat, gegen dich zu gewinnen!

15 Tipps zur Förderung von Gleichgewicht, Feinmotorik & Co

5 Tipps zur Förderung der Körperwahrnehmung

  • Massiere dein Kind. Das genießen schon die Kleinsten. Du kannst dabei verschiedene Stoffe/Materialien verwenden und damit sanft über die Haut deines Kindes fahren (Frotteetuch/-waschlappen, Seidentuch, Feder, Haarbürste, Igelball…).
  • Kindergartenkinder haben Spaß an Massagespielen. So kannst du deinem Kind eine einfache Figur auf den Rücken malen und es raten lassen, was du gezeichnet hast.
  • Oder du backst eine Pizza (ab Kleinkindalter): dein Kind liegt auf dem Bauch und du knetest den Teig (Rücken kneten). Dann wird der Teig ausgerollt (Haut nach allen Seiten ausstreichen) und es kommt Tomatensauce drauf (Fingerspitzen der gebeugten Hand einige Male leicht auf den Rücken fallen lassen). Anschließend wird die Pizza belegt, z.B. mit Schinken oder Salami (flache Hand an verschiedenen Stellen leicht auf den Rücken klatschen). Zum Schluss wird die Pizza gebacken (vorbereitete Wärmflasche auf den Rücken legen).
  • Kinder lieben „Bällchenbäder“, die es z.B. in größeren Möbelhäusern gibt. Gönne deinem Kind den Spaß, wenn sich die Gelegenheit bietet. So ein „Bad“ in den Bällen fördert Lagewahrnehmung und Tastsinn.
  • Lass dein Kind viel barfuß laufen. Besondere Anregungen bieten unterschiedliche Untergründe (glatte Kieselsteine, warmer Sand, Gras, Moos). Du kannst selbst einen richtigen „Barfuß-Parcours“ zusammenstellen, indem du verschiedene Materialien in die Deckel von Schuhschachteln gibst (z.B. die oben genannten, außerdem Rindenmulch, Wollfäden, Erde). Daneben sind auch Teppich- oder Fellreste, Kissen, Schaumstoff, ein Frotteehandtuch oder ein Bogen Schmirgelpapier geeignet.

5 Tipps zur Förderung des Gleichgewichts

  • Nutze jede Möglichkeit zum Balancieren, z.B. auf Mäuerchen oder breiten Randsteinen.
  • Rege dein Kind zum Schaukeln an, z.B. auf dem Spielplatz. Beliebt und hilfreich sind auch eine Hängematte, ein Hängesessel oder ein Schaukelstuhl.
  • Auch ein Gymnastikball bietet vielfältige Möglichkeiten, das Gleichgewicht zu trainieren. Dein Kind kann nicht nur darauf sitzen, sondern sich auch rücklings oder bäuchlings über den Ball legen. Auch hopsen lässt es sich prima auf dem Ball. Dein Kind braucht dafür ausreichend Platz, damit es sich nicht stößt.
  • Ideal fürs Gleichgewichtstraining ist ein Trampolin. Wichtig: Die Federung muss auf das Körpergewicht deines Kindes abgestimmt sein und das Trampolin sollte zur Sicherheit ein Netz haben, damit dein Kind nicht herabstürzen kann.
  • Baue einen Hindernisparcours. So kann dein Kind z.B. von einem Sessel auf den nächsten klettern, unter dem Tisch durchkriechen, von einem auf dem Boden liegenden Sofakissen zum nächsten springen…

5 Tipps zur Förderung von Koordination und Feinmotorik

  • Fördere die Handgeschicklichkeit, indem du dein Kind viel malen lässt. Gerade ungeschickten Kindern macht das häufig wenig Spaß, sodass du etwas in die Trickkiste greifen solltest. Biete deinem Kind Fingerfarben oder Straßenkreide an oder gib ihm extra großes Papier (z.B. Rückseite von Tapetenresten). Auch Malseife für Dusche oder Badewanne (z.B. von Tinti®) lockt selbst die größten „Malmuffel“.
  • Auch diese Tätigkeiten trainieren Handgeschicklichkeit und Hand-Auge-Koordination: kneten (egal, ob Knetmasse oder echten Teig) sowie ausrollen und ausstechen, Perlen auffädeln, stricken mit der „Strickliesel“, Bausteine zusammenstecken (z.B. Lego®), ausschneiden und aufkleben.
  • Rege dein Kind zu Ballspielen an. Schwieriger als einfaches Fangen und Werfen ist z.B. Zielwerfen. Dein Kind kann Tennisbälle oder – in der Wohnung – zerknülltes Zeitungspapier oder kleine weiche Gegenstände (z.B. Plüschtiere) in einen Eimer oder durch einen Reifen werfen. Je besser es trifft, umso größer sollte sein Abstand zum Ziel sein.
  • Viel Spaß gibt es auch beim „Luftballon-Tennis“, wenn du und dein Kind je einen Federballschläger benutzen, um sich damit einen Luftballon zuzuspielen. Der Ballon bewegt sich langsam und ist deshalb leicht zu treffen, reagiert aber nicht immer wie erwünscht…
  • An- und Ausziehen sind prima Übungsmöglichkeiten für Feinmotorik und Koordination. Arme und Beine richtig „einzusortieren“ klappt ab drei bis vier Jahren. Je nachdem, wie alt dein Kind ist, kann es mit großen oder kleineren Knöpfen auf- und zuknöpfen üben, Reißverschlüsse und Haken öffnen und schließen sowie, ab etwa fünf bis sechs Jahren, Schleifen binden. Natürlich können auch  Puppen und Teddys an- und ausgezogen werden.