Paff, Bumm, Päng!

Wenn Kinder Spielzeugwaffen lieben

Viele Kinder spielen begeistert mit Schwertern und Gewehren. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Bis wohin bleibt es harmlos und wie sollten Eltern gegebenenfalls eingreifen?

Autor: Petra Fleckenstein

Mit Lust und Freude totschießen spielen

Junge Spielzeugwaffen
Foto: © iStockphoto.com/ stockcam

Paff, bumm, päng! Nicht nur an Karneval sind sie überall zu sehen: Kinder mit Pistolen, Schwertern, Säbeln und Gewehren. Verkleidet als Cowboy, Indianer, Pirat oder irgendein Weltraumheld spielen sie voller Lust und Freude totschießen. Manchen Erwachsenen – die schrecklichen Auswirkungen von Gewalt und Krieg vor Augen – beschleicht angesichts dieser Szenarien ein mulmiges Gefühl. Ist es angemessen, diese so aggressiv wirkenden Spiele zu dulden? Und warum eigentlich üben Waffen auf viele Kinder, nicht nur zu Karneval, eine so große Anziehungskraft aus?

Vielerlei Erklärungen

Wenn Kinder gern und oft mit Waffen spielen, fühlen manche Eltern sich schuldig. Ist in ihrer Erziehung etwas schief gelaufen, ihr Kind gar auf dem Weg, ein Rambo zu werden? Experten haben zahlreiche Erklärungen für die kindliche Waffenliebe gefunden. Vom natürlichen und gesunden Aggressionstrieb ist da die Rede oder auf der anderen Seite von einer Reaktion auf eigene Gewalterfahrungen in der Familie oder auf Gewaltdarstellungen in den Medien. Und wie so oft im Leben gilt auch hier: Die eine eindeutige Antwort, die auf alle Kinder passt, gibt es nicht. Die Lust auf Spielzeugwaffen kann bei jedem Kind andere Ursachen haben und oft liegt die Wahrheit in einer Mischung aus allem.

Aggressionen werden nicht allein durch Waffen ausgedrückt

Kindliche Aggressionen - egal ob natürlich oder kulturell bedingt – schaffen sich nicht nur durch Spiele mit Spielzeug-Pistolen ein Ventil. Auch beim Mensch-ärgere-dich-nicht kann es enorm aggressiv zugehen, ebenso beim Fußballspiel oder der zunächst scheinbar harmlosen Kissenschlacht. Umgekehrt kann das Spiel mit Schwertern und Pistolen ganz gesittet ablaufen und die Kinder dabei sorgfältig vermeiden, sich gegenseitig wehzutun. Denn mit der grausamen Dimension von Waffen in unserer Erwachsenenwelt haben die Kinderwaffen in den allermeisten Fällen nichts zu tun. In den kindlichen Waffenspielen geht es nicht ums Wehtun, Verletzen oder Töten des Spielgefährten, sondern um das Erlebnis von Macht und Wirksamkeit.

Nebenbei bemerkt werden aggressive Gefühle heute wieder freundlicher gesehen als zu Zeiten der strikt am Ideal des Pazifismus ausgerichteten Erziehungspraxis. Aggressive Impulse nicht mehr fühlen zu dürfen, schadet der psychischen Gesundheit und wirkt in vielerlei Beziehung lähmend. Seinen eigenen Standpunkt engagiert zu vertreten, Lust und Neugier auf neue Entdeckungen zu empfinden und vorwärts zu streben hat einfach auch ein wenig mit Aggressivität zu tun.

Das Spielzeuggewehr als Zauberstab

Jürgen Detering, Kinder- und Jugendpsychotherapeut und ehemaliger Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, bezeichnet die Spielzeugwaffe im urbia-Gespräch als "eine Art Zauberstab", durch den das Kind sich die Welt gefügig macht. Mit diesem magischen Gegenstand kann es fiktiv Macht erleben, über andere bestimmen, sie beeinflussen und lenken. Das Kind kann so "Selbstwirksamkeit" empfinden – wie es im Fachjargon heißt - und das Gefühl erleben, dass es seine Geschicke durch seine eigenen Fähigkeiten steuern und kontrollieren kann. Das Gegenteil der Erfahrung von Ohnmacht also. "Kinder setzen Spielzeugwaffen als Symbole der Selbstbehauptung ein", schrieb denn auch die bekannte Buch-Autorin Barbara Sichtermann ("Leben mit einem Neugeborenen").

Dies könnte umgekehrt den Schluss nahe legen, dass es besonders Kinder mit schwachem Selbstbewusstsein nötig haben, sich immer wieder in Waffen- und Kriegsspielen Gefühle von Macht zu verschaffen. "Das kann, muss aber nicht so sein," sagt Jürgen Detering. "Gefühle von Ohnmacht können auch anders kompensiert werden." Ein Beispiel ist die Welt der Modell-Eisenbahn. Auch da kann ein Kind alles nach dem eigenen Willen bauen, steuern und kontrollieren.

In Rollen schlüpfen, um zu verstehen

Waffen spielen in unserer Erwachsenen-Realität eine gewichtige Rolle. Die TV-Nachrichten zeigen fast täglich Männer mit Maschinengewehren, in nahezu jedem Krimi wird geballert oder zumindest mit der Waffe herum gefuchtelt. Um die Welt, die sie umgibt, zu verstehen, ziehen sich Kinder einfach bestimmte Rollen an - wie auch die des aggressiven bzw. überlegenen Waffenhelden.

So spüren sie hinein in all die Facetten, die unsere Welt bietet - zum Beispiel, wie es sich anfühlt, eine Waffe zu tragen. Möglicherweise spielt es hier also eine große Rolle, was die Kinder vorfinden. In einer Familie oder einer Gesellschaft, in der Konflikte eher mit Gewalt als mit friedlichen Mitteln beigelegt werden, übt das Spiel mit Waffen möglicherweise eine stärkere Faszination aus als in friedlicheren Kulturen.

Waffen-Spiele verbieten?

Schlicht mit Verboten zu reagieren, wenn der Sohn oder die Tochter am liebsten Krieg spielen, ist "aussichtslos und nicht sinnvoll", sagt Jürgen Detering. "Jeder gebogene Stock" hält dann möglicherweise als Waffe her. Ebenso wenig hilft es weiter, das Kind durch Moralisieren zu verunsichern und ihm die grausamen Wirkungen von Waffen in der Realität anschaulich zu schildern. (Voraussetzung ist natürlich, dass sich die lieben Kleinen nicht mit Spielzeugschwertern die Köpfe einschlagen. Wenn es zu rüden Handgreiflichkeiten kommt, müssen Eltern natürlich konsequent einschreiten).

Detering rät eher dazu, sich dafür zu interessieren, woher die Waffen-Faszination des Kindes rührt und sich für Gespräche - zum Beispiel abends vor dem Schlafen-Gehen - Zeit zu nehmen. Dem Kind zuhören, ruhig einmal fragen, was es ihm bringt und wie es so ist, mit Pistolen zu spielen, kann auch Aufschluss über dessen Sehnsüchte und Nöte geben. Und da diese auch dem Kind in der Regel nicht bewusst sind, können Gespräche dazu führen, dass verborgene Wünsche ins Bewusstsein rücken. Dem Sproß immer wieder aufmerksam zuzuhören, kann also für Eltern und Kind einiges an Klärung bringen.

Und nicht zuletzt: Wer es gewohnt ist, über seine Erlebnisse zu sprechen und aufmerksame Zuhörer zu finden, hat es weniger nötig, Konflikte mit Gewalt zu lösen.

Weitere Informationen: Verein für Friedenspädagogik

Noch Fragen oder Probleme? Hier geht es zur kostenlosen Internet-Beratung für Eltern der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung