Blutgerinnungsstörung kann Grund für Fehlgeburten sein
Eine unentdeckte Blutgerinnungsstörung (Thrombophilie) kann ein Grund für mehrfache Fehlgeburten sein. Wir erklären die medizinischen Hintergründe.
Blutgerinnungsstörung: Ursache für Fehlgeburten
Für jede werdende Mutter ist es der größte Alptraum, das ungeborene Kind, dessen Herzchen man sogar schon hat schlagen sehen, zu verlieren. Etwa 10 bis 15 Prozent aller festgestellten Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt, wobei die Gefahr dafür in den ersten zwölf Wochen am größten ist. Rund 80 Prozent aller Aborte finden in diesem frühen Stadium statt. Rund 2 bis 5 Prozent aller Schwangeren trifft es besonders hart: Sie müssen diesen Alptraum zwei oder mehre Male in Folge erleben. Mediziner sprechen in diesem Fall von so genannten habituellen Aborten (wiederholten Fehlgeburten). Die Ursachen dafür sind nicht immer einfach zu finden, denn Symptome Blutgerinnungsstörung sind nicht klar zu erkennen. Knapp der Hälfte aller Fehlgeburten können die Ärzte überhaupt keinen Grund zuordnen. Bei den Fällen, in denen die maßgeblichen Faktoren gefunden werden, sind die Ursachen vielfältig. Hat eine Frau zwei oder mehr aufeinander folgende Aborte, kann eine mögliche Ursache eine unerkannte Blutgerinnungsstörung sein. Aufgrund der Volumenzunahme und hormoneller Veränderungen neigt das Blut jeder schwangeren Frau dazu, schneller als normal zu gerinnen. Besteht zusätzlich eine Gerinnungsstörung, also eine Neigung zu Thrombosen, vermutet man kleine Mikrothrombosen in den Blutgefäßen der Plazenta. So kann der Embryo sich gar nicht erst richtig einnisten oder nicht richtig versorgt werden und es kommt zu einer Fehlgeburt.
Nicht jede Blutgerinnungsstörung führt zur Fehlgeburt
Allerdings erleidet nicht jede Frau, die eine Blutgerinnungsstörung hat, zwangsläufig auch Fehlgeburten. Nur der Umkehrschluss ist nach klinischen Erfahrungen sehr auffällig: „Rund 20 bis 25 Prozent aller Frauen mit zwei oder mehr Fehlgeburten weisen Auffälligkeiten in der Blutgerinnung auf. Diese versucht man zu behandeln – egal, ob im Rahmen einer spontanen Schwangerschaft oder bei einer künstlichen Befruchtung“, erklärt der Hamburger Professor Dr. Frank Nawroth, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.
Welche Arten der Thrombophilie gibt es?
Thrombophilie ist der Überbegriff für verschiedene Blutgerinnungsstörungen, die allesamt zu einem erhöhten Thromboserisiko führen. Die Gerinnungsstörungen bestehen entweder von Geburt an oder werden im Laufe des Lebens erworben. Sie können komplett ohne klinische Auswirkungen bleiben oder die symptomatischen Thrombosen auslösen. Folgende Gerinnungsstörungen werden laut klinischer Studien besonders mit wiederholten Fehlgeburten assoziiert:
Blutgerinnungsstörung Faktor 5
Der am weitesten verbreitete erbliche Risikofaktor für Thromboseneigung ist die so genannte Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz). Bei rund 5 Prozent der europäischen Bevölkerung tritt diese Art der Thrombophilie auf, deren Ursache ein Gen-Defekt ist. Eine Schwangere mit einer Faktor-V-Leiden-Mutation hat laut klinischer Studien ein 28 Prozent höheres Risiko für eine Thrombose als eine Schwangere ohne Gerinnungsstörung Faktor 5.
Antiphospholipid-Syndrom (APS)
Studien zeigen, dass bis zu 5 Prozent der Bevölkerung APS-Antikörper, erworbene Hemmstoffe der Gerinnung, im Blut haben. Dies muss sich nicht zwangsweise auswirken und kann komplett ohne Symptome bleiben. Schwangerschaftskomplikationen wie wiederholte Fehlgeburten treten bei Patientinnen mit APS jedoch überproportional häufig auf.
Protein-C- und Protein-S-Mangel
Frauen, denen es an dem so genannten Protein-C oder Protein-S mangelt (oder an beiden zugleich), haben während einer Schwangerschaft ein 10 bis 19 Prozent höheres Thromboserisiko.
Antithrombin-Mangel
Bei einem Antithrombin-Mangel liegt das Thromboserisiko und somit das Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft bei bis zu 44 Prozent. Zum Glück kommt diese Art der Thrombophilie nur selten vor.
Manche Frauen leiden auch an mehreren Arten der Blutgerinnungsstörung als Ursachen für Komplikationen. Hier gilt: Je mehr Thrombophilie-Faktoren eine Frau in sich trägt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in einer Schwangerschaft zu Komplikationen wie Fehlgeburten kommt.
Gerinnungsstörung Trombophilie: Diagnose und Behandlung
„Sicherlich macht es keinen Sinn, jede Frau, die schwanger werden möchte, einfach mal auf Thrombophilie zu testen", warnt Professor Dr. Nawroth. Man würde nur unnötig die Pferde scheu machen, da bekannt ist, dass diagnostizierte Gerinnungsstörungen manchmal gar keine Auswirkungen haben. Bei der einen Patientin liegt eine Gerinnungsstörung vor, es gab aber nie irgendwelche Symptome. Eine andere hat mit genau der gleichen Diagnose schon mit 20 Jahren ihre erste Thrombose erlitten. „Früher hat man einen Test auf Thrombophilie erst ab der dritten Fehlgeburt in Folge durchgeführt. Heute untersucht man schon nach dem zweiten Abort, da sich herausgestellt hat, dass es ab diesem Zeitpunkt medizinisch schon sinnvoll ist", erklärt der Experte für Gerinnungsstörungen und Kinderwunsch. Das Gleiche gilt auch für Patientinnen, die künstlich befruchtet werden. „Man hat festgestellt, dass das Kollektiv der Frauen, die mehrere Fehlgeburten erlitten haben, dem Kollektiv der Frauen, die nach wiederholter künstlicher Befruchtung nicht schwanger werden, sehr ähnlich ist", erläutert Nawroth.
Einfacher Bluttest gibt Aufschluss
Eine einfache, aber gezielte Blutuntersuchung bringt schließlich Aufschluss darüber, ob die Patientin an einer Gerinnungsstörung leidet. Inzwischen kann man sogar schon selbst einen Gen-Test zuhause machen und diesen einschicken (personal genomics services). Einige Tage später bekommt man das Resultat dann per Post zugesandt. Ob das allerdings eine gute Idee ist, bleibt fragwürdig. Denn zum einen ist die Beratung und Betreuung durch einen Facharzt gerade bei einer folgenden Behandlung dringend nötig. Zum anderen müsste man den Test im Selbstauftrag auch selbst bezahlen. Veranlasst jedoch der Arzt nach einer zweiten Fehlgeburt einen Bluttest, übernehmen die Krankenkassen die Kosten.
Heparin-Studie: Keine positiven Effekte für Schwangere
Ergibt das Ergebnis des Tests am Ende, dass eine Thrombophilie besteht, bespricht der Arzt mit der betroffenen Frau, welche Behandlung jetzt sinnvoll ist und wird unter Umständen auch eine geeignete Form der Kinderwunschtherapie vorschlagen. Lange Zeit hielten viele Fachärzte bei den betroffenen Frauen eine Behandlung mit dem Anti-Thrombosemittel Heparin für die beste Wahl - und tun das auch heute noch. Doch der Ruf der Heparin-Therapie, dank der einfachen Selbstmedikation durch Spritzen nicht nur leicht zuhause durchführbar zu sein, sondern auch bekannten Blutgerinnungsstörungen entgegenzuwirken, ist ins Wanken geraten: Nach einer jetzt veröffentlichten Studie ("Ethig II-Studie") von Geburtsmediziniern aus Deutschland und Österreich, an der zwischen 2006 und 2013 insgesamt 449 Schwangere beteiligt waren, erhöht Heparin weder die Anzahl der anhaltenden Schwangerschaften noch der Lebendgeburten bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten. "Wir können nicht mehr von einem positiven Einfluss des Medikaments ausgehen", fasst Professor Ekkehard Schleußner, geschäftsführender Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Jena und medizinischer Leitter der Studie, die Ergebnisse zusammen. Im Rahmen der Studie behandelten die Mediziner auch Frauen mit wiederholten Fehlgeburten, die allerdings nicht unter einem Thromboserisiko litten. Auch bei ihnen konnte kein Vorteil durch den Einsatz des gerinnungshemmenden Medikaments nachgewiesen werden. Deshalb betont Schleußner auch: "Es ist nicht zu empfehlen, Schwangere ohne Thrombose-Risiko mit Heparin zu behandeln."