Wie viel Vertrauen braucht ein Kind?
Wie viel Sicherheit und Geborgenheit braucht ein Kind für seine Entwicklung? Wo liegt die Grenze zwischen Überängstlichkeit und nötiger Vorsicht?
Eltern sollten ihrer eigenen Angst auf den Grund gehen
"Halt! Vorsicht! Warte, ich komme ..."
Mit angsterfüllter Stimme stürzt die Mutter auf den Kleinen zu. Das Kind hat unbemerkt die ersten Stufen der Leiter zu einer Rutsche erklommen. Verständnislos schaut es auf die Mutter und klettert weiter. Die Mutter nimmt das Kind, geleitet es zur Plattform hinauf und an der Hand die Rutsche hinab.
Was ist geschehen?
- Die Mutter ist besorgt, dass ihrem Baby etwas zustoßen könnte: Sturz von der Leiter oder der Rutsche, Streit mit anderen Kindern um die Reihenfolge, Sand und Dreck bei der Abfahrt...
- Das Kind hat beobachtet, wie andere Kinder rutschen und welchen Spaß das anscheinend macht. Es ist irritiert, dass die Mutter sich so beschützend einmischt, da keine Gefahr erkennbar ist.
Was veranlasst die Mutter in dieser Situation einzugreifen?
Häufig sind es schlechte Erfahrungen, die die Mutter in der Vergangenheit gemacht hat:
- Das Kind sich in der Vergangenheit bei gleichen oder ähnlichen Aktionen schon einmal verletzt.
- Sie selbst ist vielleicht in der Jugend schwer gestürzt und hat sich verletzt.
- Sie hat Angst, dass das neue Kleid dreckig wird. Und das so kurz vor dem Besuch bei den Schwiegereltern.
Wenn die Gründe in der zweiten oder dritten Kategorie zu finden sind, sollten wir uns fragen: Habe ich so wenig Vertrauen in mein Kind, weil ich mein eigenes Ungemach immer vor Augen habe - bewusst oder unbewusst? Habe ich keine Lust, Zeit, Energie, das Kind in einem Rahmen spielen zu lassen, der seinen Bedürfnissen entgegenkommt, weil dadurch meine Zeit und Kraft zu sehr beansprucht und strapaziert werden?
Wenn die Gründe im ersten Bereich liegen, sollte die Mutter bei einer entsprechenden Konstitution des Kindes aus Gründen der Sicherheit dessen Aktionen begleiten. Nur durch entsprechende Begleitung gewinnt das Kind die Sicherheit und das Vertrauen über vorangegangenes Pech oder Schmerz hinwegzukommen. Dann verliert es auch seine Angst.
Vertrauen muss vorgelebt werden
Problem A n g s t
Zum Problem wird die Angst, wenn unerwünschtes Verhalten mit Strafe bedroht wird, anstatt das angestrebte Verhalten positiv zu unterstützen. Dann wird die Warnfunktion der Angst überspannt und kann zu Entwicklungsblockaden führen. Die Gefahr: Vertrauen wird zerstört und Unsicherheit erzeugt.
Vertrauen hat immer zwei Komponenten
- Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
Um Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu entwickeln, brauchen Kinder einen Freiraum, in dem sie die Welt entdecken, eigene Stärken erfahren und austesten können. Erst wenn sie sich eigene Freiräume erobern können, lernen sie, selbstständig zu handeln, gewinnen ihre eigene Sicherheit. Nur so lernen sie, die Konsequenzen des eigenen Tuns zu tragen und Grenzen zu erfahren. - Vertrauen in einen anderen, den Erwachsenen
Bei diesen Grenzerfahrungen spielen Eltern eine wichtige Rolle. Ihre Anwesenheit gibt den Kindern Sicherheit. Die Eltern stärken ihnen den Rücken, auszuprobieren ohne die Angst haben zu müssen, fallen gelassen zu werden. Diese Situationen stärken das angeborene Urvertrauen in die Eltern. Die Kinder lernen dann auch, um Hilfe und Unterstützung zu bitten, wenn sie alleine nicht mehr weiter wissen. Haben wir den Mut, die Kinder machen zu lassen!
Angst und Furcht können Kinder vor Gefahren schützen
Sie sind wichtige Signale, die Welt besser einschätzen zu lernen. Angst wird gelernt. Dies geschieht bei Kleinkindern häufig über die Imitation von ängstlichem Verhalten. Psychologen haben eine deutlich positive Korrelation zwischen den Ängsten von Eltern und ihren Kindern festgestellt: Je größer die Angst der Eltern vor Gewittern, desto panischer reagieren die Kinder. So kann aus der Warnfunktion Angst eine Behinderung werden. Übertriebene Schreck- und Angstreaktionen der Bezugspersonen machen Kinder übervorsichtig. Das geschieht auch durch Fehlinterpretationen von Elternverhalten. Das Lernen von Angst ändert sich mit dem Lebensalter. Eine zunehmende Erfahrung sowie die Ausweitung der sozialen Beziehungen helfen, Ängste abzubauen.
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