Amok an Schulen: Warnsignale erkennen
Eine aktuelle Studie zu Amokläufen an deutschen Schulen kommt zu dem Ergebnis, dass bereits im Vorfeld bestimmte Merkmale auf eine bevorstehende Gewalttat hinweisen können.
Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Darmstadt zu Amokläufen und schweren Gewalttaten an Schulen kommt zu dem Ergebnis, dass "in allen Fällen deutliche Risikomerkmale im Verhalten und in der Kommunikation der Täter im Vorfeld der Tat identifiziert werden konnten", so Dr. Jens Hoffmann, der Leiter der Studie. "Als Risikoindikatoren fanden wir in der Mehrzahl etwa Suizid-Äußerungen, oder die Jugendlichen erstellten Todeslisten", erläutert Hoffmann. " Alle Täter kündigten an, eine Waffe mit in die Schule zu bringen oder zeigten diese vorher sogar anderen Schülern. Ebenso sprachen nahezu alle Jugendlichen über ihre Racheabsicht oder gaben sogar bekannt, einen Amoklauf begehen zu wollen."
Kränkungen, Verlusterfahrungen
Bei allen Tätern waren im Vorfeld der Gewalttat Kränkungen, soziale Brüche oder Verlusterfahrungen zu verzeichnen. Fast alle Jugendlichen reagierten sehr empfindlich auf diese Erfahrungen. Zudem waren in allen Fällen schulische Konflikte erkennbar. Etwas mehr als die Hälfte der jugendlichen Täter wurde von ihrem Umfeld als Einzelgänger wahrgenommen. Im Vorfeld der Tat isolierte sich die Mehrzahl der Täter zunehmend. Dennoch wiesen die meisten Jugendlichen Freizeitinteressen auf und waren beispielsweise in Vereinen. Nur etwas mehr als ein Viertel der Jugendlichen war vorher polizeilich auffällig gewesen.
Vier der sieben Täter waren aktuell Schüler der betroffenen Schule, drei waren Ehemalige. Insgesamt wurden 21 Menschen von den Tätern getötet und 40 Personen verletzt. Vier der Täter begingen direkt im Anschluss an die Tat Suizid. Die Täter waren zwischen 14 und 22 Jahre alt. Alle waren männlich und hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Alle bis auf einen lebten im Elternhaus, die Familien entstammten weitgehend der Mittelschicht.
Medien-Gewalt
Alle Täter zeigten Interesse an gewalthaltigen Mediendarstellungen. Bei vier von ihnen konnte sogar eindeutig ein konkretes mediales Vorbild für ihre Tat bestimmt werden, entweder eine Filmfigur oder ein realer Amokläufer. Bei vier der Täter konnte ein übermäßig starkes Interesse an Videospielen festgestellt werden, beispielsweise indem große Teile der Freizeit mit solchen Spielen verbracht wurden.
Die Studie wurde von Dr. Jens Hoffmann und Karoline Roshdi von der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit Dr. Frank Ropertz vom Institut für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie Berlin durchgeführt, veröffentlicht wird sie in der Aprilausgabe der Zeitschrift "Kriminalistik". Dabei werteten die Psychologen polizeiliche Ermittlungsakten und Gerichtsurteile von allen sieben bekannten Taten in Deutschland der Jahre 1999 bis 2006 aus. Der Amoklauf von Winnenden konnte natürlich noch nicht berücksichtigt werden.
Bei vier der Fälle war kurz vor der Tat eine ähnliche Gewalttat in den Medien publiziert worden. "Es ist deshalb davon auszugehen, dass nach Amokläufen wie in Winnenden ein erhöhtes Risiko für weitere Taten dieser Art besteht", so Jens Hoffmann.
Immer Warnsignale
Zielgerichtete Gewalttaten und Amok an Schulen lassen sich prinzipiell bereits im Vorfeld erkennen, ist sich Jens Hoffmann deshalb sicher. Angeregt von Forschungen und Risikomodellen aus den USA hatte Hoffmann bereits 2006 einen Ansatz entwickelt, derartige Risikoentwicklungen in einem frühen Stadium zu erkennen und mit einer Krisenintervention deeskalierend tätig zu werden.
"Diese schrecklichen Taten junger Menschen stellen den Endpunkt eines Weges zur Gewalt dar, der immer von Warnsignalen begleitet ist und dessen einzelne Schritte in sich logisch sind", erläutert Jens Hoffmann. "Denn zielgerichtete Gewalttaten und Amokläufe sind aus Sicht des Täters ein letzter Ausweg aus einer Krise, für die er keine anderen Lösungsmöglichkeiten mehr hat."
(Quelle: idw)