Neue Medien: Eltern profitieren von ihren Kindern
Erwachsene und Kinder leben durch die rasche digitale Entwicklung zunehmend in parallelen Lebenswelten. Eine neue Studie beleuchtet nun, welche Rolle dabei die Familie im Austausch zwischen den Generationen spielt.
Die Lebenswelten von Jung und Alt driften mehr und mehr auseinander. Erwachsene verlieren dabei zunehmend den Anschluss an die Jugend – insbesondere im Bereich moderner Kommunikationsinstrumente wie Smartphone, Facebook & Co. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Jacobs Krönung-Studie „Chatroom Familie: Die Brücke zwischen den Generationen“*, erhoben vom Institut für Demoskopie Allensbach. Demnach sehen rund drei Viertel der Deutschen starke Unterschiede zwischen den Lebenswelten von Jugendlichen und Erwachsenen. Ein zentrales Bindeglied hält jedoch das Sozialgefüge der Generationen zusammen – die Familie. In der digital-dominierten Welt des 21. Jahrhunderts ist ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung größer denn je.
Fusion der Parallelwelten
Erwachsene und Kinder leben zunehmend in Parallelwelten, weil heute weniger über Generationsgrenzen hinweg, sondern hauptsächlich innerhalb der eigenen Altersgruppe kommuniziert wird. Prof. Dr. Renate Köcher vom Allensbacher Institut erklärt: „Angesichts der
wachsenden Differenzierung der Lebenswelten von jungen und älteren Menschen gewinnt der Austausch zwischen den Generationen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt immer mehr an Bedeutung.“
Die Familie spielt dabei eine zentrale Rolle – nicht nur, weil hier die Generationen täglich
aufeinandertreffen. „Die Sehnsucht nach Geborgenheit und Gemeinschaft innerhalb der Familie ist sowohl bei Kindern als auch bei Eltern sehr groß“, kommentiert der Diplom-Psychologe Michael Thiel. Ähnliches spiegelt auch die bevölkerungsrepräsentative Studie wider: In der Familie erfolgt der generationenübergreifende Dialog relativ häufig. Rund die Hälfte der Eltern unterhält sich täglich oder sogar mehrmals am Tag mit ihren 14- bis 17-jährigen Kindern, weitere 36 Prozent zumindest mehrmals in der Woche. Die Familie gewinnt dadurch an gesellschaftlicher Bedeutung: Sie wird zur starken Brücke zwischen den sich immer fremder werdenden Generationen. Das Fundament, auf dem diese Brücke gebaut ist, heißt Kommunikation.
Jugendliche haben die Informationsmacht
Der Austausch zwischen Eltern und Kindern ist heute keine Einbahnstraße mehr, bei der nur die Kids fürs Leben lernen. Im Gegenteil: Fast alle Eltern (93 Prozent) profitieren vom Know-how ihres jugendlichen Nachwuchses, und je mehr sich die Generationen unterhalten, desto größer ist der Wissenstransfer. Kein Wunder: Das Informations-Monopol der Kinder ist heutzutage größer denn je. Sie beherrschen souverän die Schlüsselfunktionen moderner Kommunikation. 84 Prozent der 14- bis 17-Jährigen sind sich der Möglichkeiten bewusst, die soziale Netzwerke bieten. Aber auch die Mehrheit der Eltern hat die Chance, die im Wissen der Jugend liegt, erkannt: Rund zwei Drittel der Befragten haben von ihrem Nachwuchs bereits erfahren, wie man mit neuen technischen Geräten umgeht. 65 Prozent wissen dank Sohn oder Tochter über die Möglichkeiten moderner Kommunikation wie WhatsApp Bescheid, und 61 Prozent wurden von ihren Kindern in die Welt von Facebook & Co. eingeweiht. Auch in puncto Mode, Musik und Marken fühlen sich Eltern besser informiert als zum Beispiel Erwachsene ohne Kinder.
Verständigung schafft Verständnis
„Bist du auf fb, dann pls add mich“ – so manchem Mittvierziger wird diese Aufforderung ein Fragezeichen auf die Stirn modellieren. Ob Eltern oder nicht – die Welt der Jugendlichen wirkt auf die Mehrheit der 30- bis 59-Jährigen befremdend. Fast zwei Drittel der Erwachsenen wundert sich darüber, wie schnell die Themen heute wechseln und wieder unwichtig werden. Jeder Zweite hat Probleme, dem schnelllebigen Sprachcode zu folgen. Wer also bei „Yolo“ spontan an ein neues Milchprodukt denkt, sollte sein Wissen vielleicht mal wieder beim Abendessen updaten oder sich mit der jugendlichen Nichte auf einen gemeinsamen Kaffee treffen.
Dann wird klar: „Yolo“ ist ein Akronym für „you only live once“ und das Jugendwort 2012. Gespräche mit Jugendlichen eröffnen der „Generation Mitte“ neue Perspektiven. Sie halten die immer älter werdende Gesellschaft auf aktuellem Kenntnisstand. Für 58 Prozent der 30- bis 59-Jährigen sind solche Gespräche hilfreich, um die Lebenswelt der Jugendlichen besser zu verstehen. Jeder zweite Erwachsene kommt durch den Austausch mit neuen Themen in Kontakt und lernt andere Sichtweisen und Standpunkte kennen.
Ein Gewinn für Eltern, Kinder und Gesellschaft
Von diesem Erfahrungs- und Wissenstransfer profitieren alle Parteien gleichermaßen, wie Psychologe Michael Thiel erklärt: „Wir sollten versuchen, die Welt unserer Kinder zu verstehen, indem wir uns Zeit nehmen und fragen: ‚Kannst du mir mal erklären, wie Facebook funktioniert?‘ oder ‚Wie bekommst du deine Lieder aus dem Internet?‘ Diese Fragen signalisieren: Ich habe Interesse an dir und deiner Welt. Du bist in manchen Dingen einfach fitter als ich! Das stärkt nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder, sondern fördert auch das Wissen und die Kommunikation zwischen den Generationen. Wir haben als Erwachsene heute die einmalige Chance, von unseren Kindern zu lernen, damit wir genauso in dieser schnelllebigen, technisierten Zeit mithalten können. Diese Art von Wissenstransfer führt zu einer Demokratisierung der Familie, in der sich die unterschiedlichen Generationen auf Augenhöhe austauschen – eine klare Win-win-Situation für Kinder, Eltern und damit auch für unsere Gesellschaft.“
Die Familie ist dafür der perfekte Chatroom. Kommunikation schafft Verständnis für die andere Generation und bringt uns einander näher, was auch die Jacobs Krönung-Studie belegt: Innerhalb der eigenen Familie sieht nur ein Drittel der Befragten starke Differenzen zwischen den Lebenswelten von Jugendlichen und deren Elterngeneration. Die Keimzelle der Gesellschaft überbrückt somit die Unterschiede zwischen Jung und Alt.