Geburtsbegleitung gab es schon immer

Alleingeburt: Kontra

Selbstbestimmung für Schwangere will auch Hebamme Andrea Ramsell. Die sicherste Geburtsumgebung sieht sie in der 1:1 Betreuung mit Hebamme.

Autor: Andrea Ramsell

Geburt ist ein normales Ereignis...

Alleingeburt contra
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...das selbstverständlich zum Leben gehört.

Ein Ereignis, das sowohl bei der Mutter, als auch beim Kind ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Biografie ist.

Wenn ich Frauen in der Schwangerenvorsorge oder bei der Geburt begleite, ist eine meiner ersten Fragen, wie es ihrem Kind geht. Ich werde dann oft sehr überrascht angesehen, so als ob ich das doch wissen müsste als Fachfrau. Deshalb sind sie ja gekommen.. Ich möchte diese Verantwortung gar nicht übernehmen. Ich verstehe mich als Geburtsbegleiterin, die hilfreich und mit Rat und Tat zur Seite steht. Wie es ihren Kindern geht, wissen die Schwangeren selbst am besten.

Es gibt viele Frauen, die sich die Verantwortung für ihre Schwangerschaft und Geburt nicht mehr zutrauen. Die zutiefst verunsichert sind nach jeder Schwangerenvorsorge durch ihre Fachärzte und froh sind, wenn bei einer Untersuchung kein neues Risiko entdeckt wurde. Interessanterweise ist die Schnittmenge von klassifizierten Risikoschwangerschaften und tatsächlichem schlechten Zustand von Mutter und Kind nach der Geburt extrem klein. Geburt ist an sich kein Risiko, mehr als 50 Prozent aller Schwangerschaften in Deutschland werden aber zu einer Risikoschwangerschaft erklärt.

Schwangere sind nicht mehr guter Hoffnung

Das Problem besteht in dem Dilemma, nicht mehr guter Hoffnung sein zu dürfen. Die Geburtshelfer nehmen sich die Deutungshoheit über Schwangerschaft und Geburt, die Frauen geben dieses Privileg aber auch allzu gerne ab.

Ich verstehe dass es schwer ist die Schicksalhaftigkeit zu akzeptieren, die es in Schwangerschaft und Geburtshilfe genauso gibt, wie auch sonst in unserem Leben. Die Antwort darauf ist für einige eine Geburtseinleitung am Termin oder ein geplanter Kaiserschnitt weit vor Termin. Ein Recht, für das die Frauen gekämpft haben. Warum treten sie nicht genauso laut für eine selbstbestimmte Schwangerschaft und Geburt ein?

Sicherste Geburtshilfe: 1:1 Betreuung durch eine Hebamme

Die sicherste Geburtshilfe ist die 1:1 Betreuung durch eine Hebamme in häuslichem Umfeld oder einem Geburtshaus mit Erreichbarkeit einer Klinik innerhalb von 30 Minuten. Das ist hinreichend untersucht und belegt. Warum machen wir das nicht so?

Angst ist allgegenwärtig und ein schlechter Ratgeber, wenn es um Geburten geht.

Wenn wir Kaiserschnittraten von 30 Prozent und mehr haben, dann bedeutet dass auch, dass die nachfolgende Generation an Hebammen und Ärzten diesen Zustand als normal erlebt. Dasselbe gilt für die Idee, je mehr Ultraschall, je mehr Diagnostik, je mehr Kaiserschnitte, desto sicherer. In den letzten 15 Jahren hat sich die Kaiserschnittrate in Deutschland verdoppelt, die Zahl der behinderten und kranken Kinder nach der Geburt hat sich aber nicht verändert. Mehr Intervention heißt nicht mehr Sicherheit, ist aber ein großer Angriff auf die körperliche Unversehrtheit von Mutter und Kind.

Begleitung bei der Geburt findet sich auf ältesten Zeichnungen

Der Artikel von Frau Schmid hat mich sehr betroffen gemacht und ich kann ihre Position gut nachvollziehen. Ich komme aber zu ganz anderen Schlüssen:

Die Geburtsbegleitung durch Hebammen hat es schon vor Millionen Jahren gegeben. In der Form von Frauen, die Wissen über Geburt und Heilmittel von Generation zu Generation weitergegeben haben. Die Begleitung bei menschlichen Geburten und der Beistand (meist im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Gebärende wurde oft im Stehen in einer aufrechten Position gehalten) findet sich auf ältesten Zeichnungen.  

Es ist für Frauen eine Stütze, nicht allein diesen anstrengenden und herausfordernden Weg zu gehen. 

Alleingeburt ist nicht die Alternative zur Geburtsmedizin

In Geburtshäusern und in der Hausgeburtshilfe wird auch jetzt noch eine intensive Begleitung durch Hebammen mit minimaler Interventionsrate durchgeführt und diese Art der Geburtsbegleitung hat die geringste Interventionsrate bei bestmöglichem Outcome von Mutter und Kind.

Warum das so ist? Eine Hebamme zu Hause oder im Geburtshaus begleitet eine Frau, muss sich nicht um drei andere  Geburten gleichzeitig kümmern und kann durch ihre dauernde Anwesenheit  die Geburt und den Verlauf viel besser beurteilen, als wenn die Betreuung diskontinuierlich und in nur kurzen Intervallen stattfindet.  

Es gebärt sich am besten mit einer Hebamme im Raum, die sich im Hintergrund hält und ein paar Socken strickt. Absurd? Keinesfalls! Es ist bewiesen, dass der Adrenalinspiegel niedrig und der Oxytocinspiegel hoch ist, wenn eine Person beim Gebären anwesend ist, einer repetativen Tätigkeit nachgeht und keine Angst hat. Liest man Tagebücher und Dokumentationen von alten Landhebammen, dann sieht man, wie gut dieses Modell über Jahrhunderte funktioniert hat.

Die Begleitung muss frauen- und babyfreundlich sein

Ich plädiere für eine frauen- und babyfreundliche Schwangerschafts-und Geburtsbegleitung, die primär in Hebammenhand liegt und nur in Ausnahmen an Ärzte weitergegeben wird, die sich um wirklich krankhafte Schwangerschaftsverläufe kümmern. Per se ist Schwangerschaft ein Zustand guter Hoffnung, der gesund und normal ist und keiner weiteren Intensivüberwachung bedarf.  

Ein Recht auf eine würdige Geburt

Ich kann verstehen, dass man als Frau nicht Teil dieser Geburtsmedizin sein möchte, sehe die Alleingeburt aber nicht als Alternative dazu.

Wir brauchen eine Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung, die sich auf die Wünsche der Frauen und Kinder einstellt und sie in den Mittelpunkt rückt. Die Konsequenz aus der vorherrschenden Geburtsmedizin sollte eine neue Bewegung von Frauen und Hebammen sein, die für ihr Recht auf eine würdige Geburt einstehen. Wir müssen uns auf alte Tugenden besinnen. Berühren, beobachten, zuhören und mit Bedacht handeln. Dann braucht es keine Alleingeburt. 

Die Autorin:

Andrea Ramsell, geb. 1971, ist Mutter von zwei Kindern, Nach ihrer Ausbildung zur Hebamme ist sie seit 1994 bis heute in verschiedenen Kliniken und in der außerklinischen Geburtshilfe (Hausgeburten, Geburtshaus), Schwangerenvorsorge, Geburtsvorbereitung und Wochenbettbetreuung tätig. Außerdem schloss sie ein Studium der Sozialpädagigik und ein Studium Gesundheitsmanagement für Hebammen ab.