Vorfreude oder Vorsicht?

Kinderwunsch: Wer darf es wissen?

Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist eine große und wichtige - aber auch eine sehr private und intime. Sollte man Eltern, Freunde oder Vorgesetzte einweihen? Welche Vor- und Nachteile es haben kann zu erzählen, dass man am Nachwuchs "bastelt".

Autor: Gabriele Möller

Die Vorfreude will geteilt sein

Kinderwunsch Paar glücklich
Foto: © fotolia.com/ Syda Productions

In dem Augenblick, in dem ein Paar sich entschließt, ein Kind zu bekommen, beginnt auch schon die Vorfreude. Und die will geteilt sein, denn "wes das Herz voll ist, des geht der Mund über", weiß schon ein biblisches Sprichwort. Es gibt daher nur wenige, die absolut niemandem von ihrem Kinderwunsch erzählen, wie ein Paar aus dem urbia-Forum Kinderwunsch: "Wir haben während dem 'Basteln' niemandem etwas erzählt - süßes Geheimnis mit dem Ehemann." Die meisten weihen andere ein, wählen aber deren Kreis sehr bewusst aus. "Vom Kinderwunsch wissen meine Mutter, mein bester Freund, meine beste Freundin, ein sehr guter Freund samt Freundin, zwei gute Bekannte sowie meine Omi", erklärt eine Userin im urbia-Forum Kinderwunsch.

Der häufigste Grund für die Zurückhaltung: die Angst vor ständigen Nachfragen, wenn bekannt ist, dass man ein Baby plant. Diese Sorge ist nicht ganz unberechtigt. Denn bei Paaren im passenden Alter macht sich die Umgebung meist schon Gedanken, auch ohne dass man vom Kinderwunsch spricht: "Bei meinem Mann und mir kommen immer wieder Fragen wie: 'Und wann ist es bei euch soweit?' Ich hasse es und tue meist so, als hätte es noch Zeit", berichtet eine andere Userin genervt.

Viele möchten die Eltern lieber überraschen

Dass viele Paare sogar den eigenen Eltern nichts über die Babyplanung verraten, hat dagegen oft eine andere Ursache - sie wollen die zukünftigen Großeltern überraschen: "Meine Mutter weiß es noch nicht. Ich will es ihr sagen wenn auch mein Schatz einen positiven Test in der Hand hält", berichtet eine Userin in unserem Kinderwunsch-Forum. "Ich wollte meine Eltern immer mit einem Ultraschallbild vom Hocker hauen", berichtet auch eine weitere. "Nun sind wir aber schon im 23. Übungszyklus und haben nächsten Monat unseren ersten Termin in der Kiwu-Klinik. Ich überlege jetzt, etwas zu sagen - ich habe nur Angst, dass das die Überraschung nimmt."

Ein weiterer Grund, warum die Eltern nicht eingeweiht werden, ist der Wunsch, sie nicht zu belasten. "Mein Vater weiß nichts davon. Er würde sich nur Sorgen machen. Zum Beispiel, weil's nach 14 Übungszyklen immer noch nicht geklappt hat. Ich hoffe, dass ich ihn bald überraschen darf", postet eine andere Frau, stellvertretend für viele weitere. 

Über Kinderwunschbehandlungen liegt oft Schweigen

Besonders zurückhaltend sind Paare, wenn es mit dem Baby nicht auf Anhieb klappt. "Außer meinem Bruder weiß es bei uns keiner", erzählt eine Userin im Forum Kinderwunsch. "Mittlerweile sind wir schon im 17. Übungszyklus und ersparen uns somit verletzliche, dumme oder nervige Sprüche von Außenstehenden." "Ich habe keine Lust auf die Sprüche seitens Geschwister und Vater, und auch keine Lust auf die Ratschläge von Leuten, die einmal in der Kiste landen und direkt schwanger sind", sagt auch eine andere Frau im Forum Unterstützter Kinderwunsch.

Neben der Angst vor Nachfragen ist aber auch der (gefühlte) Erwartungsdruck Grund für das Schweigen: "Um uns nicht unter Druck zu setzen, sagen wir allen 'Wir fangen jetzt demnächst mal an zu üben' - seit einem Jahr. Von der Behandlung wissen zwei befreundete Pärchen und noch drei Freundinnen von mir. Sonst niemand", erzählt eine andere urbia-Userin. Wie sie weihen fast alle Paare, die in Behandlung sind, dennoch einige Personen ein. Denn sich auszutauschen ist ein großes Bedürfnis in der belastenden Situation. "Ich hab nur einer Freundin genau erzählt, was los ist. Ich finde es wichtig, dass man zumindest jemanden zum Reden hat", erklärt eine Frau im Forum Unterstützter Kinderwunsch.

Offenheit kann entlasten 

Ob mit oder ohne Kinderwunschbehandlung: Es gibt auch Paare, die sowohl in der Familie als auch im Bekanntenkreis ganz offen über ihren Babywunsch sprechen - und die überraschende Erfahrung machen, dass die befürchteten Sprüche ausbleiben: "Jetzt haben wir angefangen, Freunden davon zu erzählen, wenn die Situation gepasst hat. Und ich finde es so viel besser. Wir haben nur positive Sachen zurück bekommen, und  trotzdem fragt keiner ständig, ob's schon geklappt hat", berichtet eine urbia-Userin, und eine andere empfindet es ähnlich: "Bei uns wissen es jetzt alle. Auch, dass wir um eine ICSI nicht herum kommen. Das erspart einem blöde Bemerkungen wie: 'Wann werde ich denn mal Opa?' Das ist so eine Erleichterung! Und man nimmt Rücksicht und versteht, was es für ein schwerer Weg für uns ist." 

Keine Lust auf Ausreden

Manche empfinden es auch als entlastend, nicht ständig Ausflüchte suchen zu müssen: "Meine Mutter weiß es eigentlich von Anfang an. Der Rest der Familie erst seit ein paar Tagen bzw. Wochen. Ausschlaggebend war, dass es ohne Hilfe nicht gehen würde. Wir wollen uns nicht ständig Ausreden einfallen lassen, wieso ich dauernd zerstochene Armbeugen habe, wieso ich aufquelle, wieso ich Pickel kriege und wieso wir so wenig Zeit haben", erzählt eine Frau im urbia-Forum Kinderwunsch.

Sollte es der Arbeitgeber wissen?

Ist es bei Familie und Freunden eher eine Gefühlssache, ob man über den Kinderwunsch spricht, kann dies bei Kollegen ganz konkrete Auswirkungen haben. Auch sympathischen KollegInnen kann etwas herausrutschen, und schon zieht die Information ungewollte Kreise. "Ich hatte einer Kollegin, mit der ich auch befreundet war, von meiner Fehlgeburt und meinem Kinderwunsch erzählt. Leider hat sie sich gegenüber einem anderen Kollegen verplappert. Und schon war es im Großraumbüro herum", erinnert sich Heike Franzen aus Wuppertal, inzwischen Mutter zweier Kinder. "Als mein Zeitvertrag kurz darauf auslief, wurde er nicht verlängert - mein Chef ließ durchblicken, er hätte keine Lust, dass ich demnächst wegen Mutterschutz und Erziehungsurlaub ausfalle."

Familienplanung geht Vorgesetzte nichts an 

Zurückhaltung ist deshalb erst recht direkt gegenüber den Vorgesetzten angesagt. Es gibt keine gesetzliche Pflicht, den Arbeitgeber über die eigene Familienplanung zu informieren, und man sollte dies auch nicht freiwillig tun. Denn auch der/die sympathischste Chef hat zuerst die Betriebsinteressen im Blick und wird wenig begeistert sein. Das ist nicht nur fürs Arbeitsklima oft ungünstig. Auch für die Arbeitsplatzsicherheit ist es eher nachteilig - zum Beispiel, wenn betriebsbedingte Kündigungen anstehen und es darum geht, wen es trifft. 

Auch auf direkte Nachfragen von Kollegen oder Vorgesetzten zur Familienplanung darf frau daher zurückhaltend reagieren. So handhabt es auch eine Userin in unserem Forum Kinderwunsch: "Wenn mich ein Kollege fragt, sage ich, dass ich da noch nicht wirklich drüber nachdenke."

Bei Kiwu-Terminen sind Ausflüchte erlaubt! 

Was aber sagen, wenn man wegen des Babywunsches während der Arbeitszeit zum Frauenarzt oder in eine Kinderwunschklinik muss? Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch darauf zu wissen, warum eine Frau zum Arzt geht. Und auch, wenn ihr die Geheimniskrämerei schwer fällt, sollte sie den Grund nicht offen sagen. Hier sind Ausreden erlaubt. "Ich habe einfach 'Zyste' gesagt - mein Chef hat da schon abgewinkt, Männer wollen das nicht so genau wissen", berichtet eine Frau im urbia-Kinderwunschforum verschmitzt. Auch die Ausrede von einer "Hormonkontrolle wegen der Schilddrüse" eignet sich - ein Vorschlag einer weiteren urbia-Userin.