Hilfe, ich kann mich nicht durchsetzen!
Kinderohren scheinen eine Durchzugs-Automatik zu besitzen - gar nicht leicht, sich da durchzusetzen. Außerdem macht es den Alltag ziemlich anstrengend. Zwölf Fehler, die Eltern nicht machen sollten, wenn Sie sich durchsetzen wollen - und wie Sie es besser machen.
Woran es liegt, wenn der Nachwuchs nicht hört
Wirkt ein Kind weitgehend immun gegen elterliche Anliegen, sind Mutter oder Vater vermutlich in eine der typische Untiefen in Sachen Durchsetzung geraten. Wer weiß, wie er die umschifft, kann sich liebevoll und dennoch wirksamer durchsetzen. 12 typische Fehler:
1. Schwammige Botschaften
Kinder sollen sich an ein paar Regeln halten, das sehen die meisten Eltern so. Doch welche sind das genau? "Wenn ich in der Beratung frage: 'Welche Regeln gibt es bei Ihnen zu Hause?', ist es erstaunlich, wie lange manche Eltern nachdenken müssen, bis sie auf eine einzige kommen", sagt Diplom-Psychologin Annette Kast-Zahn. Viele Eltern entscheiden in jeder Situation neu, was sie jetzt vom Kind erwarten, es gibt keine klare Linie.
Wirksamer ist es, über ein paar Alltagsregeln nachzudenken: Soll das Kind immer bis zum Ende der Mahlzeit am Tisch sitzen? Soll es sein Zimmer abends aufräumen? Je jünger das Kind, desto weniger Regeln sollten es sein. Wichtig sind aber auch eindeutige Botschaften: "Häng deine Jacke bitte an den Haken" ist klarer als "Wie sieht es denn hier aus?"
2. Mama sagt Hü, und Papa Hot
Absprachen vermeiden auch einen anderen Stolperstein: dass Eltern uneinig auftreten. "Ich bekomme seit Monaten das gesamte Essen zurück, das ich meiner Tochter (5) mit in den Kindergarten gebe. Deshalb ist sie heute ohne etwas in den Kiga gegangen. Mein Mann ist darüber empört. Er fährt nachher extra hin und bringt ihr etwas. Ich finde, dass er mir damit in den Rücken fällt", klagt eine Userin im Forum Kindergartenalter.
Die Lösung: Bei einem länger bestehenden Problem immer gemeinsam das weitere Vorgehen überlegen. Sich abzustimmen verhindert auch, dass der Nachwuchs die Eltern gegeneinander ausspielt ("Der Papa hat mir das aber erlaubt!").
3. Märchen erzählen
Man muss los, aber das Kleinkind trödelt, als würde es dafür bezahlt. Da rutscht leicht eine hilflose Drohung heraus: "Wenn du jetzt nicht weitermachst, bleibst du eben allein zu Hause!" Doch was tun, wenn so ein Märchen den Nachwuchs kalt lässt? Oder schlimmer: wenn er es glaubt und sein Vertrauen erschüttert wird?
Mögliche Lösungen: Bei hartnäckigen Trödlern darf man nachhelfen: "Weil das Anziehen heute nicht gut klappt, helfe ich jetzt mit." Schöner ist es, wenn es gelingt, den Nachwuchs anders zu motivieren: "Wenn wir rechtzeitig fertig sind, darfst du im Auto vor dem Start selbst mal das Lenkrad drehen."
4. Das Kind bestechen
Solche Belohnungen sollten möglichst nicht-materieller Natur sein. Sonst droht die Bestechungsfalle: Das Kind macht fast nichts mehr ohne Gegenleistung. Der Halt beim Bäcker oder der Kauf eines Spielzeugs sollten also die Ausnahme bleiben.
Günstiger ist es, nur dann ein kleines Geschenk zu versprechen, wenn ein Kind sich besonders überwinden muss: etwa, wenn es sich vor einer Blutabnahme beim Kinderarzt fürchtet.
5. Zu oft nachgeben
Stellt unsere Tochter (2) etwas an, sagt mein Lebensgefährte ihr, dass sie es nicht machen soll - aber so, als würde er es nicht ernst meinen. Zuletzt wird er laut und schickt sie in ihr Zimmer. Aber er setzt nicht durch, dass sie auch drin bleibt. Es kommt dann: 'Sie macht es doch eh nicht'", klagt eine Mutter im urbia-Forum Erziehung. Doch der Vater ist nicht allein: Das genervte Nachgeben ist ein wahrer Klassiker.
Wirkungsvoller ist: die Situation sofort lösen, anstatt das Kind ins Zimmer oder auf den "stillen Stuhl" zu schicken, wo man es mühsam bewachen muss (zumal der Sinn von Auszeiten umstritten ist). Es hilft das Leierkastenprinzip: sich auf Augenhöhe zum Kind hocken und sagen, was es tun soll - nötigenfalls mehrmals und ohne nachzugeben. Kleinere Kinder kann man auch einfach aus der Situation herausnehmen und ablenken.
6. Den Nachwuchs "zulabern"
"Ich erkläre ihm wieder und wieder, warum er das nicht darf, aber er hört einfach nicht." So ein Satz taucht in Elterngesprächen häufig auf. Die Autorin Tracy Hogg ("Babyflüsterer") erklärt dazu: "Das Kind versteht von unseren Beweggründen sowieso kein Wort und wird vielleicht noch bockiger." Denn ausufernde Diskussionen signalisierten ihm: Ich kann versuchen, Mama und Papa weichzukochen.
Alternative: Dem Kind das Anliegen kurz erklären. Wenn es sich verweigert, eine schnelle Lösung finden: es am Rande gefährlicher Straßen in den Buggy setzen; den Fernseher nach der vereinbarten Zeit ausschalten; das Essen abräumen, wenn das Kind nur stochert, obwohl alle Anderen fertig sind.
7. Angst, die Liebe des Kindes zu verlieren
Wenn Eltern zu leicht nachgeben, steckt oft die Angst dahinter, die Liebe des Kindes sonst zu verlieren. Doch die ist unbegründet. "Das Alltagsgeschehen läuft nie völlig spannungsfrei ab. Eltern müssen zeigen, dass sie sich notfalls auch durchsetzen können", betont Kinder-Psychotherapeut Dr. Rüdiger Posth. "Dies bedeutet keineTraumatisierung für ein Kind."
Es entlastet zu wissen, dass man sich (ohne körperliche oder verbale Gewalt) behaupten darf, ohne um die Liebe des Kindes fürchten zu müssen. Das Kind lernt dabei sogar Wichtiges: die Grenzen Anderer zu achten. Und zugleich auch, dass es selbst Grenzen haben darf.
8. Konsequenz mit Verspätung
Konsequenzen sind zweischneidig. Sie mutieren leicht zu Strafen, wenn es keinen Sinnzusammenhang zum "Vergehen" gibt: "Wenn du den Kakao nicht aufwischst, gehst du nachher nicht zu Lisa!" Doch auch, wenn es einen Bezug gibt: Ist der zeitliche Abstand der Folge zu groß, erkennt das Kind ihn nicht: "Wenn du mit Sand wirfst, gehen wir morgen nicht mehr auf den Spielplatz!"
Besser: Möchte man Konsequenzen einsetzen, müssen sie mit dem Fehlverhalten zu tun haben: "Wenn du die Kinder weiter schubst, müssen wir gehen." Reagiert der Sprössling nicht, sollte die Konsequenz sofort erfolgen, sonst werden Eltern unglaubwürdig.
9. Das Kleinkind überschätzen
"An zwei Dinge darf mein Sohn (14 Monate) nicht: an den Computer und an den Drucker. Natürlich geht er trotzdem dran. Ich sage streng 'Nein', ich setze ihn woanders hin, ich biete ihm Spielzeug an. Trotzdem marschiert er wieder hin", klagt eine urbia-Userin im Kleinkind-Forum. Doch sie erwartet zuviel: Kleinkinder können ihr eigenes Verhalten nicht steuern!
Die Lösung: die Wohnung kindersicher machen. Zum Beispiel kann ein klappbares Laufgitter bestimmte Zimmerecken (mit Rechner oder Hifi-Anlage) abteilen.
10. Das Loben vergessen
Viele Eltern reagieren vor allem dann, wenn ihr Sprössling nicht tut, was er soll: sie schimpfen. Auch diese negative Aufmerksamkeit aber kann unerwünschtes Verhalten verstärken. Die vielen Dinge am Tag, die gut laufen, werden dagegen oft kaum gewürdigt.
Diesen Teufelskreis meidet, wer bewusst auf alles achtet, was im Alltag mit dem Nachwuchs gut klappt - und ihn dafür hie und da lobt. Ehrliches Lob verstärkt gutes Verhalten, denn jedes Kind möchte den Eltern gefallen
11. Mit dem Partner drohen
Fatal ist es auch, mit dem nicht anwesenden Partner zu drohen: "Wenn das nachher die Mama/der Papa erfährt, dann ist aber was los!" Ein Kind sollte sich freuen dürfen, wenn Papa oder Mama heimkommen, und keine Angst haben müssen.
Besser als den Partner zum Buhmann machen: ihn erwähnen, um das Kind zu motivieren: "Ich werde der Mama/dem Papa erzählen, wie toll du geholfen hast, dein kaputtes Auto zu kleben!"
12. Emotionale Erpressung
Ein weiteres No Go: dem Kind Schuldgefühle zu machen ("Jetzt habe ich schon Kopfweh, weil du nie hörst!"). Auch abwertende Botschaften ("Du bist so was von undankbar!") oder Fragen ("Warum bist du bloß so faul?") richten in der Kinderseele Schaden an.
Besser: Auch wenn sie genervt sind, sollten Eltern auf der Sachebene bleiben. "Ich verstehe, dass du allmählich keine Lust mehr auf Hausaufgaben hast. Ich helfe dir jetzt ein bisschen, dann kannst du gleich wieder spielen."