...ewig ein schlechtes Gewissen
Die Kunst, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist eine große Herausforderung. urbia-Autorin Andrea Grüten berichtet von ihren Erfahrungen.
Von der Kunst Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen
Ewig in Hetze, ständig unter Dampf, vielfach nörgelnd - mit einem leicht gebückten Gang. Wer ist das? Eine berufstätige Mutter, die versucht, alles unter einen Hut zu bringen: Kind, Job, Haushalt und am Rande noch Ehefrau und Partnerin. Ich bewundere die Vorzeige-Frauen, die wie aus dem Ei gepellt und durchgestylt im Büro erscheinen und zu den Power-Women aus der Reklame gehören. Mir gelingt das nicht. Eine Frage des Temperaments oder des eigenen Durchsetzungsvermögens?
Einer bleibt immer auf der Strecke
Der ganz normale Alltagswahnsinn fängt doch schon morgens im Badezimmer an. Mit einem nörgelnden Kleinkind vor der Tür, mit einem Mann, der erst beim Geruch des Kaffees aus den Federn kommt. Wie ist das Wetter, was zieht wer an, welche Butterbrote müssen geschmiert werden, was koche ich heute? Lebenswichtige Fragen, die das Herz einer (halben) Hausfrau bewegen. Wen wundert es, wenn man selbst froh ist, geduscht und sauber aus dem Haus zu gehen. Mit Lächerlichkeiten wie großartig Schminken oder der Auswahl von Schnick-Schnack wie bestimmten Ohrringen kann man sich da nicht mehr abgeben. Das verschieben wir einfach aufs Wochenende. Oder? Erstmal alle in Ruhe frühstücken, damit der Tag zumindest offiziell geregelt anfängt. Läuft dann Sohnemann freudestrahlend in den Kindergarten, ist er doch die entnervende Mutter erstmal los, bitte einmal tief durchatmen - Ring frei zur nächsten Runde.
Habe ich meinen Filius nicht doch abgeschoben?
Irgendwie nagt an mir schon im Auto wieder das schlechte Gewissen. Habe ich meinen Filius nicht doch abgeschoben? Oder ist er im Kindergarten mit all den Spielkameraden einfach besser aufgehoben? Ich muss den Gedanken beiseite schieben oder zumindest vertagen, denn das Büro wartet ja schon. Was steht da heute alles an? Ach du liebe Zeit, habe ich den Kinderarzt-Termin festgemacht? Und überhaupt, war die Kaffemaschine aus? Ist wohl alles doch eine Frage des Temperaments. Männer haben gut reden: Verabschieden sich ins Büro und machen bei allem Stress, den sie sicher auch haben, die Schotten dicht. Unsereins läuft als Allzweckwaffe durch die Gegend - meistens kurz vor der Explosion.
Verschiedene Frauenbilder - verschiedene Leben
Zum Glück sind nicht alle gleich - aber wie meistern es andere Frauen und Mütter? Da ist zum Beispiel Manuela, Mutter von drei Kindern zwischen zwei und sieben Jahren. Sie sieht ständig aus wie aus dem Ei gepellt, hat mit Mitte Dreißig eine Figur wie ein junges Mädchen und meistert ihren Stress offensichtlich mit links. Ein großer Haushalt, ein großes Haus, eine begnadete Köchin - und ganz nebenbei noch ein bisschen Büroarbeit für ihren Mann. Wie macht sie das? Mit der richtigen Einstellung. Mit Liebe zum Detail und dem, was sie eben gerade macht. Natürlich fällt auch sie abends todmüde ins Bett, aber mit einem Lächeln.
Hektik pur
Ganz anders: Birgit. Sie ist heute 47 Jahre alt. Das achtjährige Töchterchen Henrike kam spät und völlig unerwartet auf die Welt, krempelte das Leben plötzlich komplett um. Birgit wollte ihr bisheriges Leben nicht so ohne weiteres aufgeben. Wozu hatte sie studiert und sich auch beruflich etwas aufgebaut? Also versuchte sie, alles unter einen Hut zu bringen. Henrike muss da mitziehen - ebenso wie Vater Michael. Hektik pur. Birgit sieht man nur durch die Gegend schießen - von einem Termin zum anderen rasen. Sobald sie aus dem Büro kommt, geht es weiter. Zwischen Geigen- und Sport-Unterricht, Einkaufen und nocht mal ganz schnell ins Büro.
Zeit für einen Kaffee-Plausch
Inge geht es da ruhiger an. Sie verschafft sich als Mutter von zwei Kindern (4 und 7) Freiräume. Die Kinder spielen mal hier und mal da und sind nicht selten an den Wochenenden bei den Großeltern. Von Stress kann hier keine Rede sein. Seelenruhig macht sie ihren Haushalt und hat auch noch genügend Zeit zu einem Kaffee-Plausch. Inge ist rundherum zufrieden mit sich und der Welt. Zumindest nach außen. Denn wer blickt schon hinter die Fassade.
Es kommt auf die Einstellung an
Sabine (40) hat einen ganz anderen Lebenweg für sich gewählt: sie genießt mit ihrem Freund die Freiheit und ist für niemanden verantwortlich - außer für sich selbst. Sie hat Karriere in der Werbebranche gemacht. Und frei nach dem Motto "double income, no kids" können die Beiden feiern und auf Reisen gehen, wann immer ihnen danach ist. Sabine wirkt sehr jugendlich. Sind es die Begleitumstände oder einfach die Tatsache, dass sie Lebensfreude versprüht?
Im Grund ist es egal, welchen Weg man eingeschlagen hat - ob mit oder ohne Kind. Es kommt nur auf die Einstellung ein. Das ist es, was viele Frauen noch lernen müssen: Jeden Tag ein bisschen gelassener angehen und Fünf gerade sein lassen. Und: ruhig ein bißchen mehr an die Männer abgeben - sie sind belastbarer als sie tun.