Pflegekind

Was sind die Voraussetzungen, um ein Pflegekind aufzunehmen, welche Hilfe bietet der Staat, wer kann wen zur Pflege nehmen? Auf urbia.de gibt es die Antworten.

Pflegekind – einem Kind ein neues Zuhause geben

Erziehung Teenager
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„Kinder sind das Karussell des Lebens“ – dieses Sprichwort verdeutlicht, welch treibende Kraft Kinder haben: Sie bringen Dynamik, Energie und Freude ins Leben. Wenn der gemeinsame Kinderwunsch trotz jahrelanger Versuche auf natürlichem und künstlichem Weg unerfüllt bleibt, ist neben der Adoption die Möglichkeit ein Pflegekind aufzunehmen eine Alternative, die den Lebenstraum von einer Familie mit Kind doch noch erfüllen kann.

Ein  Adoptionsverfahren kostet viel Zeit und Nerven und führt dennoch nicht immer ans gewünschte Ziel, da nicht alle Wunscheltern die geforderten Kriterien erfüllen. Das Aufnahmeverfahren für ein Pflegekind hingegen ist wesentlich kürzer und unkomplizierter und hat für das Kind gegenüber einer Adoption den Vorteil, dass der Kontakt zur Herkunftsfamilie in der Regel bestehen bleibt. Außerdem bekommen Eltern, die Verantwortung für ein Pflegekind übernehmen, Geld vom Staat zur Unterstützung.

Wie wird ein Kind zum Pflegekind?

Mutter bewundert Kind
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Leider hat nicht jedes Kind das Glück, in einem liebevollen Elternhaus aufzuwachsen. Es gibt Paare oder auch alleinstehende Elternteile, die wegen ihrer eigenen Lebensproblematik schlichtweg überfordert mit der Kindererziehung sind, andere hatten einen schweren Unfall oder können ihr Kind aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr ausreichend versorgen. Im Normalfall ist es für ein Kind das Beste, bei seinen Eltern aufzuwachsen und nicht aus seinem gewohnten Umfeld gerissen zu werden – deshalb bietet das Jugendamt bei solchen Fällen sogenannte familienstützende Maßnahmen an, im Zuge derer Familien Hilfe in Form von Erziehungsberatung, sozialpädagogischer Familienhilfe oder Erziehungsbeistand erhalten. Greift diese Hilfe nicht, weil die Probleme zu tief in der Persönlichkeit der Eltern verwurzelt sind, versucht das Jugendamt die Eltern davon zu überzeugen, dass es besser für das Kind sei, vorübergehend nicht bei der Familie zu leben. Sind die Eltern nicht einverstanden, wird das Familiengericht eingeschaltet: Der Richter oder die Richterin kann nun die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie veranlassen. Es wird geprüft, welche Bedürfnisse das Pflegekind hat: Wieviel Nähe kann es vertragen? Möchte es überhaupt in einer Pflegefamilie leben? Ist die Rückkehr zur Ursprungsfamilie wahrscheinlich? Anhand dieser Kriterien werden passende Bewerber ausgesucht, bei denen das Pflegekind am besten aufgehoben ist. 

Wie kann man ein Pflegekind aufnehmen?

Wenn man sich dafür entscheidet, ein fremdes Kind aufzunehmen, ist die erste Anlaufstelle das Jugendamt. Hier werden Interessierte über die unterschiedlichen Möglichkeiten beraten und darüber aufgeklärt, welche Kinder Pflegeeltern suchen. Die Mitarbeiter informieren umfassend über die Rahmenbedingungen, die für die Aufnahme eines Pflegekindes erfüllt sein sollten und verschaffen Kontakte zu anderen Pflegefamilien, die durch ihre Erfahrungen sehr hilfreich sein können. Eine so tiefgreifende Entscheidung wie die Aufnahme eines Kindes muss immer gründlich überlegt sein und darf nie leichtfertig getroffen werden. Bewerber sollten sich vorher überlegen, welches Kind für sie in Frage kommt: können sie sich den Umgang mit einem Mädchen besser vorstellen als mit einem Jungen? Möchten sie lieber ein  Baby aufnehmen oder einen Jugendlichen, der eventuell ein schwieriges Verhalten mitbringt? Ein Pflegekind gehört dann immer zu zwei Familien und bleibt in der Regel in Kontakt mit seiner Herkunftsfamilie. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass man sich auf eine Kommunikation mit dieser vorbereitet. Wer ein Pflegekind bei sich zu Hause aufnehmen möchte, sollte Folgendes wissen:

  • Das Kind behält, bis auf wenige Ausnahmen, seinen ursprünglichen Familiennamen.
  • Bei einer dauerhaften Unterbringung sollte der Altersunterschied zwischen Pflegeeltern und Pflegekind dem natürlichen Alter von Eltern und Kind entsprechen. Dennoch kann man auch mit 40 Jahren noch Säuglinge und Kleinkinder aufnehmen.
  • Unterhalts- und Erziehungskosten werden vom Jugendamt getragen.
  • Das Pflegekind behält den Kontakt zu den leiblichen Eltern bei – dadurch bleibt es mit seiner Herkunft verbunden.
  • Nicht nur verheiratete Paare, sondern auch Alleinstehende, unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare sind berechtigt, ein Pflegekind aufzunehmen.
  • Vom ersten Infoabend bis zur Aufnahme des Pflegekindes vergehen in der Regel neun Monate.
  • Es gibt die Möglichkeit der Bereitschafts- oder Vollzeitpflege, das heißt das Pflegekind lebt zeitlich befristet oder auf Dauer, das heißt, bis zum 18. Lebensjahr bei der Pflegefamilie.
  • Für die Aufnahme eines Pflegekindes müssen Unterlagen wie Führungs- und Gesundheitszeugnis vorgelegt sowie gesicherte finanzielle Verhältnisse und ein angemessener Wohnraum vorgewiesen werden.
  • Es ist auch möglich, ein Pflegekind mit dem Ziel der Adoption aufzunehmen. Dafür müssen die leiblichen Eltern dem zustimmen. Sind sie dazu nicht bereit, kann das Kind, sobald es volljährig geworden ist, selbst einen Antrag auf Adoption durch die Pflegeeltern stellen.

Finanzielle Rechte und Ansprüche mit einem Pflegekind

Entscheidet man sich dafür, ein Kind bei sich aufzunehmen, übernimmt man gemeinsam mit dem zuständigen Jugendamt die Verantwortung für die Erziehung des Pflegekindes. Dazu gehört auch, dem Kind in materieller Hinsicht das zu geben, was es für eine gute Entwicklung braucht. Das gesetzlich vorgeschriebene Pflegegeld unterstützt Pflegeeltern mit einem monatlichen Pauschalbetrag. Der Betrag ist in drei Stufen nach dem Alter des Pflegekindes gestaffelt und setzt sich aus dem Grundbetrag und dem Erziehungsbeitrag zusammen. Zusätzlich können noch einmalige Zuschüsse hinzukommen, zum Beispiel die  Erstausstattung der Pflegefamilie oder finanzielle Hilfe bei Anlässen wie einer Urlaubsreise. In einigen Fällen werden Pflegefamilien im Familienleistungsausgleich berücksichtigt – in diesen Fällen erhalten sie Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag, der vom Jugendamt anteilig auf das Pflegegeld angerechnet wird. Personen, die ein Pflegekind in Vollzeit betreuen, können mit der Zustimmung ihres Arbeitgebers  Elternzeit in Anspruch nehmen. Nähere Informationen gibt es beim zuständigen Versorgungsamt.

Bei der Entscheidung, ein Kind zur Pflege aufzunehmen, sollte man immer im Hinterkopf behalten: nicht die Eltern suchen das passende Kind, sondern für das Kind werden passende Eltern gefunden.