Wie Kinder das Konsumverhalten ihrer Eltern beeinflussen
Kinder sind kauffreudig, markenbewusst und haben reichlich Geld. Mit ihrer Meinung beeinflussen sie auch Kaufentscheidungen in der Familie. Sie reden nicht nur bei Süßigkeiten sondern auch bei der Wahl des Familienautos mit. Lies, wie Kinder-Marketing funktioniert – und wie Eltern mit dem Konsumdruck durch die Kids umgehen können.
Kinder beeinflussen 60 Prozent der Familienkäufe
Der Klassiker an der Supermarktkasse: Das Kind will Schokolade. Die Mutter nicht. Das Kind schreit. Die Mutter verspricht dem Kind einen leckeren Joghurt und erklärt – wahrscheinlich zum gefühlt 187. Mal –, dass Schokolade überhaupt nicht gesund ist. Das Kind interessiert sich nicht für die Gefahren übermäßigen Zuckerfutterns und brüllt noch lauter. Die Mutter verstummt. Das Kind bekommt seine Schokolade, ist glücklich – und vor allem: endlich still. Kommt dir bekannt vor, nicht wahr?
Die Konsummacht der Kleinen reicht weit
In der Tat haben die lieben Kleinen viele Möglichkeiten, ihre Konsumwünsche durchzusetzen. Und das nicht nur im Supermarkt, wo die beliebte „Quengelware" so schön in Augenhöhe platziert ist. Die Einkaufsentscheidungsmacht unserer Kinder beschränkt sich längst nicht nur auf Süßkram, sondern auch auf Unterhaltungselektronik und Urlaubsreisen. Sogar beim Autokauf reden sie ein Wörtchen mit. Dass den Sprösslingen derartige Mitspracherechte eingeräumt werden, ist für viele Experten eine Folge der größeren Selbstständigkeit der Kinder, aber auch der zunehmenden Schwierigkeiten von Eltern, ihren Kindern Grenzen zu setzen. Häufig werde auch mangelnde Zeit für die Kinder durch materielle Dinge kompensiert.
Wie sehr Kinder ihre Kaufentscheidungen beeinflussen, ist vielen Eltern nicht wirklich klar. Konsumforscher der Universität Wien haben 200 Mütter und Väter mit Kindern im Alter von drei bis 14 Jahren beim Einkaufen im Supermarkt beobachtet – und dabei festgestellt, dass den Erwachsenen nur die Hälfte der durch ihre Kinder ausgelösten Spontankäufe im Supermarkt überhaupt bewusst ist. Wenn du jetzt denkst, das gelte nicht für dich, mach doch einfach einmal den Test: Gehe mit deinen Kindern einkaufen und vergleiche danach, was du ursprünglich kaufen wolltest und was du tatsächlich gekauft hast.
Mit Kindern ändern Menschen ihren Lebensstil
„Kinder beeinflussen Kaufentscheidungen in allen Bereichen des alltäglichen Bedarfs – und darüber hinaus", bestätigt Dr. Vera Fricke, Referentin Verbraucherkompetenz beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. „Und das nicht nur direkt, indem sie ihre Konsumwünsche äußern, sondern auch indirekt: Sobald Kinder da sind, ändert sich in vielen Familien der Lebensstil: Die Eltern kaufen vielleicht mehr Bio-Lebensmittel, sie steigen vom Fahrrad auf das bequemere Auto um, sie gestalten ihre Wohnung kindgerecht und achten bei vielen Produkten mehr auf Sicherheit." Nach Angaben des Statistischen Bundesamts geben Eltern von zwei Kindern etwa ein Drittel ihrer Gesamtaufwendungen für ihren Nachwuchs aus. Laut der Gruner & Jahr Familienanalyse von 2005 sind Kinder an 60 Prozent der Kaufentscheidungen ihrer Familie beteiligt. Besonders gilt dies natürlich für Produkte, an denen sie ein direktes Interesse haben, zum Beispiel Lebensmittel: Welche Frühstücksflocken gekauft werden, bestimmen zu 88 Prozent die Kids, und nicht die Eltern. Wenn es um Schoko-Snacks geht, setzen sie in 92 Prozent aller Fälle ihre Wünsche durch, so eine repräsentative Befragung des Marketingsinstituts iconkids & Youth, das zu dem Schluss kommt: „Gegessen wird nicht, was auf den Tisch kommt, sondern, was die Kinder diktieren". Beim Kauf von Kleidung entscheiden 79 Prozent, was gekauft wird, und auch bei der Einrichtung fürs Kinderzimmer bestimmt die Mehrheit der Jungen und Mädchen selbst, welche Möbel angeschafft werden.
Kleine Experten beim PC- und Autokauf
Bei der Anschaffung von PCs, Tablets, Smartphones und Unterhaltungssoftware übt der Nachwuchs ebenfalls massiven Einfluss aus. Dabei profitieren die Kids von ihrer hohen Nutzerkompetenz – mit den neuesten Technologien und digitalen Gadgets kommen sie oft wesentlich besser klar als ihre Eltern. So mutieren schon Zehnjährige zu kleinen Kaufberatern, denen Vater und Mutter oft wenig entgegensetzen können. Doch genau davor warnt Verbraucherexpertin Vera Fricke: „Die selbstverständliche Nutzung digitaler Medien bedeutet keineswegs, dass Kinder auch über eine hohe Verbraucher- oder gar Medienkompetenz verfügen. Sie lassen sich beispielsweise schnell davon überzeugen, dass jedes Jahr ein neues Gerät her muss. Bei der Anschaffung und Nutzung digitaler Medien sollten Eltern – auch angesichts von Sicherheitsrisiken und Jugendschutzfragen – ein sehr waches Auge haben.“
Kinder werden ins Verkaufsgespräch miteinbezogen
Wer glaubt, dass der Autokauf die letzte Domäne der Erwachsenen ist, irrt. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Puls aus dem vergangenen Jahr ergab, dass 51 Prozent der Eltern beim Autokauf auf ihre zehn- bis 16-jährigen Kinder hören. 37 Prozent davon lassen sich bei der Wahl des Automodells von ihren Sprösslingen reinreden. 28 Prozent lassen sich bei der Ausstattung, insbesondere bei der Unterhaltungselektronik „beraten“; 18 Prozent überlassen dem Nachwuchs die Entscheidung über die Farbe. Kein Wunder, dass Autohäuser ihre Angestellten inzwischen darin schulen, wie sie die Kinder von potenziellen Käufern am besten ins Verkaufsgespräch einbeziehen. Auch die Automobilindustrie fördert das kindliche Interesse am elterlichen Fahrzeug mit kleinen Geschenken. Und wenn Mami die etwas teurere Limousine erwirbt, gibt es das Modell auch schon mal als Bobby Car für die Kleinen dazu. Schließlich kann man die Kinder nicht früh genug auf die Marke einschwören.
Kinder im Visier der Werbung
Statista zufolge bekommen Kinder jährlich etwa rund 1,87 Milliarden Euro Taschengeld sowie 780 Millionen Euro Geldgeschenke und können auf rund 2,3 Milliarden Euro Sparguthaben zurückgreifen. Neben dieser direkten Kaufkraft verfügen sie über eine „Quengelkraft“ von schätzungsweise rund 70 Milliarden Euro. Das macht sie zu einer begehrten Zielgruppe. Unternehmen und Werbewirtschaft setzen bewusst auf die Kurzen, um bei den Eltern Geld locker zu machen. Außerdem werden die Weichen für das spätere Konsumverhalten bereits in der Kindheit gestellt. „Wer mit seinen Produkten Erfolg haben will, muss die Kids für sich gewinnen, und zwar möglichst früh“, erklärt Brigitte Melzer-Lena, Geschäftsführerin von iconkids & youth.
Kinder sind empfänglich für Werbebotschaft
Das gelingt vielen Unternehmen spielend. Denn Kinder sind äußerst empfänglich für Werbebotschaften – je jünger, desto mehr. Wenn die Werbung für Kinder witzig und altersgerecht daherkommt, nehmen unsere Sprösslinge ihre Versprechen willig auf und sind bereits als Kleinkinder ausgesprochen markenorientiert. Schon Dreijährigen sind die Logos von VW, McDonalds oder Milka vertraut; Zwölf- bis 18-Jährige kennen mehr als 130 Modemarken, so die Studie Bravo Faktor Jugend.
Auch dass die Wunschlisten von Kindern immer länger werden, je häufiger sie mit Werbung konfrontiert werden, wundert nicht. Nach einer Information der Bundesregierung fragen 83 Prozent der Zwölf- und 13-Jährigen ihre Eltern nach Produkten, die sie vorher in der Werbung gesehen haben. 71 Prozent sagen, sie würden auch weiter nachhaken, wenn Vater und Mutter diese nicht kaufen wollen.
Wie Eltern den Konsumwünschen Stand halten
Um ihre Konsumwünsche durchzusetzen, sind Kindern alle Mittel recht: Die Kleinen setzen auf permanentes Wiederholen ihrer Wünsche bis hin zu penetrantem Betteln und nervenzerreißendem Gebrüll oder drohen gar mit ewigem Hass. Mit zunehmendem Alter werden die Strategien ausgefuchster: Da wird argumentiert, geschmeichelt, geschmollt („Alle bekommen das, nur ich nicht… ) und gefeilscht („… dann räume ich auch mein Zimmer auf“).
Den kindlichen Quengeleien und Erpressungen Stand zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Hilfreich ist es, eine Einkaufsliste zu schreiben, um nicht doch Dinge in den Korb zu packen, die du eigentlich gar nicht willst. Und es ist auch völlig ok, wenn du deinen Sprösslingen Frustrationen zumutest und das Überraschungsei, die überzuckerten Cerealien oder das Spielzeugauto im Geschäft lässt. Ein ruhiges, klares und dennoch freundliches Nein wird von Kindern im Allgemeinen gut akzeptiert. Natürlich dürfen sie ihre Frustration äußern, lernen aber, dass diese vorübergeht und sie kurze Zeit später wieder guter Dinge sein können, auch wenn Mama oder Papa das begehrte Objekt nicht gekauft haben.
Mit kleinen Verhandlungsgenies kannst du dich auch auf Geschäfte einlassen à la: Überleg dir etwas, was du dir wirklich wünschst und das bekommst du, aber dafür gibt es keine Extras beim Einkaufen. Vielleicht würde sich dein Kind über etwas Immaterielles, einen gemeinsamen Ausflug sogar viel mehr freuen.
Das eigene Konsumverhalten hinterfragen
„Wenn Ihre Kinder alt genug sind, fahren Sie langfristig besser, wenn Sie Ihnen helfen, die von der Werbung beeinflussten Wünsche von den eigenen zu unterscheiden“, rät Verbraucherexpertin Vera Fricke. „Dafür ist es wichtig, dass Eltern wissen, was ihre Kinder machen und wofür sie sich interessieren. Welche Zeitschriften sie lesen, welche Stars sie toll finden und welche Webseiten cool. Sehen Sie sich gemeinsam Werbung an und fragen Sie Ihre Kinder, warum sie manche Spots oder Anzeigen gut finden. Hinterfragen Sie, was wohl wirklich hinter den Versprechungen steckt – und vor allem auch Ihr eigenes Konsumverhalten.“
„Kauf dieses Produkt und du wirst mit einem tollen Genuss belohnt“ – das ist die Grundaussage jeder Werbung. Und wir alle fallen darauf herein. Wir kaufen uns Schuhe, um uns schöner und sicherer zu fühlen. Oder ein Auto, um zu zeigen, dass wir erfolgreich sind. Und manchmal versuchen wir, unsere Kinder mit ganz ähnlichen Botschaften zu manipulieren: „Wenn du x machst, dann bekommst du ein Geschenk“ – mit solchen Aussagen versprechen wir eine Belohnung für erwünschtes Verhalten. Genau wie die Werbung. Auch das sollten wir uns bewusst machen.