Jugendliche Väter
Über sehr junge Mütter wird öffentlich gesprochen, geschrieben und geforscht, die dazugehörigen Väter werden oft nur am Rande erwähnt. urbia sprach mit dem Pädagogen, Therapeuten und Sozialarbeiter Theo Brocks über jugendliche Väter.
Sehr junge Väter haben einen schlechten Ruf
Was denkst du, wenn du von einem Teenie-Vater hörst? „Nicht aufgepasst?“ zum Beispiel? Damit bist du nicht alleine. Jugendliche Väter in Deutschland wecken selten positive Assoziationen. Falls überhaupt über sie gesprochen wird. Denn meist sind es die jungen Mütter, die zum Beispiel von Beratungsstellen in den Blick genommen werden. Theo Brocks, selbst dreifacher Vater und Mitglied im Verein "Väter in Köln e.V.", begleitete unter anderem das Projekt „juPa.pa – Junge Papas packen es" als Ansprechpartner für junge Väter. urbia sprach mit ihm über die öffentliche Wahrnehmung, die Verantworung und die Bedürfnisse jugendlicher Väter.
Auch ein jugendlicher Vater ist wichtig für das Kind
Wie verhalten sich junge Männer, wenn ihre Partnerin schwanger ist?
Brocks: Die einen sind sehr unsicher, entscheiden sich aber direkt für das Kind und beschäftigen sich mit der Frage: Schaff ich das, eine Familie zu ernähren? Und es gibt auf der anderen Seite jugendliche Väter, die das alles vehement ablehnen.
Neun von 1000 werdenden Müttern sind im Teenie-Alter, was wissen wir über die dazugehörigen Väter?
Wenn man im Internet nach den Stichworten „junge Väter“ sucht, kommen 4 Treffer, bei „junge Mütter“ 10.000. Das zeigt, dass das Thema in der Öffentlichkeit nicht existiert und jugendliche Väter keine Lobby haben.
Welche Rolle spielen jugendliche Väter in der Schwangeren- und Familienberatung?
Das fand ich interessant, es gibt Kollegen in der Schwangerenberatung, die sagen, dass sich jugendliche Väter manchmal viel offensiver und klarer für ein Kind entscheiden können als Väter zwischen 35 und 45. Da sind sehr junge Väter manchmal sogar mutiger. Und noch etwas wissen wir: Wenn ein Vater bei der Geburt dabei war und es die beiden schaffen, in einer eigenen Familie oder familienähnlichen Verhältnissen miteinander zu leben, ist die Chance, dass der Vater den Kontakt zum Kind behält, größer. Wo es gelingt, diese ganz jungen Väter frühzeitig in die Schwangerschaft und die Erziehung des Kindes miteinzubeziehen, da gelingt auch Vaterschaft besser.
Warum spricht keiner über jugendliche Väter?
Für ein minderjähriges, unverheiratetes Mädchen galt es früher als Schande, schwanger zu sein, sie war sozusagen rechtlos. Sie bekam einen Amtsvormund, das Kind konnte ihr weggenommen werden und kam in ein Heim oder wurde zur Adoption freigegeben. Es erschien logisch, diese Mütter im Laufe der Zeit gesetzlich stärker in Schutz zu nehmen, was zurecht sogar Verfassungsgrundsatz geworden ist. Bei jungen Vätern assoziert man nach wie vor: Der hat nicht aufgepasst, ist selber Schuld, wie will der das denn schaffen, das ist ein sozialer Abstieg. Es gibt also in unserer Gesellschaft eine gewisse Stigmatisierung dieser jungen Männer. Daher hat man auch keine Wege entwickelt, diese Zielgruppe anzusprechen und zu erreichen.
Was könnte man in der Ansprache verbessern?
Junge Väter brauchen frühzeitig die Information, dass und wie man heute ein gemeinsames Sorgerecht beantragen kann und sie brauchen in der Sexualpädagogik, jenseits von Verhütungsthemen, viel mehr Informationen darüber, was ist, wenn ich Vater/Mutter werden möchte oder wenn Verhütungsmittel auch einmal versagen, denn auch das kann ja immer passieren. Welche Lebensentwürfe gibt es eigentlich? Was sind für mich Vorbilder? Könnte ich mir das alles auch anders vorstellen?
Wie wichtig ist der jugendliche Vater für das Kind?
Genauso elementar wichtig wie alle anderen Väter, denn Kinder haben ein Bedürfnis nach einer Beziehung zum Vater. Die Ressource Vater muss auch in die Schwangerenberatung viel mehr einbezogen werden, denn – das zeigt die Bindungsforschung - auch der jugendliche Vater ist für das Kind wichtig und eine Bereicherung, auch wenn er nicht mit der Mutter zusammenlebt.
Den jungen Vätern auch etwas zutrauen
Welche Reaktion raten Sie Eltern, die erfahren, dass ihr Sohn im jugendlichen Alter Vater wird?
Sie sollten alle gemeinsam hinschauen, welche Möglichkeiten und Ressourcen haben wir in unserer Familie, wie können wir das schaffen? Und sie sollten den werdenden Eltern auch etwas zutrauen. Nicht zuletzt würde ich auch empfehlen, dass alle gemeinsam z.B. eine Beratungsstelle zur Schwangerschafts(konflikt)beratung aufsuchen.
Welche Rolle spielen die jungen Männer für die Entscheidung der Mutter für oder gegen ein Kind?
Es gibt einen Impuls: Ich schaffe das auch ohne den Vater, aber es gibt immer öfter auch die Beobachtung, dass es für die jungen Frauen sehr wichtig ist, wie der Vater dazu steht. Davon hängt viel ab, ob man sich freut und positiv dazu steht. Das zeigt, dass das Bewusstsein stärker geworden ist, auch den Vater einzubinden und sich gemeinsam zu freuen.
Was brauchen jugendliche Väter?
Zunächst einmal gelten für Unter-18-Jährige auch noch die Kinderrechte, die ihnen besonderen Schutz gewähren und in denen auch steht, dass ein Kind das Recht auf Mutter und Vater hat – ganz gleich wie alt diese sind. Jugendliche Väter werden als „Looser" abgestempelt, können aber ein unglaubliches Entwicklungspotenzial entfalten, wenn man sie in ihrer Rolle und ihrer Verantwortung ernst nimmt. Es tut ihnen sehr gut, einen männlichen, erfahrenen Ansprechpartner zu haben, der sie berät und auch einmal praktische Dinge einübt, der schon einmal das Kommende mit ihm durchspielt, ihm dabei hilft, sich auf das Kind vorzubereiten. Mehr Männer in den Schwangerschaftsberatungsstellen würden jugendlichen Vätern da auch sehr helfen.
Werden junge werdende Väter manchmal von ihren Partnerinnen ausgegrenzt?
Junge Schwangere müssen sich klar machen, egal wie sie sich letztendlich entscheiden, es ist wichtig, den potenziellen Vater mit einzubeziehen. Denn nur dann können sich junge Männer auch beteiligen und nur dann gelingt es, z.B. einen Schwangerschaftskonflikt für beide befriedigend zu lösen.
„Die machen sich eh aus dem Staub. Jugendliche Väter – unverantwortlich oder ausgegrenzt" war der Titel einer Tagung, zu der der Verein „Väter in Köln" am 12. Juni 2015 eingeladen hat. Interessierte, die mit Jugendlichen zusammenarbeiten, konnten sich dort u.a. über das Projekt „Junge Papas packen es" informieren.