Junge Mütter: Wenn Teenager schwanger werden
Die Zahl der Schwangerschaften von Teenagern wirft immer wieder Fragen auf: Warum werden manche 15-Jährige bereits Mütter, können Mädchen überhaupt reif sein für ein Kind und auf welche Hilfen können junge Mütter zurückgreifen?
Junge Mutter: die Statistik
Frauen in Deutschland entscheiden sich immer später dafür, Mutter zu werden. Bei 29 Jahren liegt das Durchschnittsalter von Erstgebärenden inzwischen. Doch zugleich gibt es auch die andere Tendenz: Ganz junge Mütter. Seit 2002 sinkt die Schwangerschaftsrate unter Jugendlichen zwar kontinuierlich, aber da es zwischen Jugendschwangerschaften und sozialer Benachteiligung einen Zusammenhang gibt, könnten die Zahlen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch wieder steigen. 2001 wurden 9,1 von 1.000 Frauen zwischen 15 und 17 Jahren schwanger, 2006 waren es nach einer Untersuchung von pro familia noch 7,3. Von diesen etwa sieben Mädchen entscheiden sich drei für das Kind, während vier bis fünf einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Vergleicht man die Zahlen aus Deutschland mit anderen Ländern, sind diese hierzulande mit am niedrigsten. Trotzdem waren es in konkreten Zahlen 2008 5.613 Mädchen unter 18 Jahren, die ein Baby bekamen. Davon waren 674 Mädchen unter 15, die – selbst noch fast ein Kind – Mutter wurden. Im Jahr 2013 bekamen laut Statistischem Bundesamt 265 Frauen mit 15 Jahren ein Kind, von den 18-jährigen Frauen bekamen 3394 ihr erstes Baby. Von den Mädchen unter 15 Jahren haben 46 ein Kind geboren.
Grund genug für Experten, sich Gedanken über die Hintergründe dieser Zahlen zu machen. Warum werden so junge Mädchen schwanger? Stimmt etwas nicht mit der Aufklärung in Elternhaus und Schule? Stolpern die Mädchen unvorbereitet in ihre ersten sexuellen Erfahrungen? Haben sie keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, verlassen sie sich zu sehr auf das so genannte "Aufpassen"? Oder wollen sie etwa bereits in diesem Alter schwanger werden und, wenn ja, wie kann der Wunsch nach einem Baby bereits in diesem Alter entstehen?
Jung schwanger: Das 'erste Mal' ohne Verhütung?
Eine Antwort, die in diesem Zusammenhang häufig zu hören ist, lautet: Mädchen kommen heute früher in die Pubertät, die meisten bekommen schon mit zwölf, einige sogar mit elf oder zehn Jahren ihre erste Menstruation. Gleichzeitig wird vermutet, dass mit dieser Vorverlagerung auch ein früheres Einsetzen erster sexueller Erfahrungen einher geht. Dies ist jedoch nicht unbedingt der Fall. So schreiben zum Beispiel die Pädagogin Jutta Franz und die Professorin für Familienplanung Ulrike Busch: "Am durchschnittlichen Einstiegsalter hat sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Es liegt in etwa bei 17 Jahren."
Es gäbe aber eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die schon sehr früh sexuelle Erfahrungen macht, und hier kann es durch ein frühes Einsetzen der Pubertät natürlich vermehrt zu Schwangerschaften kommen.
Bei der Verhütung sind deutsche Jugendliche im internationalen Vergleich eher verantwortungsbewusst. Nach der Studie Jugendsexualität der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2015) sprechen immerhin 90 Prozent der 14- bis 17-jährigen sexuell aktiven Jugendlichen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin über Verhütung. Der Anteil derer, die beim "ersten Mal" nicht verhüten, liegt bei Mädchen bei acht und bei Jungen bei sechs Prozent.
Frühere sexuelle Reife trifft auf mangelhaftes Wissen
Beraterinnen fällt bei Jugendlichen immer wieder ein Mangel an grundlegendem Wissen über die Zusammenhänge von Fruchtbarkeit, körperlicher Entwicklung und Sexualität auf. Eine Forschergruppe des Robert-Koch-Instituts fand im Rahmen einer Studie mit 1911 Schülerinnen und Schülern heraus, dass Teenager ihr Wissen über diese Bereiche im Allgemeinen als viel höher einschätzen als es in Wahrheit ist. Sie hantierten zwar souverän mit Begriffen wie "Dildo", "Dreier" oder "Domina", zeigten aber einen deutlichen Informationsmangel beim Thema "Verhütung". So beantworteten zum Beispiel die Hälfte der befragten Sechstklässlerinnen die Frage "Ab wann kann ich schwanger werden?" falsch.
Weiteres Ergebnis der Studie war, dass sich dieser Wissensmangel recht leicht beheben lässt – zum Beispiel durch regelmäßige Ärztinnen-Informationsstunden, die von der "Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau" regelmäßig in manchen Schulen angeboten werden. Die Forscher des Robert-Koch-Instituts fanden heraus, dass die Mädchen der sechsten Klassen nach diesen Informationsstunden ihr Wissen über Sexualität und Verhütung um 84 Prozent verbessert hatten.
Junge Mütter: Woher kommt der Kinderwunsch?
Neben früheren sexuellen Erfahrungen und mangelhaftem Wissen oder unzureichender Verhütung wird in letzter Zeit häufig auf eine weitere wichtige Ursache früher Schwangerschaften hingewiesen: Der unbewusste oder bewusste Wunsch nach einem Baby, um dadurch eigene Lebensprobleme wettzumachen. Dies komme besonders häufig bei Mädchen mit geringen Berufs- und Lebensperspektiven vor. Eine Schwangerschaft könne manchmal vermeintlich gesellschaftliche Anerkennung und Selbstachtung verschaffen und Mädchen davor bewahren, "sich mit ihrer eigenen Chancenlosigkeit oder dem eigenen Scheitern konfrontieren zu müssen", so Jutta Franz und Prof. Ulrike Busch.
Kommen schwangere Teenager aus zerrütteten Familien, kann eine Schwangerschaft manchmal die Funktion haben, "eine heile Welt und damit Kompensation zu schaffen für empfundenen Mangel an Fürsorge, Zuwendung und Liebe im eigenen Elternhaus", so die Autorinnen weiter. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, kann also auch durch die Sehnsucht nach einer festen verlässlichen Bindung, wie man sie selbst nicht erfahren hat, genährt sein. Auch in finanzieller Hinsicht kann eine Schwangerschaft von Mädchen als Ausweg aus einer Notlage empfunden werden. Die elternunabhängigen staatlichen finanziellen Hilfen für Schwangere und Mütter kleiner Kinder können Mädchen als willkommener Ausweg aus einer unerträglichen familiären Situation oder aus finanzieller Not erscheinen.
Junge Mütter: Einsam & total überfordert?
Wenn Teenager sich für das Austragen einer Schwangerschaft entscheiden, stehen sie vor einer Reihe ganz besonderer Herausforderungen. Zunächst einmal befinden sie sich in einer Lebensphase, die von der Suche nach der eigenen Identität und von der allmählichen Ablösung vom Elternhaus geprägt ist. Ein Baby zu bekommen bedeutet jedoch, gleichzeitig genau das Gegenteil zu erleben und auszuhalten: eine ganz enge, ja sogar symbiotische Bindung (mit dem Baby), bei der nicht man selbst, sondern das Baby und dessen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.
Konkret kann dies bedeuten, dass die Ablösung vom Elternhaus zunächst erschwert wird, weil die Mutter oder (seltener) der Vater zur Bewältigung des Alltags mit Kind gebraucht werden. Während die Phase der Ablösung vom Elternhaus außerdem eine stärkere Hinwendung zu Gleichaltrigen mit sich bringt, kann die Verpflichtung ein Baby zu versorgen, den Anschluss an die Clique enorm erschweren: also Windeln wechseln, während Freundinnen sich unbeschwert in der Disko amüsieren. Auch das Erproben von Liebe und Partnerschaft erhält mit Baby plötzlich einen Ernst, der dieser Alterstufe eigentlich noch nicht angemessen ist. Der vielleicht erste Freund wird Vater eines Kindes und ist möglicherweise von dieser Aufgabe noch überfordert. So kann es durch die große Verantwortung zu Konflikten und einem schnellen Zerbrechen der Beziehung kommen, weil sie einer solchen Belastung noch nicht gewachsen ist.
Das Projekt Babybedenkzeit
Da Teenager, die sich bewusst oder unbewusst ein Baby wünschen, oft allzu romantische Vorstellungen vom Leben mit Kind haben, wurde das Projekt "Babybedenkzeit" erfunden. Es ermöglicht Jugendlichen, mit einem lebensechten Babysimulator vier Tage lang zu erleben, was es heißt, rund um die Uhr für ein Baby dazusein. Ziel des Projekts ist nicht, die Elternschaft in ein schlechtes Licht zu rücken und Jugendliche ein für allemal abzuschrecken, sondern ihnen zu helfen, eine möglichst realistische Vorstellung vom Leben mit Kind zu erlangen – noch bevor sie sich für ein Baby entscheiden. "Die meisten SchülerInnen erleben die Zeit mit dem Babysimulator als anstrengend, sie fühlen sich überfordert, in ihrer Freizeit eingeschränkt und in der Nacht vom Geschrei des Babys gestört", berichtet Iris Schöning, Leiterin des Projekts "Babybedenkzeit" in Bremen. Einige Teilnehmer des Projekts gaben den Babysimulator sogar bereits früher ab, weil sie bereits nach zwei Tagen an ihre Grenzen stießen. Andere beschlossen, mit dem Schwangerwerden lieber zu warten bis sie alt genug dazu sind.
Junge Mütter: Hilfe, Zuschüsse, finanzielle Unterstützung
Alle, auch jugendliche Schwangere, haben das Recht auf umfangreiche Beratung zu allen Fragen, die im weitesten Sinne mit der Schwangerschaft und der Geburt eines Kindes zusammenhängen. Zugleich haben sie das Recht auf Vertraulichkeit: Das bedeutet, dass nichts, was im Beratungsgespräch Thema war, ohne den Wunsch der Schwangeren anderen Personen – zum Beispiel ihren Eltern – mitgeteilt werden darf. Auch im Bezug auf das Austragen oder den Abbruch einer Schwangerschaft darf eine Minderjährige zu nichts gezwungen werden. Allerdings kann es sein, dass Ärzte – je nach Alter der Schwangeren – für eine Abtreibung die Zustimmung der Eltern oder des Vormundschaftsgerichts verlangen.
Jugendliche Schwangere haben Anspruch auf zahlreiche Hilfen, unter anderem auf Kindergeld, Erziehungsgeld, Hilfe zum Lebensunterhalt, das Leben in einem Mutter-Kind-Heim, Beihilfe zur Erstlingsausstattung, Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten und Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss. Um diese Hilfen kennenzulernen und zu beantragen, empfiehlt es sich, eine Beratungsstelle aufzusuchen, die umfassend informiert und bei den Anträgen hilft. Schwangere sollten jedoch darauf achten, dass es sich um eine staatlich anerkannte Beratungsstelle handelt.
Dazu zählen alle donum vitae-Beratungsstellen sowie Beratungsstellen in kommunaler, kirchlicher oder anderer Trägerschaft wie z.B. Pro Familia-Beratungsstellen und die Caritas.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet eine Übersicht über Hilfsangebote und viele Tipps.
Eine Beratungsstelle in ihrer Nähe findest du hier.