Bildschirmmedien: oft besser als ihr Ruf

Wie Kinder von Fernseher, Tablet und PC profitieren

Spielkonsolen, Fernseher, Tablets und Smartphones haben bei manchen Eltern ein Image-Problem. Teils zu Recht, doch richtig verwendet können sie Wissen, Werte und soziale Fähigkeiten vermitteln.

Autor: Gabriele Möller

Neue Medien: Weder vollkommen gut, noch rundum schlecht

Medien Kinder profitieren Teaser
Foto: © colourbox

Neue Medien machen Kinder dick, dumm, einsam und süchtig, warnen manche Fachleute unermüdlich. Andere verklären Bildschirmmedien einseitig und sehen darin die Heilsbringer für unsere Kinder. Wie so oft, liegt die Wahrheit in der Mitte: Bildschirm-Medien können auf Kinder und Jugendliche auch positive Wirkungen haben. Schon Vorschulkinder erweitern nachweislich ihren Wortschatz und erwerben Weltwissen, ältere Kinder oder Teens trainieren soziale und emotionale Fähigkeiten und lernen sogar Werte. Doch damit das wirklich klappt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.

Mediennutzung bei Kindern ab drei Jahren: Wortschatz und Verstehen

Es gibt TV-Sendungen, die kleinen Kindern helfen, ihr Sprechvermögen und Verstehen zu verbessern. Klingt toll, geht aber nicht von selbst. In einer US-Studie wurden Eltern angeleitet, Pausen beim Schauen der Sendung einzulegen, Fragen zu stellen und ihr Kind wiedergeben zu lassen, was es verstanden hatte. Die Kinder dieser Studie der Vanderbilt Universität (Nashville) zeigten nach vier Wochen eine deutliche Vergrößerung ihres Wortschatzes und auch des Verstehens. Kinder dagegen, die allein fernsahen, nahmen die neuen Wörter und das Wissen aus den Sendungen nicht auf. Eine weitere US-Studie ergab, dass ein gut gemachtes Kinderprogramm Lernprozesse fördern und das Kurzzeitgedächtnis von Drei-bis Fünfjährigen trainieren kann.

Nur eine gute Sendung hat eine gute Wirkung

Damit es solche guten Effekte gibt, muss die Sendung aber auch zum Kind passen. Wenn kleine Kinder fernsehen, pickt sich ihr Gehirn nur das heraus, was irgendwie interessant wirkt, oder was sie aus ihrer Alltagswelt wiedererkennen. Sie können noch keiner Geschichte folgen, für sie reiht sich eine Einzelheit an die andere. Gute Sendungen für die Kleinsten berücksichtigen dies: Es gibt kurze Episoden, und viele Elemente, die das Kind aus seinem Alltag kennt. Der Wortschatz ist schlicht, es wird langsam erzählt und es gibt wenige Bildschnitte (Sesamstraße, Die Sendung mit dem Elefanten, Trotro, KiKaninchen).

Auch an Computer und Tablet gilt: nur gemeinsam hat man etwas davon

Was Computerspiele angeht, wurde ein direkter Nutzen für die Kleinsten zwar noch nicht untersucht. Fachleute gehen aber davon aus, dass gute und altersgerechte Games das Sozialverhalten fördern, wenn das Kind zusammen mit anderen Kindern die Aufgaben im Spiel gemeinsam löst. Daher haben auch schon viele Kindergärten PCs mit Spielen für die Jüngsten. Auf Tastendruck erscheinen hier zum Beispiel zwitschernde Vögel, es schwimmen Schiffe oder Fische ins Bild, Obstsorten können gesammelt und erste Erfahrungen mit Zahlen gemacht werden (z.B. www.onlinespielefuerkleinkinder.com).

Keine Bildschirmmedien für die Kleinsten: Sie profitieren noch nicht!

Auch von gut gemachten Kinderprogrammen (und Games) profitieren Kinder aber frühestens ab drei Jahren, wie eine US-amerikanische Studie der Wake-Forest-Universität jüngst ergab. Und auch die haben nur etwas davon, wenn sie nicht länger als 30 Minuten täglich an den Bildschirm dürfen. Sonst kann das Gesehene nicht verarbeitet werden, was überfordert und unruhig macht.

Medien im Vorschulalter: Kreativität, Fantasie und Lernen

Kinder von etwa fünf Jahren erkennen bereits den roten Faden in einer TV-Sendung oder einem Film. Die Sachgeschichten der Sendung mit der Maus, die Alltagsabenteuer der Kleinen Prinzessin oder des Kleinen Roten Traktors, die Streiche des Affen Kleiner Dodo, von Fee Holly und Elfe Ben (Ben & Hollys kleines Königreich) oder von Nelly & César werden recht gut verstanden. Hier erfahren Kinder, wie Dinge funktionieren, aber auch, wie wichtig Freundschaft, Toleranz und Kompromisse sind, und dass man Probleme gemeinsam besser lösen kann als allein. Auch gute Computerspiele greifen dies auf, wie zum Beispiel die prämierte App Squirrel & Bär, bei der Eichhörnchen und Bär zusammenarbeiten müssen, um die Honigbienen zu retten.

Entgegen der Befürchtung vieler Eltern ist wohldosiertes Fernsehen durchaus gut für die Fantasie. "Fernsehen kann, wenn es denn die Themen, Erfahrungswelt und Aneignungsmuster der Kinder trifft, durchaus Fantasieräume öffnen. Fernsehen kann Kindern helfen, sich zu verstehen und sich die Welt aktiv anzueignen", sagt eine Studie des Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) unter Leitung von Dr. phil. Maya Götz. Dies gelte aber nur bei maßvollem Konsum, sonst schlage die fantasieanregende Wirkung ins Gegenteil um.

Vom Zuschauen zum Selbermachen

Über das passive Schauen kann auch der Wunsch nach aktivem Selbermachen angeregt werden. Das schaffen Sendungen, die einfache Mal- und Bastelanleitungen zeigen (z. B. Ene Mene Bu, Sendung mit dem Elefanten, toggo Finger Tips), auch hier ist aber Elternbegleitung und -hilfe nötig. Kreativ können aber auch altersgerechte Computerspiele sein: Den deutschen Kindersoftwäre-Preis "Tommi" erhielten zum Beispiel die Apps Oink Oink - Mein verrückter Bauernhof (Ravensburger Digital), bei dem Tiere trickreich eingezäunt werden müssen, oder Meine kleine Welt - Werkstatt (Oetinger), wo die Jüngsten Autos dekorieren und umbauen können. Und auch das Malen am Computer kann das Papier reizvoll ergänzen (z. B. Plopp - Das coole 3D-Malprogramm von Terzio).

Auch erste Buchstaben und Zahlen als Vorbereitung zur Einschulung lernen Kinder natürlich auch ohne elektronische Medien. Aber mit Computerspielen ist das manchmal spannender, wie etwa bei dem PC-Spiel LolliPop und die Schlaumäuse, wo Laute und Buchstaben unterschieden oder Worträtsel gelöst werden. Oder mit dem PC-Spiel JANOSCH - Meine große Vorschulbox, wo das Kind Buchstaben, Reime und Gegensatzpaare sowie erste englische Wörter kennenlernt.

Schulkind: Kommunikation und Weltwissen

Überhaupt sind Computerspiele oft besser als ihr Ruf: Hier können ältere Kinder nach Ansicht des Medienpädagogen Roland Rosenstock sogar Sozialkompetenzen und Regeln erlernen. "Regeln für eine Kultur sind Kindern immer über Spiele vermittelt worden", erklärte der Professor aus Greifswald auf einer Fachtagung. Computerspiele seien dabei genauso geeignet wie Brettspiele oder Fußball, denn die Sprachkontrolle in den Spielen sei hoch und es gebe einen Verhaltenskodex (wenn mehrere Spieler sich vernetzen).

Soziale Fähigkeiten können Kinder nach Ansicht von Fachleuten aber auch durch die Spiele selbst lernen - wenn die Helden konfliktlösendes und helfendes Verhalten zeigen. So hat beim Dauerbrenner Die Sims jede Entscheidung Folgen für die Gruppe oder Familie, und auch beim populären Minecraft ist erfolgreicher, wer mit Anderen kooperiert. Den Kindersoftwäre-Preis Tommi gewann das Spiel Dream Hills, in dem eine tapfere Fee ihr Land aus den Klauen einer hinterlistigen Hexe befreit. Prämiert wurde auch das Spiel Child of Light, bei dem der junge Spieler in die Rolle von Kind Aurora schlüpft, das Sonne, Mond und Sterne retten muss, die von einer dunklen Königin gefangen wurden.

Schwierige Nüsse knacken - fast wie in der Schule, nur spannender - das trainieren Kinder beim PC-Spiel Pass auf - in Tulilas Zauberschloss (Reihe Fragenbär), wo auf Kinder ab 6 Jahren viele Aufgaben warten, damit sie am Schluss zum Elfenschatz gelangen.

Einblicke in fremde Lebenswelten

Auch in Sachen Fernsehen eignen sich ab dem Grundschulalter bereits komplexere Sendungen. Wissen über Technik, Ernährung, Gesundheit, Polizei und Feuerwehr, Umweltschutz, Tierwelt usw. vermitteln Serien wie Willi will's wissen oder Löwenzahn, die zu Recht Kultstatus haben. Dass man mit Klugheit mehr erreicht als mit Körperkraft oder Gewalt vermitteln Formate wie Wickie oder Yakari.

Kinder profitieren jetzt auch von Dokus, in denen gezeigt wird, wie Zootiere in ihrer natürlichen Umgebung leben, oder wie der Alltag von Kindern in anderen Erdteilen aussieht (z. B. DVDs Eine Hoffnung für Straßenkinder in Kinshasa, oder Auf dem Weg zur Schule). Filme können Kinder sogar zum Lesen animieren, sagen Experten, vor allem wenn sie auf Büchern basieren (Harry Potter, Fünf Freunde).

Teens: sich selbst, die Politik und die Umwelt verstehen

Teenager möchten sich ausprobieren, und das geht am besten beim Sport, Musikmachen oder Unternehmungen mit Freunden. Doch manchmal ist es auch reizvoll, in der virtuellen Welt Dinge zu probieren, die man sonst nicht gefahrlos tun könnte - und das bieten die "Avatare" der Games. Bestes Jugendspiel wurde das Umwelt-Game A new Beginning um den Sohn eines Wissenschaftlers, der von einer Besucherin aus der Zukunft von einer drohenden Klimakatastrophe erfährt und sie verhindern muss. Preisgekrönt ist auch das Spiel Wildlife Park, bei dem spannende Aufträge den Tierpark-Manager zu Abenteuern auf der ganzen Welt bringen, ein Mix aus Tier-Animation, Wirtschafts-Management und Strategie. Den Deutschen Computerspielpreis gewann das Spiel The Inner World. Ein verträumter Held muss Rätsel lösen und Verbündete suchen, um das Geheimnis um das Verschwinden des Windes zu lüften, das seine Welt bedroht. Ebenfalls preisgekrönt: Tiny & Big - Grandfather's Leftovers, ein Jump-&-Run-Spiel mit Physik-Rätseln und vielen technischen Finessen.

Diskutieren, Formulieren, Toleranz üben

Doch die virtuelle Welt kann auch sehr real sein: Seine Meinung finden und sie sagen, aber auch peinliche Fragen stellen dürfen, ohne dafür ausgelacht oder ausgegrenzt zu werden - das bieten Blogs oder Message Boards für Jugendliche. Hier wird über alles heiß diskutiert, was Teens beschäftigt, egal ob es um Liebe, Politik, Umweltschutz, Musik oder angesagte Stars geht. Hier kann man sich mit gegensätzlichen Ansichten auseinandersetzen und im besten Fall auch Toleranz einüben. Und selbst wenn Eltern sich das mit Blick auf die Chat-Kürzel oder den unverständlichen Netzjargon schwer vorstellen können - ganz nebenbei verbessern sich nachweislich Wortschatz und Ausdruck der Teens!

Gelernt wird vor allem in der Familie

Auch wenn Bildschirmmedien gute Effekte haben können - sie können das Lernen in der wirklichen Welt nur ergänzen. "Kinder lernen primär von den Eltern, auch in Bezug auf das Fernsehen", betont Dipl.-Psychologe Maximilian Rieländer in einem Vortragsskript. "Das Fernsehen kann Lernprozesse eines Kindes in der Familie unterstützen und verstärken, sowohl in positiver wie in negativer Richtung", betont der Psychologische Psychotherapeut aus Rietberg. Ähnliches gilt auch für Computerspiele und Apps. Nur also, wenn der Medienkonsum von den Eltern begleitet und gesteuert wird, die Atmosphäre in der Familie stimmt und man miteinander im Gespräch bleibt, dann können Bildschirmmedien nützen - indem sie den bereits vorhandenen guten Einfluss verstärken.