Eiförmige Silberklumpen und andere Orakel
Was wird uns dieses Jahr wohl bringen? Felicitas Römer denkt über die Aussagekraft des unförmigen Gebildes nach, das beim Bleigießen entstanden ist und macht sich mit den überraschenden Vorhersagen ihres Jahreshoroskops vertraut.
Was die Sterne mir und meinen Lieben für 2009 so alles versprechen
Alljährlich unvermeidlich: Das Blei-Ei
Schon wieder ein Jahr vergangen. Nachdem ich am frühen Sylvester-Abend kurzfristig einer melancholischen Stimmung zum Opfer fiel und überlegte, mich mit einer Wärmflasche in mein Bett und vor die Glotze zu verkriechen, stieg ich dann doch in mein kleines Schwarzes, um mit meiner Großfamilie bei lieben Freunden einzufallen. Nach leckerem Essen, ein paar Gläschen Sekt, etlichen Böllern und Knallfröschen kam dann schließlich das Unvermeidliche: das alljährliche Bleigießen.
Im Bleigießen bin ich eine Niete. Ich gieße nämlich seit Jahrzehnten immer dasselbe, nämlich Eier. Egal, von welcher Seite, mit welchem Schwung und aus welchem Handgelenkswinkel ich mein Flüssig-Metall vom Löffel ins Wasser schwuppen lasse: Jedes Mal formiert sich ein ovaler Silber-Klumpen. Manchmal hängt noch ein fisseliges Strähnchen dran, so dass man ihn mit viel Fantasie für einen Vogel halten könnte – vorausgesetzt, ich drehe das Ding leicht angeschrägt über Kerzenschein und halte eine überzeugende Rede dazu. Menschen mit weniger Einfallsreichtum halten mein metallenes Minikunstwerk für ein schnödes Spermium. Und grinsen über mein einschlägiges Werk.
Nun wissen Sie sicher, dass das aus Blei gegossene „Ei“ für Familienzuwachs steht. Die Samenzelle ist im Interpretationskatalog auf der Verpackung zwar nicht dezidiert aufgeführt, schließt Assoziationen rund um das Thema „Kinderkriegen“ allerdings nicht wirklich aus.
Keinerlei Verheißung eines Lottogewinns
Schon deshalb bin ich nicht sehr amüsiert ob dieses Orakels. Immerhin habe ich die durchschnittliche Kinderzahl von 1,3 bereits um das Doppelte überschritten und damit mein Soll mehr als erfüllt. Viel lieber als Eier oder Spermien möchte ich mal einen Würfel gießen. Der verspricht wenigstens einen Lottogewinn, den man als Mutter von vier Kindern wirklich gut gebrauchen könnte! Auch mit einem Schlüssel würde ich Vorlieb nehmen, der immerhin verheißt: „Dein Vorhaben gelingt“. Welches das sein soll, wird zwar nicht verraten, aber hoffnungsvoll stimmt dieses Versprechen doch allemal. Stattdessen wurde es auch dieses Mal bloß wieder ein silberfarbenes Ei mit Fädchen dran. Meinen Kindern wird das auch langsam peinlich. Doch man kann das Ganze ja auch mal positiv sehen: Immerhin werde ich laut Blei-Vorhersage 2009 keine „Verwicklungen in der Liebe“ durchleiden müssen, denn ich habe glücklicherweise keine Brezel gegossen. Und auch von der „üblen Nachrede“ und „Eifersucht“ werde ich verschont bleiben, da ich weder Fisch noch Igel aus dem Wasser angeln musste.
Neues Liebesleben im Oktober!
Ein wenig abwechslungsreicher sieht mein Jahreshoroskop aus, mit dem ich mich heute trotz dicken Sektschädels schon ausgiebig beschäftigt habe. Das verspricht mir ganze fünf „Wonnemonate“ und die Chance auf ein „neues Liebesleben im Oktober“. Bevor ich diese frohe Botschaft meinem Mann überbringen konnte, las ich noch, dass sich im Sommer einen Berufswechsel in Richtung Jura oder Heilpraktik anbahnt. Oha! Hege ich diesbezüglich unterdrückte Ambitionen? Davon hatte ich bislang keinen blassen Schimmer!
Dass mir manchmal Selbstzweifel im Wege stehen und ich auf mein Gewicht achten muss, sind hingegen keine Neuigkeiten. Das ist schließlich jedes Jahr so.
Mein Mann freut sich schon auf das Ende des Jahres, denn sein Dezember soll beneidenswerterweise voller „Liebesmagie“ werden. Wie schön für ihn! Allerdings muss er im August erst noch ein paar berufliche und private Problemchen lösen. Von nix kommt eben nix!
Drei meiner vier Kinder sind im Sternzeichen Fisch, und alle drei werden laut Horoskop im April etwas mit ihrem Ex-Partner klären. Ich wusste gar nicht, dass mein 5-Jähriger schon mal eine Freundin hatte, ehrlich nicht! Dass das Lernziel meiner Kleinen allerdings lautet: „Nichtstun - und zwar ohne schlechtes Gewissen“, wundert mich, denn das können sie doch wirklich schon recht gut. Mein Löwen-Sohn „darf“ laut Vorhersage im Frühjahr „großräumig und hingebungsvoll“ lieben, was ich ihm allerdings ohnehin niemals verboten hätte. Auch sein gebrochenes Herz wird heilen (auch diesbezüglich befand ich mich in völliger Unkenntnis!), was sich ja zumindest irgendwie gesund anhört.
Reicht die Kindergelderhöhung für einen Neuwagen?
Das neue Jahr bringt aber auch Neuerungen pekuniärer Art: Ich könnte die Kosten für eine Haushaltshilfe steuerlich besser absetzen - wenn ich mir denn eine leisten könnte. Auch steuerfreie Neuwagen wird es geben. Toll! Leider muss man sie bezahlen, so dass dieser Luxus für uns nicht in Frage kommt. Dazu reicht nämlich das erhöhte Kindergeld nicht. Davon kann ich ein paar Biobrote im Monat kaufen, die meine Kinder zwar nicht mögen, aber trotzdem sehr gesund sind.
Ich selbst werde im neuen Jahr öfter staubwischen und jede Woche meinen Schreibtisch aufräumen, weniger Gummibärchen essen und öfter joggen, früher schlafen gehen und weniger Fernsehgucken, hingebungsvoller bügeln und jeden Tag lecker kochen, weniger mit meinem Handy telefonieren und mehr schlaue Bücher lesen, keine Handtaschen kaufen und weitgehend auf neue Schuhe verzichten, mit Yoga anfangen und nie mehr mit meinem Hund schimpfen, und ganz allgemein ein viel viel gutmütigerer Mensch werden. Ganz bestimmt! Ob's klappt, steht natürlich in den Sternen.
Über Felicitas Römer und weitere Kolumnen: