Naturnahe Spielplätze
Fantasie statt Langeweile: In Eigeninitiative schufen die Eltern des Mütter-Aktions-Zentrums Stockstadt einen naturnahen Spielplatz für ihre Kinder. Lies hier, wie es geht, Nachahmung erwünscht!
Ohne Eigeninitiative läuft (fast) nichts
Wenn Eltern heute möchten, dass sich ihr Sprössling auch außerhalb seines Zuhauses wohl fühlt, müssen sie eine Menge Arbeit auf sich nehmen. Wo die Mittel der Städte und Kommunen knapp werden, sind Eltern immer mehr gefordert, die Initiative zu ergreifen und selbst Hand anzulegen. In vielen Schulen ist es schon üblich, dass die Eltern die Klassenräume ihrer Kinder renovieren und pflegen. Und auch vor anderen Familieneinrichtungen und Kindergärten macht diese Entwicklung nicht Halt. Man stöhnt, man ärgert sich und erkennt schließlich, dass es nicht ausreicht auf den Geldsegen von irgendwoher zu warten, der für einladende Schulen und abenteuerliches Spielgelände sorgt. Dabei erfahren viele Eltern, dass es Spaß machen kann, gemeinsam mit anderen einen Spielplatz anzulegen. Und manch eine(r) entdeckt sogar neue Talente...
Ein Naturspielplatz für das Mütter-Aktions-Zentrum
Zu Recht stolz sind die Eltern aus Stockstadt (Hessen) auf das, was sie ohne Geldmittel mit ihren eigenen Händen geschaffen haben: An fünf Samstagen verwandelten sie das kahle Außengelände des in einen Naturspielplatz zum Fühlen, Riechen, Beobachten und Matschen. Statt auf teuren, vorgefertigten Spielplätzen tummeln sich die Kinder nun auf dem Kletterhügel, im Weidenkriechtunnel, in der großen Sandmulde und in der grünen Höhle. Die einzelnen Elemente stehen in Beziehung zueinander und schaffen eine kleine, bewegte Landschaft. Diese lädt die Kinder zu Rollenspielen ein, dazu Wasser umzuleiten, zwischen den Sträuchern zu toben oder sich einfach auszuruhen. Baumstämme regen zum Balancieren an. Alle Kinder lieben Verstecke und Nischen, in die sie sich zurückziehen und ungestört vertrauliche Gespräche führen können. Hierfür eignet sich vor allem die grüne Höhle aus zusammengebundenen Weidensträuchern, der Totholzstapel und die Heckenbepflanzung. Natürliches Spielmaterial wie Holz, Sand, Lehm, Steine und natürlich Wasser, das aus einer Handschwengelpumpe kommt, weckt die Lust am Bauen und Formen.
Tipps zur Anlage eines Naturspielplatzes
Die Kinder nach ihren Wünschen fragen
Es ist nicht besonders schwierig, einen naturnahen Spielplatz anzulegen. Allerdings sollte jemand dabei sein, die/der etwas vom Spielplatzbau und Pflanzen versteht. Die Stockstadter Eltern fanden Hilfe bei Andrea Fuest, Architektin im Erziehungsurlaub und selbst Mutter zweier Kinder, die die Planung und Bauleitung des Spielplatzes übernahm. Das Gelände sollte entsprechend der Altersgruppe gestaltet werden, für die es gedacht ist. Kleinere Kinder brauchen mehr Übersichtlichkeit und kleinere Spielhügel als ältere Kinder. Optimal angelegt kann selbst ein kleines Grundstück den Kindern vielfältige Spiel- und Entdeckungsmöglichkeiten bieten. Sie können Insekten jagen und beobachten, an den heimischen Pflanzen den Wechsel der Jahreszeiten verfolgen, klettern und kriechen und ihre Sinne einsetzen. Schaukel, Rutsche und Co. haben hier nicht ausgedient, werden aber in die Landschaft integriert. So führt zum Beispiel vom Kletterhügel eine Rutsche hinunter.
Beziehe bei der Planung deines naturnahen Spielplatzes die zukünftigen Nutzer ein. Frage Kinder und Erzieherinnen nach ihren Wünschen und Vorstellungen. Du wirst erstaunt sein, wie viele kreative und realisierbare Ideen da zusammenkommen.
Übersicht: Elemente des naturnahen Spielplatzes
Ein naturnaher Spielplatz kann aus folgenden Elementen bestehen, viele weitere sind denkbar:
- Kletterhügel
- Weidenkriechtunnel
- Weidentipi
- Fühlwege aus unterschiedlichem Material
- Kräuterschnecke
- Duftpflanzen
- Sandmulde
- Holzstapel (Insekten beobachten)
- Sitzarena
- Hochbeet
- Kinder-Garten
- Wiesenfläche zum Toben und für Ballspiele
- Hecken
- Wasserpumpe
- Lehmmulde
- Baumstämme zum Balancieren
- Natürliches Spielmaterial wie Sand, Wasser, Steine, Holz, Lehm
Zur Bepflanzung eignen sich robuste, heimische Pflanzen wie Weiden, Haselnuss, Hartriegel, Holunder, Himbeer- und Johannisbeersträucher, Apfel- und Birnbäume, etc.
Tipps zur Finanzierung
Ein Naturspielplatz muss nicht teuer sein
Ein naturnaher Spielplatz ist sehr viel preiswerter als ein herkömmlicher. Mit etwas Glück und Findigkeit bekommst du sogar alle Materialien umsonst. Es lohnt sich immer, beim städtischen Grünflächenamt und/oder dem Forstamt um Pflanzenspenden nachzufragen. Den Stockstadter Eltern stellte der Oberförster des nahe gelegenen Naturschutzgebietes Weiden und eine große Akazie zur Verfügung. Eine Kompostierungsanlage gab Rindenmulch, dicke Äste und Baumstücke ab und auch Kies, Sand und Pflanzen wurden mittels guter Kontakte der Eltern gespendet. Selbst ein kleiner Bagger wurde den tatkräftigen Spielplatzbauern kostenlos ausgeliehen.
Eltern und Erzieherinnen des Kindergartens St. Barbara in Thomm bei Trier baten ortsansässige Betriebe, Banken und Versicherungen um finanzielle Hilfe für den Bau ihres Naturspielplatzes. Professionell ausgerüstet mit Mappen voller detaillierter Informationen zu ihrem Projekt, hatten sie mit ihrer Fundraising-Aktion viel Erfolg.
Natur auch in der Stadt kennen lernen
Kinder finden in unseren Städten immer weniger Möglichkeiten, die Natur und ihre Prozesse kennen zu lernen und ungefährdet in einer für sie spannenden Umgebung zu spielen. Statt Wäldern, Bachläufen, Brachflächen, wenig befahrenen Straßen und großen Gärten stellen wir ihnen nur noch Minigärten, langweilig-trostlose Spielplätze und Rentner-Parks zur Verfügung. Naturnahe Spielplätze bieten da zumindest einen teilweisen Ersatz für das Verlorengegangene: Einen Erfahrungsraum, in dem die Kinder ihre Kreativität und Fantasie ausleben können.
Literatur:
Richard Wagner: Naturspielräume gestalten und erleben, Ökotopia verlag Münster, ISBN 3-925169-66-0
Naturspielräume für Kinder, hrsg. v. Naturschutzzentrum NRW u. d. Oberstadtdirektor von HammBezug über: Natur- und Umweltschutzakademie NRW, Siemensstr. 5, 45649 Recklinghausen, Tel.: 02361/3051
Peter Hohenauer: Spielplatzgestaltung - naturnah und kindgerecht, Bauverlag Wiesbaden u. Berlin 1995
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