Kinderleben: Einfach mal zu Fuß gehen
PC-Spiele, statt Fußball auf der Wiese. Mit dem Auto in den Kindergarten, statt zu Fuß zu gehen. Bewegungsarmut entsteht da, wo alltägliche Bewegungsmöglichkeiten genommen werden. Aber: Kinder müssen sich bewegen!
Bitte nicht: Mit dem Auto von Insel zu Insel
Maria (8) kommt als Einzige mit dem Fahrrad zur Schule, Luca (12) wird von seiner Mutter mit dem Auto zum Zahnarzt gefahren und Caro (5), fährt für den Einkauf mit ihrer Mutter zum Supermarkt um die Ecke.
Kinder „bewegen“ sich in ihrem Alltag häufig von Insel zu Insel. Von der Insel Kita zur Insel Supermarkt, von der Insel Arztpraxis zur Insel Oma und von der Insel Zuhause zur Insel Wald. Das heißt, sie bewegen sich eben nicht, sondern werden von Eltern im Auto gebracht.
Das Fahrrad bleibt stehen, da es regnerisch ist und die Zeit nicht reicht, um zu Fuß zu gehen oder aber, die Scheu vor Bewegung ist schon so groß, dass ein Fußweg von nur fünfzehn Minuten zu lang erscheint. Zugleich nehmen Bildschirme einen immer größeren Raum bei der Freizeitgestaltung ein – Beschäftigungen, die meist sitzend erledigt werden.
Bewegungsarmut und Bewegungsüberschuss
Durch dieses Verhalten im Alltag kommt es zu großer Bewegungsarmut, die wiederum zu einem Bewegungsüberschuss führt, der abgebaut werden will. Kräfte werden nicht positiv beansprucht und verwandeln sich in Energien, die unkontrolliert herausbrechen, z.B. in aggressivem Verhalten oder Zappeligkeit.
Kinder haben ein großes Bedürfnis nach Bewegung und brauchen einen Rahmen und Gelegenheiten, um dies auszuleben. Wenn sie fehlen, sind Kinder unausgeglichen und wissen gar nicht, wohin mit ihren Kräften. Und ebenso benötigen sie Zeiten, um körperlich zur Ruhe zu finden. Auch diese Pausen sind wichtig, um sich zu erholen und dann auch wieder aktiv zu sein.
An- und Entspannung
Es gilt also eine Balance zwischen An- und Entspannung zu finden. Ziel von Eltern sollte es sein, dass Kinder diesen Ausgleich selbst gestalten, indem sie die Signale ihres Körpers spüren lernen und diesen, wenn möglich, nachgeben. Kinder dabei zu begleiten, bedeutet, mit ihnen achtsam die unterschiedlichen Phasen zu gestalten. Nach einer langen Autofahrt brauchen sie zum Beispiel Platz zum Krabbeln oder Rennen und Toben. Und nach dem Besuch einer Kirmes mit ihren vielen Eindrücken braucht es einen kuscheligen Platz auf dem Sofa und eine Tasse warmen Kakao dazu.
Dabei sind Eltern gefordert, einen Blick für die Signale des Kindes zu entwickeln - etwa wann eine Grenze erreicht ist und wieder eine Pause oder umgekehrt ein Bewegungsangebot vonnöten ist – und ihrem Kind behilflich zu sein, seine Körperwahrnehmung zu schärfen:
„Florian, du hast schon ganz rote Wangen und schwitzt, komm setz dich mal für fünf Minuten auf die Bank und mach eine Pause.“
„Laura, ich glaub, du machst besser die Hausaufgaben nach dem Essen weiter, du kannst dich gar nicht mehr konzentrieren.“
Kinder sind oft zunächst nicht begeistert, wenn Eltern sie aus Situationen holen und protestieren vielleicht. Dennoch sind sie häufig etwas später auch heilfroh, dass Mama oder Papa sie aus der Situation „gerettet“ haben, weil sie es allein nicht geschafft hätten. Außerdem werden sie so auf die Hinweise ihres Körpers aufmerksam und lernen damit umzugehen. Ein großer Schritt auf dem Weg zum Ziel, eigenständig seine Balance zwischen An- und Entspannung zu finden.
Diese Folgen kann Bewegungsmangel haben
- Kinder, die sich zu wenig bewegen, werden häufig übergewichtig. Natürlich spielt dabei auch die Ernährung eine Rolle.
- Kindern, denen alltägliche Chancen zur Bewegung genommen werden, fehlen auch etliche Lernerfolge und somit Entwicklungsfortschritte. Lea lernt durch den täglichen Weg zur Kita das Fahrradfahren, Max wird ein richtig guter Federballspieler und Felix übt beim sonntäglichen Waldspaziergang, über Baumstämme zu balancieren. Dabei machen die Kinder in allen Entwicklungsbereichen Fortschritte, nicht nur in der Motorik.
- Kinder, die ständig von A nach B gefahren werden, haben automatisch wenig Erfahrung mit dem Verhalten im Straßenverkehr. Sie fühlen sich unsicher und entwickeln vielleicht Ängste, die gar nicht entstanden wären, hätte sie genügend Übung oder sie entwickeln viel zu wenig Respekt vor Autos und anderen möglichen Gefahren.
Daraus resultieren Unselbstständigkeit, Unachtsamkeit und ein bewegungsarmer Lebensstil:
Kati (8) traut sich nicht allein die Straße vor ihrem Haus zu überqueren, um dort ihre Freundin zu treffen. Nico (8) läuft seinem Fußball hinterher, der auf die Straße rollt, ohne nach rechts und links zu schauen.
Bewegungsmöglichkeiten im Alltag schaffen
Lasse es für deine Kinder gar nicht so weit kommen und schaffe genügend Bewegungsmöglichkeiten im ganz normalen Alltagsleben:
Gehe zu Fuß zum Supermarkt, auch wenn es etwas länger dauert, spiele mit deinem Sohn Fußball auf der Wiese, anstatt an der Konsole, mache eine Familiennachtwanderung durch den Wald, anstelle des üblichen Fernsehabends auf dem Sofa, feiere den Kindergeburtstag zu Hause im Garten, anstatt die Kinder alle ins Kino einzuladen.
Sei Vorbild: Lasse das Auto stehen und fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit, fahre zur Oma mit der Bahn und buddel am Wochenende den Garten um, anstatt wieder ein neues Update auf deinen PC zu laden.
Bleibe mit deinen Kindern darüber im Gespräch, erkläre ihnen, warum Bewegung so wichtig ist, tauscht euch darüber aus, was Spaß gemacht hat und was vielleicht anstrengend war, aber dann, nachdem es geschafft ist, ein gutes Gefühl hinterlässt.
Umdenken lohnt sich
Das zu erreichen, fordert ein hohes Maß an Achtsamkeit von den Eltern. Sie müssen an vielen Stellen umdenken und umorganisieren. Es fordert das Setzen anderer Prioritäten im Alltag und ein hohes Maß an Disziplin, selbst Vorbild zu sein und konsequent mit Kindern andere Wege zu gehen und sie dahin anzuleiten. Aber es lohnt sich, denn Kinder, die körperlich gesund sind, ihr Bedürfnis nach Bewegung und Entspannung kennen und dem nachgehen dürfen und genügend Möglichkeiten im Alltag dafür haben, sind ausgeglichen und damit der Familienalltag wesentlich entspannter.