Was muss ich jetzt tun?

Mein Kind kaut seine Nägel

Ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen knabbert gelegentlich oder auch regelmäßig an den Fingernägeln herum. Meist handelt es sich nur um eine harmlose Angewohnheit, die aber manchmal recht hartnäckig sein kann. Was Eltern jetzt wissen sollten.

Autor: Dr. Andrea Schmelz

Fingernägelkauen bei Kindern

Kind Nagekauen
Foto: © fotolia.com/ danr13

In angespannten oder verunsichernden Situationen ist Nägelkauen eine „Leerlaufhandlung“. Das Beknabbern der Fingernägel dient einerseits der Ablenkung und überbrückt Situationen, in denen das Kind eigentlich etwas anderes tun sollte, was es jedoch aus Angst oder Unsicherheit nicht kann. Andrerseits baut das Kauen auch inneren Druck ab. 

Los geht es meist im Kindergartenalter

Die ganz Kleinen bauen Spannungen ab und beruhigen sich, indem sie Schnuller oder Daumen in den Mund stecken und daran lutschen. Spätestens ab dem Kindergartenalter sollen sie sich das aber abgewöhnen. Als Ersatz müssen dann nicht selten die Fingernägel herhalten. Auch das Knabbern an Nägeln oder Nagelhaut hilft, Spannungen abzubauen und sich zu entlasten und zu beruhigen. Alle Kinder sind gelegentlich ängstlich oder beunruhigt, sodass Sie nicht gleich eine seelische Störung befürchten müssen.

Weil die Pubertät eine schwierige Phase ist, in der Jugendliche besonders verunsichert sind und der Schulstress oft ein Übriges dazu tut, ist Nägelkauen in dieser Altersphase sehr häufig, verliert sich danach jedoch in vielen Fällen von allein wieder. 

Bleiben Sie gelassen!

Beobachten Sie Ihr Kind, wann die Finger in den Mund wandern und beknabbert werden:

  • Ist es völlig in Gedanken versunken und kaut mehr oder minder „automatisch“ (unbewusst)?
  • Könnte es sein, dass sich Ihr Kind an einem überstehenden Nagelteil oder einem „Hautfitzel“ stört und diesen mit den Zähnen zu entfernen versucht?
  • Hat es sich das Nägelkauen vielleicht bei anderen Kindern abgeguckt?
  • Kaut es an den Nägeln, wenn ihm langweilig ist (beim Autofahren, beim Warten)?
  • Oder ist das Gegenteil der Fall und ein Hörspiel oder eine Fernsehsendung sind so spannend, dass zur Beruhigung die Fingernägel herhalten müssen?
  • Ist Ihr Kind verunsichert oder gestresst, weil es z.B. neu im Kindergarten/in der Klasse ist, es gerade mit seinem Freund gestritten hat oder eine Situation auf dem Spielplatz nicht richtig einschätzen kann?

Wenn Ihr Kind in diesen Situationen an den Nägeln kaut, dürfen Sie erst einmal gelassen bleiben. Das Nägelkauen ist dann einfach seine Art der Selbsthilfe, seine Art mit Stress umzugehen, sich zu beruhigen und Trost zu finden. Wahrscheinlich wird sich das Nägelkauen in diesen Fällen irgendwann von selbst wieder legen. Trotzdem sollten Sie natürlich mit Ihrem Kind über belastende Situationen reden (z.B. Umzug, Scheidung, Probleme in Kindergarten/Schule).

Allerdings ist es für Eltern oft gar nicht so einfach, der Kauerei unaufgeregt zuzusehen. Während es Kindern ziemlich egal ist, wie ihre Nägel aussehen, schämen sich Eltern oft für das Verhalten ihres Nachwuchses oder befürchten eben doch eine psychische Störung bei ihrem Kind. Und manchmal sehen Nägel und Nagelbett auch wirklich sehr mitgenommen aus.

Wann Sie sich an den Kinderarzt oder einen Psychologen wenden sollten

Sind die Fingerkuppen blutig gebissen oder hat Ihr Kind immer wieder eitrige Infektionen im Bereich des Nagelbetts, sollten Sie den Kinderarzt um Rat fragen. Bei unverhältnismäßig häufigem bzw. intensivem Nägelkauen oder weiteren beunruhigenden bzw. selbstverletzenden Verhaltensweisen (z.B. blutig Katzen, Ausreißen von Haaren, massive Schlafstörungen) sollten Sie sich an einen Fachmann wenden. 

Schimpfen und bestrafen Sie nicht!

Nägelkauen ist eine Angewohnheit, die meist unbewusst abläuft. Ihrem Kind ist also in der Regel gar nicht bewusst sein, dass es schon wieder die Finger im Mund hat. Da es nicht „absichtlich“ an seinen Fingern kaut, kann es auch nicht bewusst damit aufhören. Es hilft also wenig, wenn Sie mit ihm schimpfen. Im Gegenteil, mit Schimpfen oder Strafen bauen Sie zusätzlichen Druck und damit noch mehr Stress auf.

Bleiben Sie besser geduldig und ignorieren Sie das Nägelkauen, sofern es nur gelegentlich auftritt. Unterstützen Sie Ihr Kind, wenn es selbst mit dem Nägelkauen aufhören möchte. 

 

So helfen Sie Ihrem Kind, sich das Nägelkauen abzugewöhnen

Gehen Sie behutsam vor und besprechen Sie mit Ihrem Kind, wie Sie ihm helfen können. Maßnahmen gegen den Willen Ihres Kindes sind ungünstig, weil Ihr Kind sie als Bestrafung empfinden könnte, was den Druck wiederum nur erhöht!

  • Beschäftigen Sie die Finger. Geben Sie Ihrem Kind einen „Handschmeichler“ (z.B. einen schönen glatten Stein) oder einen Gummi- oder Sandball, den es bei Anspannung kneten kann.
  • Helfen Sie Ihrem Kind, sich des Nägelkauens bewusst zu werden. Wenn die Finger unbewusst in den Mund wandern, kann ein bitter schmeckender Lack aus der Apotheke helfen. Alternativ kann es auch helfen, die Nägel mit (Kinder-)Pflaster abzukleben. Vielleicht möchte Ihr Kind auch direkt von Ihnen erinnert werden, etwa durch ein vorher vereinbartes „Codewort“ oder eine spezielle Berührung (z.B. an der Schulter).
  • Schützen Sie die Hände. Knabbert Ihr Kind beim Fernsehen oder aus Langeweile, können Baumwollhandschuhe die Nägel schützen. Natürlich können Sie sich, wenn es Ihre Zeit erlaubt, auch neben Ihr Kind setzen und seine Hände nehmen und streicheln oder sanft halten.
  • Feiern Sie jeden Millimeter neuen Nagel. Loben Sie Ihr Kind, wenn die Nägel auch nur ein bisschen nachgewachsen sind – das ist eine tolle Leistung! Gerne dürfen Sie Ihr Kind dann auch belohnen.
  • Bei Mädchen kann die Aussicht auf „schöne“ Nägel helfen. Als Unterstützung und Belohnung können Sie z.B. Nagel-Tattoos aufkleben. Bei Nagellack sollten Sie bedenken, dass er eine ganze Menge Chemie enthält und nur dann unbedenklich ist, wenn Ihre Tochter ihre lackierten Nägel wirklich nicht mehr in den Mund steckt.
  • Versuchen Sie es bei Ihrem Kindergartenkind spielerisch. Malen Sie auf alle Fingernägel, die Ihr Kind abknabbert, ein lustiges Gesicht und geben Sie jedem Finger mit Gesicht einen Namen. Wandert einer dieser Finger in den Mund, können Sie mit verstellter Stimme für den Finger sprechen, z.B.: „Uhh, die Zeigefinger-Zenzi hat solche Angst vor den großen Zähnen. Sie will auch nicht voll Spucke werden, sondern möchte unbedingt wieder an die frische Luft!“
  • Knibbelt Ihr Kind Unebenheiten an den Nägeln oder abstehende Hautteile ab, sollten Sie die Nägel kurz schneiden und danach auch feilen sowie mit Handcreme die Haut geschmeidig halten. Größere Kinder können für „Notfälle“ eine Feile oder sogar auch eine Nagelschere in der (Schul-)Tasche mitnehmen.