Von Augen bis Entwicklung

So wirkt sich die Smartphonenutzung auf dein Kind aus

Das Smartphone ist fester Bestandteil unseres Familienlebens. Es erleichtert die Kommunikation, hilft bei der Organisation und fasziniert schon die Allerkleinsten – oft mehr als uns lieb ist. Und auch mehr als gesund ist? So wirkt sich das Smartphone auf dein Kind aus.

Autor: Janine Meul

Faszination Smartphone

Kinder Smartphone Gesundheit
Foto: © colourbox

Drehen, wischen, bunte Bilder sehen – faszinierend so ein Smartphone oder Tablet. Das gilt schon für die Allerkleinsten. Und für viele Eltern ist der Kindermagnet eine willkommene Hilfe, um kurze Phasen – zum Beispiel im Wartezimmer – zu überbrücken und gleichzeitig interaktive Elemente zu nutzen. Für andere hingegen ist es eine Entwicklungsbremse, die sie als absolut schädlich empfinden. Zugegeben – noch immer gibt es zu den konkreten Gefahren der Smartphonenutzung eigentlich mehr Fragen und Vermutungen als Antworten. Dass ein Zuviel, wie in vielen anderen Bereichen auch, Risiken birgt, liegt jedoch auf der Hand. Viele neue Studien legen sogar einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen bei Kindern nahe und zeichnen ein erstes Bild, wie groß die psychische und physische Einflussnahme digitaler Medien bei zu früher und übermäßiger Nutzung sein kann.

Der Schlaf

Ein guter Schlaf hat großen Einfluss auf die kognitive Entwicklung und Gesundheit eines Kindes. Sie wachsen, sie verarbeiten, sie tanken Kraft, sie lernen im Schlaf. Und ein ausgeruhtes Kind ist natürlich auch für die Eltern ein Segen. Ein- und Durchschlafprobleme ihrer Kinder machen Mütter und Väter deshalb besonders nervös. Die meisten Eltern sorgen für einen festen Tagesrhythmus, schleichen durch die Flure, schuckeln, singen, lesen vor – und nehmen ihren Kindern jetzt vermutlich auch öfter das begehrte Smartphone aus den kleinen Händen. Eine mit britischen Kindern durchgeführte Studie hat nämlich herausgefunden, dass Babys und Kleinkinder nachts weniger schlafen und mehr Zeit benötigen einzuschlafen, wenn sie viel Zeit mit einem Tablet oder Smartphone verbringen. Je länger die Nutzung, desto kürzer der Schlaf. Die deutsche BLIKK-Studie stellt sogar einen Zusammenhang zwischen Einschlafstörungen bei Säuglingen und der Smartphonenutzung der Eltern während der Kinderbetreuung her.

Die Augen

Dass man vom Fernsehen eckige Augen bekommt, ist zwar gelogen, doch ein Fünkchen Wahrheit steckt in den meisten Flunkereien. Was Smartphone und Co angeht, beobachten Experten jedenfalls schon länger einen starken Anstieg der Kurzsichtigkeit. „Die Nutzung erfordert eine Nahsicht und findet häufig in Innenräumen statt – zwei Faktoren, die Kurzsichtigkeit fördern können", erklärt Prof. Dr. med. Wolf A. Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Die passende Gegenmaßnahme kennen wir eigentlich alle: Ab nach draußen auf den Spielplatz!

Eine Frage der Haltung

Schon mal vom Smartphone-Nacken gehört? Gespürt bestimmt! Denn die ungünstige Neigung des Kopfes beim Blick aufs Smartphone belastet den Nacken deutlich. Schon bei einer 15-Grad-Neigung drücken etwa 12 Kilogramm Gewicht durch den gekippten Kopf auf den Wirbelbereich. Verspannungen im Nacken kennen deshalb viele passionierte Smartphonenutzer. Auch der untere Rücken ist betroffen, da vor allem bei Schulkindern nach dem langen Sitzen in der Schule auch am Nachmittag viele bewegungsintensivere Hobbys durch das Smartphone verdrängt werden. „Sitzen ist eine sehr einseitige Belastung für den Rücken und führt zum Erschlaffen der Rückenmuskulatur", betonen auch die Experten des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie 2017. Gerade die Eltern seien hier in der Pflicht, die eigene Nutzung von Smartphone, Tablet und Co einzuschränken und die Freizeit aktiv zu gestalten. Das mindert gleichzeitig auch die Gefahr für Fettleibigkeit, die ebenfalls eine Begleiterscheinung der Smartphone-Sitzkultur sein kann.

Verändertes Sozialverhalten

Besonders im Schulalter erfüllt das Smartphone eine wichtige soziale Funktion und befriedigt das Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Doch das hat auch seine Schattenseiten. Denn es befeuert den Drang, sehr viel Zeit in die Smartphonenutzung zu stecken, vielleicht sogar mehr als vom Kind selbst gewünscht. Wer nicht in Gruppen, Chats und Social Media dabei ist, verliert vielleicht den Anschluss an die Gruppe – und das erzeugt Druck. Das Phänomen wird auch „Fear of Missing Out" genannt. Laut einer repräsentativen Studie zur Nutzung von Smartphones bei Kindern und Jugendlichen der Landesmedienanstalt NRW empfindet jeder Vierte Stress durch ständigen Kommunikationsdruck, beispielsweise über Whatsapp. Und jeder Siebte bemängelt, dass er zu selten Freunde trifft.

Smarter lernen?

Fest steht, dass das Smartphone viele Kinder vom Lernen oder den Hausaufgaben ablenkt. Fast die Hälfte aller befragten Kinder der LfM-Studie „Always on" geben das sogar selbst zu. Aber einige Experten gehen noch weiter (zurück) und warnen, dass die Nutzung von Tablets und Smartphones im Alter unter drei Jahren die Fähigkeit der Kinder zur Problemlösung einschränken kann – eine Fähigkeit, die besonders für Mathe und Naturwissenschaften wichtig ist. Das Spielen mit Bauklötzen helfe Kindern zumindest mehr, frühe mathematische Fähigkeiten zu erlernen als interaktive Gadgets, meinen Forscher der Boston University School of Medicine. Später ab dem Vorschulalter könne ein dosierter Einsatz von kindgerechten Lern-Apps aber zum Beispiel durchaus beim Lesenlernen helfen.

Entwicklungsauffälligkeiten

Wie sooft spielt eben auch bei der Nutzung digitaler Medien die Dosis eine Rolle. Die deutsche BLIKK-Studie hat ermittelt, dass 70 Prozent der Kita-Kinder bereits mehr als eine halbe Stunde täglich mit dem Smartphone der Eltern spielen. Auffälligkeiten wie Unruhe, Konzentrations- und Sprachentwicklungsstörungen stellen Kinder- und Jugendärzte vor allem bei diesem vergleichsweise starkem Konsum fest. In der höheren Altersgruppe der 8- bis 13-Jährigen ließen sich ebenfalls motorische Hyperaktivität und Konzentrationsprobleme feststellen, wenn digitale Medien länger als 60 Minuten täglich genutzt wurden.

Und nun?

Auch bei den Experten gehen die Meinungen darüber auseinander, ab wann und in welchem Umfang genau mobile Geräte und Apps für Kinder geeignet sind. Der Medienratgeber des Familienministeriums „Schau hin!" empfiehlt: „Kinder unter drei Jahren sollten noch kein mobiles Gerät in die Hand bekommen, da die schnellen und oft lauten Anwendungen sie überfordern können. In diesem Alter ist es wichtiger, erst einmal die reale Welt zu erkunden."

Danach sollte die Nutzung, wenn das Kind eigenes Interesse an der Technik zeigt, klar reglementiert und auf jeden Fall begleitet werden. Denn eine Verbannung des Smartphones ist ebenfalls zu kurz gedacht. Kinder wachsen schließlich in einer digitalisierten Welt auf und sollten den Umgang mit den Geräten lieber angeleitet erlernen, statt später unkontrolliert darauf zuzugreifen. Als Babysitter und Dauerbeschäftigung ist das Smartphone jedoch keinesfalls geeignet. Vielmehr muss ein bewusster Umgang im Vordergrund stehen, auch und gerade bei den Erwachsenen. Denn die Faszination bei den Kleinen ist besonders groß, wenn Mama und Papa regelmäßig mit den Geräten „spielen". An erster Stelle steht also dein eigenes Nutzungsverhalten: Wie oft bekommt dein Kind deine ungeteilte Aufmerksamkeit – ohne, dass du mit einem Auge Nachrichten checkst?