Kleine Kinder schwer verliebt
Erste Liebe? Viele denken da an die Pubertät. Doch verlieben können sich schon Dreijährige. Und an ihre Sandkastenliebe erinnern sie sich oft ihr Leben lang.
Pärchenbildung in der Spielecke
Bei meinem Sohn war es ein blondgelocktes Mädchen mit Mandelaugen. Immer wenn der Dreijährige ein neues Spiel entdeckte, spornte ihn die Hoffnung an, es mit Lotte* zu spielen. Besonders glücklich kehrte er aus dem Kindergarten zurück, wenn es ihm gelungen war, ganz alleine mit der Angebeteten zu spielen. Und auf seinen Einladungslisten zum Kindergeburtstag stand Lotte lange Zeit an erster Stelle.
Auch in meiner eigenen Kindergartenzeit drehte sich bereits das Heiratskarussell. Noch gut erinnere ich mich an einen Wettstreit zweier Spielkameraden, die mich forsch und unverblümt mit den Worten zu ködern suchten: „Du musst mich heiraten“, darauf der andere: „Nein, du heiratest mich!“
In Online-Foren berichten Eltern von den rührenden Verliebtheiten ihrer Kinder, die sich morgens mit einem Küsschen begrüßen und Hand in Hand in Richtung Spielecke abziehen. Und auch Erzieherinnen beobachten unter Kindergartenkindern häufig mal eine Pärchenbildung.
Erste Liebe ist die Mama
Für Andreas Engel von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE) gehört Verliebtheit auch im Kindergartenalter ganz selbstverständlich zur Entwicklung. „Die Liebesfähigkeit haben wir alle vom ersten Moment an“, sagt der Psychologe im urbia-Gespräch. „Daher ist die erste große Liebe natürlich die Mama.“ So äußern vor allem Jungs ja auch öfters den Wunsch, ihre Mama später einmal zu heiraten. Wenn Kinder dann so weit sind, auch Interesse an anderen Kindern als Spielkameraden zu entwickeln, „fallen ihnen andere Liebesobjekte ins Auge“, sagt Engel. „Andre Kinder, die sie interessant, hübsch, attraktiv finden, das ist nicht anders als sonst im Leben.“
Turteln wie Erwachsene
Wie Kinder ihre Liebe zeigen, hat ebenfalls Ähnlichkeit mit der Verliebtheit im Erwachsenenalter: „Sie suchen die Nähe des geliebten andren Kindes, auch die körperliche Nähe, himmeln es an, streicheln es und wollen am liebsten alles mit ihm zusammen tun", so Engel. „Morgens gab's wie bei alten Leuten einen Kuss und sie gingen händchenhaltend in die Gruppe", erzählt eine Mutter in einem Forum über die Verliebtheit ihres Dreijährigen. „Wenn sie schon da war und mein Sohn den Raum betrat, kicherte sie immer total süß."
Auch das Heiratsspiel, das Eltern und Erzieher häufig unter Kindern erleben, belegt, wie sehr das Thema Liebe und Verlieben Kinder bereits im Vorschulalter berührt und interessiert. Denn „Kinder spielen mit Engagement und Inbrunst nur das, was ihnen auch ein inneres Thema ist", so der Erziehungsberater. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch Kinder bereits heftige Gefühle von Eifersucht kennen - angefangen von der Eifersucht auf Geschwisterkinder bis zur Eifersucht auf andere Kinder, wenn das geliebte Kind mal lieber mit denen spielt. Auch Liebeskummer ist in der Sandkastenliebe nicht ausgeschlossen. „Doch der hält noch nicht über Wochen oder Monate an", weiß der Experte.
Sandkastenliebe - was ist anders?
Es gibt aber auch Dinge, in denen sich kindliche Verliebtheit noch deutlich von der erwachsenen unterscheidet. Zwar tauschen auch Kinder bereits Zärtlichkeiten aus, nehmen sich bei der Hand, geben einander Küsschen und liegen ganz eng nebeneinander im Gras. Doch „Sexualität im erwachsenen Sinne, die erst in der Pubertät einen Schub bekommt, spielt noch kaum eine Rolle", sagt Engel. Was bei der Kindergartenliebe außerdem noch anders ist: Es kann sehr schnell vorbei sein. Von heute auf morgen wird etwas Anderes wichtig oder plötzlich ein anderes Kind der King. „Meiner wollte seine Freundin heiraten, da war er drei. Jetzt schauen sie sich nicht mehr an, kennen sich gar nicht mehr", berichtet eine Mutter.
Wie reagieren Eltern richtig?
„Eltern sollten sich nicht lustig machen", rät der Psychologe und Erziehungsberater. Doch „ein bisschen schmunzeln darf man, das hat ja auch etwas damit zu tun, dass einen etwas anrührt und eigene Erinnerungen weckt." Er sieht auch kein Problem darin, die Vorlieben des Kindes ein wenig zu unterstützen, zum Beispiel, wenn sich Eltern der beiden „verliebten" Kinder miteinander verabreden, um den beiden gemeinsame Spielzeit zu ermöglichen. Aber ansonsten reiche es, die Verliebtheit des Kindes „wahrzunehmen, freundlich zu begleiten und zu akzeptieren."
Was von der Sandkastenliebe bleibt
Obwohl viele Menschen alles vergessen haben, was ihre frühere Kindheit betrifft, erinnern sich viele noch an ihre Sandkastenliebe. Und besonders romantisch finden wir es , wenn manche ihre Sandkastenliebe im späteren Leben sogar heiraten. Meistens geht die Geschichte dann so, dass es eine Zeit dazwischen gab, in der sich die beiden aus den Augen verloren haben. Treffen sie sich dann aber wieder „ist es leichter, daran wieder anzuknüpfen", sagt Andreas Engel. Und es kann schneller gehen, „dass eine Beziehung entsteht, wenn man mit jemandem innerlich schon verbunden war und vielleicht ein Rest Sehnsucht im Herzen geblieben ist."
* Name geändert