Mein Tag in einer Elterninitiative
Viel Arbeit, aber auch viele Gestaltungsmöglichkeiten haben Eltern in einer Elterninitiative. Oft sind die Gruppen klein und der Betreuungsschlüssel hoch. Unsere Autorin hat einen Tag in einer solchen Einrichtung zwischen 16 Kindern von null bis sechs Jahren verbracht.
Große Freude beim Wiedersehen
Wenn morgens ab halb Acht die Kinder eintrudeln, hat man das Gefühl, sie kämen jetzt nach Hause. Der kleine Tim* ruft begeistert „Mia!“, als er sie zur Tür reinkommen sieht. Sie freuen sich, einander wiederzusehen und wieder zusammen spielen zu können, so dass - ginge es nach den Kindern - gar keine Zeit mehr zum Frühstücken bliebe.
Heute, an einem typischen Morgen in der Elterninitiative Pänz e.V. auf dem Lindenthalgürtel in Köln, verbringe ich einen Tag hier in der Einrichtung mit 16 Kindern ab sechs Monaten bis zum Schulalter, also bis zum sechsten oder siebten Lebensjahr.
Großer Altersunterschied - altersgerechte Förderung
Nachdem schließlich alle, die wollten und zu Hause noch nichts gegessen hatten, ein gemeinsames Frühstück eingenommen haben, versammeln sich Kinder und Erzieherinnen im Gruppenraum. Hier im Gruppenraum kann ich das soziale Verhalten der Kinder gut beobachten. Die Großen kümmern sich mit um die Kleinen und wollen mit ihnen spielen, was nicht immer so einfach ist. Es ist für sie schwer zu verstehen, dass die Babys keine Puppen sind und man mit ihnen nicht machen kann, was man will und sie zum Beispiel nicht einfach auf den Arm nehmen kann.
Um die Kinder trotz des großen Altersunterschieds altersgerecht zu fördern, werden sie für den so genannten „Morgenkreis“ in zwei Gruppen aufgeteilt. Die unter Dreijährigen lernen an diesem Morgen mit bunten Bauklötzen Farben und Formen kennen, während die Großen Lieder singen, Rätsel lösen und Spiele spielen. Hier im Kindergarten ist es wichtig, die Kinder spielerisch zu fördern und nicht wie in der Schule zum Lernen zu drängen. „Sie müssen Spaß an der Sache haben“, erklärt mir eine Erzieherin.
* Name von der Redaktion geändert
Heute geht es raus!
Nachdem die Kinder frisch gewickelt sind, werden sie angezogen, um rauszugehen. Wie man sich vorstellen kann, ist das bei 16 Kindern nicht so einfach. Aber ich finde, dafür geht es ziemlich schnell. Zuerst werden den großen Kindern ihre Sachen rausgelegt, damit sie sich alleine anziehen können, aber natürlich gibt es Geschrei und Gemecker, weil irgendwer irgendwen ärgert oder seinen zweiten Schuh nicht findet. Zeitgleich stecken die Erzieher die Kleinen in ihre Matschhosen und Jacken und alle, die fertig sind, setzen sich in den Stuhlkreis im Essensraum. Draußen werden die Kinderwagen aufgebaut, während man drinnen versucht, die Kinder mit Liedern bei Laune zu halten, denen in ihren Klamotten viel zu warm ist.
Ich bleibe heute mit einer Erzieherin drinnen. In der Zeit in der die anderen draußen im Stadtwald auf dem Spielplatz sind, haben wir Tisch-Dienst. Heute ist wie jeden Dienstag Picknick-Tag, das heißt, jedes Kind bringt sich einen kleinen Rucksack mit Mittagessen und einen kleinen Snack mit. Im Sommer wird dann auch draußen gegessen. Im Winter decken wir aber drinnen den Tisch mit den Sachen, die sich die Kinder mitgebracht haben. An den anderen vier Tagen in der Woche wird von einer Köchin vor Ort immer frisch gekocht. Außerdem müssen wir in der Zeit die Bettchen für den Mittagsschlaf vorbereiten.
Eltern gestalten mit
Um die Kinder noch weiter zu fördern, gibt es Projekte, wie zum Beispiel Theater-Stücke, die eingeübt werden, Bastel-Aufgaben oder Ähnliches. Zu Karneval wird der ganze Kindergarten nach und nach in einen Dschungel mit wilden Kuscheltieren, Gewässern, selbstgebastelten Moskitos und Spinnen verwandelt.
Dass dieser Kindergarten eine Elterninitiative ist, bedeutet für die Eltern, dass sie selbst sehr viel tun müssen, erzählt mir eine Erzieherin. Jedes Elternpaar muss mindestens drei Jahre lang ein Amt belegen, wie zum Beispiel ein Vorstandsamt oder ein Amt im Festkomitee. „Natürlich kostete es Zeit, sich dort ein zu bringen, aber das war es mir wert, weil man dort wie in einer großen Familie ist“, so eine ehemalige Kindergarten-Mutter über die “Pänz“.
Wenn die Kinder von draußen zurückkommen, müssen erst einmal alle wieder ausgezogen werden. Das ist gar nicht so einfach, wenn die Kinder müde und hungrig sind. Alle wollen gleichzeitig, dass man ihnen hilft. Die Kleinen kommen alleine noch gar nicht weiter. Um diesen Kraftakt zu meistern, hat dieser Kindergarten einen sehr guten Betreuungsschlüssel von 1:4, das heißt, dass auf einen Erzieher vier Kinder kommen. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung kommen in Deutschland auf einen Erzieher durchschnittlich 8,6 Kinder zwischen drei und sechs Jahren.
Nach dem Essen legt sich eine Erzieherin mit den Kleinen zum Schlafen auf ein Matratzenlager im Schlafraum und bleibt dort mit den Kindern liegen, bis alle schlafen. Währenddessen geht eine andere mit den Großen in die Kuschelecke, wo die Kinder entweder etwas vorgelesen bekommen oder eine CD hören, um sich auch ein bisschen auszuruhen.
Der Tagesablauf: Ein gut durchdachtes System
Von einer Erzieherin erfahre ich mehr: Allgemein ist das Besondere einer Elterninitiative, dass die Eltern gleichzeitig Arbeitgeber und Kunden sind. Sie müssen viel mitgestalten und mitanpacken, haben aber den Vorteil, dass sie die pädagogische Arbeit mitbestimmen können. Dies war auch der Hintergrund, warum die Elterninitiative gegründet wurde. Die Eltern wollten und wollen möglichst das ganze Kindergartenalter mitverfolgen, auch wenn sie ihr Kind nicht zu Hause betreuen. Aus diesem Grund dokumentieren die Erzieher auch alles, vom sozialen Verhalten bis zur Emotionalität des Kindes, und sammeln besondere Kunstwerke in einer Mappe, welche die Familie dann zur Einschulung überreicht bekommt.
Was für mich so leicht und unkompliziert wirkt, ist hinter den Kulissen ein gut durchdachtes System, erzählt mir die Erzieherin. Es gibt einen Plan, auf dem für jeden Tag festgelegt ist, wer mit Windeln wechseln, ins Bett bringen, ausruhen und Tisch decken dran ist. „Sonst klappt das hier alles nicht so schnell und reibungslos, wie es soll“, berichtet sie, als wir im Büro stehen. Sie zeigt mir zudem die Pläne für die Verteilung der Bettchen, Erste-Hilfe-Sets und Listen mit den Allergien der Kinder. Hier ist nichts dem Zufall überlassen. Einmal pro Woche gibt es eine zweistündige Team-Sitzung, bei der solche organisatorischen Fragen geklärt werden, die Erzieher sich aber auch austauschen, über die Entwicklung der Kinder sprechen und überlegen, wie man sie fördern kann.
Atmosphäre ist familiär
Nach einem Nachmittags-Snack dürfen die Kinder spielen, bis sie abgeholt werden, manche nutzen diese Zeit zum Malen, zum Spielen oder um sich von einem Erzieher ein Buch vorlesen zu lassen.
Zwischen den Kindern, aber auch zwischen Kindern und Erziehern besteht durch den familiären Rahmen und die liebevolle Betreuung eine sehr enge Bindung, welche die Kinder in den großen städtischen Kindergärten auf diese Weise möglicherweise so nicht erleben. Oft kommen die Kinder zu den Erziehern, weil sie eine kleine Kuschel-Einheit brauchen oder weil sie gerne einmal ein Spiel zu Zweit spielen wollen.
Am Ende des Tages freuen sich aber dennoch alle, nach Hause zu kommen und sich ein bisschen ausruhen zu können, um für den nächsten, erlebnisreichen Tag gestärkt zu sein.
Voller Bewunderung, dass die Erzieher auch am Ende des Tages noch so geduldig sein können und es schaffen auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen, beschließe auch ich meinen Tag in einer Elterninitiative.