Welche Talente hat mein Kind?
Jedes Kind hat Begabungen und Stärken – meist sogar mehrere. So findest du heraus, wo die Talente deines Kindes liegen!
Begabungen schlummern in jedem Kind!
Vielleicht denkst du beim Wort Talent spontan an etwas ganz Herausragendes und Ungewöhnliches. Neurobiologen aber betonen: Talent hat tatsächlich jeder! Man muss nur herausfinden, wo. Oft treten Talente sogar gleich im Zweierpack auf: Die Erfolgs-Sängerin Adele zum Beispiel ist auch eine gute Texterin und schreibt ihre Songs selbst. Und Jeff Kinney, der Autor der Bestsellerreihe „Gregs Tagebuch", ist gleichzeitig ein talentierter Cartoon-Zeichner.
Nicht jedes Talent ist so offensichtlich oder führt gar zu Berühmtheit. Es kann auch eine Gabe sein, leicht auf Menschen zugehen zu können, auch in schwierigen Lebenslagen optimistisch zu bleiben, oder durch sein fröhliches Wesen bei den Mitmenschen gute Laune auszulösen. Was genau macht also ein Talent eigentlich aus? Fachleute definieren es ganz einfach: Talent hat, wer richtig gut in bestimmten Bereichen ist, und zwar besser als der Großteil seiner Mitmenschen.
Talente wollen geweckt werden!
Sind Begabungen eigentlich angeboren, oder entstehen sie durch äußere Einflüsse und Erziehung? Beides, sagen Wissenschaftler. „Talente sind außerordentlich komplex", betont Prof. Gerald Hüther, Neurobiologe der Universität Göttingen, in einem Online-Interview. „Die Gene, die Prägung im Mutterleib, die Lebensbedingungen - alles beeinflusst sich gegenseitig." Die Stärken unseres Kindes sind also keineswegs schon vorprogrammiert. Sondern viele Begabungen zeigen sich erst, wenn das Kind mit den entsprechenden Bereichen (Musik, Kreativität, Bewegung usw.) in Kontakt kommt.
Wenn zum Beispiel Musik in einer Kindheit keine Rolle spielt, wird niemand je erfahren, was für ein Querflöten-Talent der Nachwuchs vielleicht wäre. Und ein Kind, das seine Nachmittage vorwiegend vor dem Bildschirm verbringt, kann nicht wissen, dass es vielleicht ein leidenschaftlicher Parkour-Läufer wäre, oder erstaunlich treffende Porträts zeichnen könnte. Damit seine Stärken eine Chance haben, muss dein Kind also breit gefächerte Erfahrungen machen dürfen.
In welchem Alter zeigt sich eine Begabung?
Du hast es sicher schon beobachtet: Es gibt Babys, die früher krabbeln oder laufen als andere. Doch dies ist - auch wenn das manch stolze Eltern enttäuschen mag - noch kein Anzeichen für eine Begabung. Erste Stärken deuten sich aber oft ab dem Kindergartenalter und im frühen Schulalter an. Welche das sind, findest du am leichtesten heraus, indem du deinem Kind einfach zuschaust: Was machen Sohn oder Tochter am liebsten? Womit können sie sich schon recht lange beschäftigen? Was versteht dein Kind besonders schnell, ohne dass man viel erklären muss? Frage auch die Erzieherinnen oder Lehrer ab und zu, was der Nachwuchs besonders gern oder ausdauernd macht. Vielleicht singt dein Kind ja den lieben langen Tag vor sich hin, oder malt auffallend lebendige und bewegte Bilder? Vielleicht aber schaltet es sich bei Streit gern ein und besänftigt die Kontrahenten. Oder es kann sich unzählige Dinosaurier-Rassen merken und kennt schon mehr Sternbilder als du. Vielleicht erfindet es bei Aufsätzen so fantasievolle Geschichten, dass du nur staunen kannst, oder hat 100 Ideen für Dinge, die dringend mal jemand erfinden müsste. Vielleicht hängt es beim Wettrennen alle ab, oder kann besonders geschickt balancieren.
So unterstützt du die Stärken deines Kindes
Zeige dich interessiert, wenn dein Kind so eine Vorliebe hat. Stelle ihm Fragen, lass dir von ihm erklären, wie etwas geht. Hält die Faszination für eine Sache länger an, kannst du es auch gezielt unterstützen: Im Kiga-Alter kann dein Kind bei der musikalischen Früherziehung mit Klängen experimentieren, ab sechs Jahren beim „Instrumenten-Karussell" der Musikschulen verschiedene Instrumente ausprobieren. Beim Kinderturnen, Kursen in Wassergewöhnung, Kinder-Judo oder auf dem Ponyhof macht es Erfahrungen mit dem eigenen Körper, bei Modellier- oder Malkursen für Kinder kann es seine Kreativität ausleben.
Es stimmt: Viele Kinder haben heute eher einen zu vollen Terminkalender. Um Stärken zu fördern, reicht es völlig, wenn dein Kind zwei Hobbys hat: „Mein Zweitklässler ist sehr aktiv und kann nicht genug bekommen. Den muss ich immer bremsen, weil der so viel ausprobieren möchte", berichtet auch eine Mutter in einem Online-Forum. „Neben Fußball hat er jetzt noch Hip-Hop-Tanzen angefangen, und wir stellen fest, dass er dafür einfach Talent hat und es ihm Spaß macht."
Offen sein für ungewöhnliche Talente
Damit ein Talent sich zeigen kann, ist es wichtig, dass du offen bist für die Vorlieben deines Kindes - auch dann, wenn sie dir selbst vielleicht nicht so liegen („E-Gitarre? Das ist doch mehr Lärm als Musik!"). Oder wenn sie dir unpassend erscheinen („Tanzen? Ist das nicht eher etwas für Mädchen?"). Es kann sein, dass genau hier eine besondere Begabung deines Kindes schlummert!
Versuche auch nicht, dem Nachwuchs deine eigenen Interessen aufzustülpen: Auch, wenn du selbst immer gern Geige lernen wolltest - das heißt nicht, dass dies auch für dein Kind gilt. „Das A und O ist eine anregungsreiche Umwelt, in der sich das Kind die Dinge selbst suchen kann", betont auch Prof. Detlef Rost, denn: „Das Kind muss sich wohlfühlen bei dem, was es tut", so der Psychologe von der Uni Marburg in einem Interview der ZEIT-online. Und dies ist der wichtigste Punkt. Denn dein Kind kann nur richtig gut in etwas werden, das es wirklich gern tut!
Auch in der Schule: Stärken betonen, statt Schwächen!
Es ist ein bisschen paradox: Wir wollen die Stärken unserer Kinder fördern - aber manchmal tun wir genau das Gegenteil, vor allem in puncto Schule: „In dem Fach, in dem du sehr gut bist, tust du nichts mehr. Aber in den Fächern, in denen du schlecht bist, lernst du rund um die Uhr", beschreibt Prof. Markus Hengstschläger die übliche Einstellung vieler Eltern. Das Ergebnis, so warnt der Medizin-Genetiker von der Universität Wien: „Da, wo das Kind so gut war, wird es nur noch Durchschnitt, weil es keine Zeit mehr dafür hat." Und das sei nicht sinnvoll, so der Autor des Buchs „Die Durchschnittsfalle: Gene - Talente - Chancen".
Wenn dein Kind also in einem Fach besonders gut ist, unterstütze es hier erst recht. Denn genau auf solchen Stärken basiert später ja seine Berufswahl - und auch seine Lebenszufriedenheit. (Natürlich darfst du in schwachen Fächern mit deinem Kind üben, lege aber nicht das Hauptaugenmerk darauf).
Talent nicht durch Über-Förderung ersticken!
Bei aller Talentsuche: Rechne damit, dass viele Interessen deines Kindes noch nicht für die Ewigkeit sind. Durch Ausprobieren merkt es natürlich auch, welche Dinge es eben nicht langfristig begeistern: „Meine beiden Jungs haben im Kindergartenalter auf jeder Baustelle rumgehangen, jedem Handwerker bei der Arbeit zugeguckt, Eisenbahnen beobachtet - und dann festgestellt, dass sie all diese Berufe später nicht machen wollen", resümiert eine Mutter diese Erfahrung in einem Forum.
Überhaupt ist Gelassenheit wichtig: Wir sollten nicht bei jeder noch so kleinen Vorliebe unseres Kindes gleich ein Riesen-Talent wittern, das auf Teufel komm raus gefördert werden muss. „Immer wenn ich früher nur das kleinste Interesse an etwas gezeigt habe, überhäuften mich meine Eltern sofort mit Büchern zum Thema. Damit haben sie meine Begeisterung eher im Keim erstickt, anstatt gefördert", erinnert sich Manuela Mertens, Mutter dreier Kinder aus Köln. Kinder brauchen auch Freiraum und Zeit, um herauszufinden, was sie wirklich fasziniert. Hält das Interesse an, dürfen wir ihnen natürlich unter die Arme greifen - aber mit Augenmaß!
Zum Weiterlesen:
Markus Hengstschläger: „Die Durchschnittsfalle. Gene - Talente - Chancen", ISBN-13: 978-3711000224.
Gerald Hüther: „Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen", ISBN-13: 978-3442747108.