Schwanger werden: Babyglück mit Hindernissen
Buchautorin Sonia Rossi wünschte sich noch ein Kind mit ihrem neuen Partner. Doch das Schicksal meinte es zunächst nicht gut mit ihr. Wie sie trotz schlechtem Spermiogramm, Beziehungskrisen und Fehlgeburt zu ihrem Wunschkind kam, erzählt sie hier.
Am Anfang war der Kinderwunsch
Unser Sohn wird heute anderthalb. Wenn wir ihn anschauen, wie er friedlich im Kinderwagen schläft, können wir immer noch nicht glauben, dass wir so viel Glück hatten.
Es fing damit an, dass wir ein Kind wollten. Viel eher wollte ich ein Kind, obwohl ich schon eins hatte, gerade weil ich schon eins hatte, einen bezaubernden Jungen, der gerade drei geworden war und dem ich ein Geschwister schenken wollte, bevor der Altersabstand zu groß werden würde. Endlich waren die Rahmenbedingungen auch perfekt: mein Mathematikstudium hatte ich beendet, ich hatte einen gut bezahlten Job als Ingenieurin, ein bisschen Geld auf der hohen Kante, und ich war frisch verliebt.
Malte, mein neuer Freund, zweifelte dagegen. Wie viele Adoptivkinder, hatte er Schwierigkeiten mit engen Bindungen, besonders zu Frauen. Und sein Schauspielerberuf, den er über alles liebte, verlangte Mobilität und zeitliche Flexibilität, zwei Attribute, die sich mit einer Familie schlecht kombinieren ließen. Auf der anderen Seite liebte er meinen kleinen Rabauken, wie sonst kein Kind bis jetzt in den siebenunddreißig Jahren seines Lebens. Und wenn er mit ihm fangen spielte oder ihm abends ein Buch vorlas, spürte er eine innere Ruhe, die er sonst nie erlebt hatte, als ob er am Ziel einer langen Reise angekommen wäre.
Die Vorstellung, ein Kind zu zeugen, erschreckte und faszinierte ihn gleichzeitig. Er hätte gerne noch ein paar Jahre gewartet, immerhin war er erst siebenunddreißig und hatte sich immer geschworen, dass er vor seinem vierzigsten Geburtstag Vater werden würde, und bis dahin waren es noch drei Jahre. Obwohl er jedes Mal, wenn er eine Glückwunschkarte mit einem Schnuller drauf an einen alten Schulfreund verschickte, was in letzter Zeit oft passierte, einen Stich im Magen spürte. Und dann gab es seine Freundin, die immer öfter darüber redete, dass ein zweites Kind so schön gewesen wäre, was bei ihm Schweißausbrüche verursachte. Sollte er das Unterfangen Kind wagen?
Vergebliches Hoffen auf eine Schwangerschaft
Kurz nach Neujahr ließen wir die Verhütung weg, obwohl Malte nach wie vor Zweifel hatte, ob er ein guter Vater werden würde. Ich rechnete meinen Eisprung mit Hilfe von Online-Kalendern, pinkelte auf Stäbchen, maß jeden Morgen meine Körpertemperatur und zeichnete Kurven, wie eine fleißige Schülerin in der Mathestunde. Wir nutzten jede fruchtbare Phase, und hatten Spaß daran, denn es gibt Schlimmeres für Verliebte, als häufig zu versuchen, ein Kind zu zeugen. Und trotzdem kündigte sich jeden Monat die rote Pest an, so nannte ich meine Regel, mit Brustspannen, fettigen Haaren und schlechter Laune, die ich gerne an Malte weiterreichte. Vergeblich hoffte ich, dass diese Zeichen eine Schwangerschaft ankündigen könnten. Runder wurden nur die Kugeln der anderen Mütter im Kindergarten meines Sohnes, bei allen - als ob eine Schwangerschaftsepidemie ausgebrochen wäre. Nur mein Bauch blieb flach oder, wenn er ein bisschen runder wurde, nur weil ich jeden Monat aus Frust einige Schokoriegel zu viel verspeiste, wenn meine Regel einsetzte.
Malte war keineswegs besorgt. Ich bekam eher den Eindruck, dass er stets erleichtert aufatmete, als ich verkündete, dass es auch diesmal nicht geklappt hatte. „Wir sind noch jung, wozu so viel Stress?“ meinte er und lehnte ab, weiter über das Thema zu reden. Mich dagegen wurmte es immer mehr, dass ich scheinbar die einzige Frau in meiner Umgebung war, die nicht schwanger wurde. Ich war sauer auf meinen Freund, der sich weigerte, unser Problem als solches zu erkennen. Immer öfters hatten wir deswegen Streit. Ich warf ihm vor, den Kopf in den Sand zu stecken. Er klagte darüber, dass ich kein anderes Thema mehr hatte. Wir gingen weiter ins Kino, ins Theater oder zum Spielplatz mit meinem Sohn aber, spätestens beim Anblick des ersten dicken Bauches, fingen wir an zu diskutieren.
Letzte Hoffnung Kinderwunschklinik
Nicht zu wissen, warum ich nicht schwanger wurde, machte mich zunehmend wahnsinnig. Ich war am Arbeitsplatz unkonzentriert, zu Hause schlecht gelaunt. Malte traf sich immer öfters abends mit seinen Freunden und ließ mich allein. Wenn mein Sohn schlief, durchsuchte ich Internetforen und schrieb mir die Finger wund vor Kummer. Schließlich schlug ich vor, eine Fertilitätsklinik aufzusuchen, um uns Klarheit zu verschaffen. Malte war alles anderes als begeistert. Er suchte nur in äußersten Notfällen eine Arztpraxis auf. Gerade solche intimen Vorgänge untersuchen zu lassen, zu welchem Zweck? Wir waren jung und gesund, ich müsste nur ein bisschen Geduld haben und mich nicht versteifen, so wie alle unsere Freunde sagten, dann würde es schon irgendwann klappen.
Der Weg zum Wunschkind ist steinig
Plötzlich bestand unser Bekanntenkreis ohnehin aus Fruchtbarkeitsexperten. Angeblich halfen beim Schwangerwerden Yogaübungen, ein Urlaub, eine Familienaufstellung, eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela, Frauenmantel- und Himbeerblättertee, Purzelbäume nach dem Sex. Jeder hatte sein Geheimrezept, nur fruchteten ihre Tipps bei uns nicht. (Wir probierten tatsächlich alles, bis auf die Pilgerreise). Malte blieb lässig, ich kramte die Statistiken raus: 90 Prozent aller Paare werden innerhalb eines Jahres schwanger. Bei den anderen lag zu 90 Prozent ein medizinisches Problem vor. Leider behielt ich Recht.
Vom Schicksal betrogen
Seine Spermien wären ein bisschen faul, erklärte uns lächelnd eine sympathische Ärztin, nachdem wir diverse Untersuchungen über uns hatten ergehen lassen. Das sei aber heutzutage nicht schlimm, denn für den Schnäppchenpreis von zirka 3.000 Euro pro Versuch konnte man dieses Problem mit einer In-Vitro-Befruchtung umgehen. Die Wahrscheinlichkeit, nach vier Versuchen ein Kind in den Armen zu halten, lag ungefähr bei 80 Prozent. Malte und ich entschieden uns für eine Denkpause. Ich hätte mich am liebsten sofort unter das Messer gelegt, weil ich das Warten satt hatte. Ich hatte den Eindruck, schon mein Leben lang auf unser Kind zu warten. Ich fühlte mich machtlos, vom Schicksal betrogen und wiederum schuldig, weil ich mich nicht mit meinem wunderschönen Sohn zufrieden geben konnte.
Ein letzter verzweifelter Versuch
Malte dagegen spürte die Wut und die Scham wachsen. Ich wurde seinetwegen nicht schwanger und drehte durch. Egal wie oft ich betonte, dass er für seine Subfertilität, so hießen die faulen Spermien im medizinischen Jargon, nichts konnte, mein Mitleid ärgerte ihn um so mehr. Musste ein Kind unbedingt sein? Er hatte seinen Beruf, viele Freunde, bis dahin ein erfülltes Leben. Wenn eine Vaterschaft nur durch einen steinigen Weg möglich war, war ein Kind die ganze Mühe vielleicht nicht Wert. Wobei er es sich schon schön vorstellte, Vater zu sein, aber die Angst, dass die medizinische Behandlung versagen würde, war ebenfalls sehr groß. Darüber redete er nicht. Nicht mit Freunden, nicht mit seinen Eltern, nicht mit mir. Unsere Gespräche mündeten meist in Auseinandersetzungen, wir waren voneinander oft nur genervt. Wir wussten, dass wir uns nach wie vor liebten, aber vielleicht war unsere Vorstellung von einem glücklichen Leben zu verschieden, als dass er eine gemeinsame Zukunft geben konnte. Mit diesen Voraussetzungen stimmte Malte einem Versuch zu, die letzte, verzweifelte Chance, unsere Liebe zu retten.
Fehlgeburt, Trennung - aber dann...
Ich wurde schwanger, erlitt aber eine Fehlgeburt. Danach versank ich in Verzweiflung, Malte floh dagegen vor seiner Trauer. Unsere Nerven lagen blank, schweren Herzens trennten wir uns. Ich konzentrierte mich in den kommenden Monaten auf meinen Sohn, fand einen neuen Job, versuchte, weiter zu leben. Erst ein halbes Jahr später, kurz vor Weihnachten, klopfte Malte an meine Tür. Er hatte verstanden, dass ein gemeinsames Kind nicht nur mein Anliegen war, sondern auch Seins. Der unerfüllte Kinderwunsch trennte uns nicht mehr, sondern vereinigte uns. Wir gehörten einander, und wir wollten zusammen kämpfen. Der nächste Versuch war positiv und blieb es auch, trotz einer keineswegs sorgenfreien Schwangerschaft. Zweieinhalb Jahre nach dem ersten Termin in der Fertilitätsklinik wurde unser Sohn geboren. Ein so glückliches Ende hätten wir nie zu träumen gewagt.
Unsere Gastautorin Sonia Rossi (31) ist Buchautorin und Mathematikerin. Ihr autobiographisches Buch „Kinderwunschtage“ ist im Januar 2014 im ePubli-Verlag erschienen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Berlin.