Wo ist der Mamavogel?
Klar finden wir es toll, wenn unsere Kinder uns Löcher in den Bauch fragen! Wissen wir doch um die wichtige Bedeutung der Fragerei für die Sprachentwicklung unserer Kleinen. Einige wenige Ausnahmen gibt es allerdings auch für die geduldigsten Eltern. Hier eine Szene aus dem Familienalltag mit einem Kind im Warum-Alter.
Klar sind Fragen wichtig!
Ja doch, ganz klar, es ist wunderbar, wenn Kinder beginnen zu sprechen und sich fragend die Welt erschließen. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Und als gewissenhafte und gut informierte Eltern wissen wir natürlich um die große Bedeutung dieser Entwicklungsphase. Daher vermeiden wir es möglichst, mitten im Fragenfeuerwerk die Augen zu verdrehen und "woher soll denn ich das wissen" oder - besonders ruppig - "darum!" zu antworten. Jedenfalls meist!
Dennoch sollte es bisweilen erlaubt sein zuzugeben: Die ganze niedliche Fragerei kann einen auch mal auf die Palme bringen. Hier eine Szene aus dem Alltag mit einem Kind im Warum-Alter von unserer Autorin Constanze Nieder:
'Warum hat die Mama Hunger?'
Wir sitzen im Auto. Endlich kann es losgehen. "Mama, wo ist mein Tutu?", fragt meine Tochter Carlina (2 Jahre) nach ihrem Schmusetuch, während Louisa (7 Monate) in ihrem Maxi Cosi weint. Das Tuch liegt natürlich im Haus, muss aber unbedingt mit. Ich gehe ja schon und bleibe ganz die Ruhe selbst – was an diesem Morgen schwer fällt. Immerhin habe ich schon mindestens vier volle Windeln gewechselt; eine umgekippte Apfelschorle vom Boden aufgewischt; eine ganze Ladung halbverdaute Babymilch über den Pulli bekommen, meine bespuckte Kleine und mich erneut umgezogen; meine Große abgeduscht, weil das Töpfchen doch nicht so schnell erreicht war … zudem sind meine Sternchen heute besonders quengelig.
Zurück im Wagen empfängt mich Louisa mit lautem Gebrüll und Carlina will Kindermusik hören. Na klar, sofort. Wir fahren, das Weinen wird leiser und Carlina fröhlicher. "Guck mal Schatz, da fliegt ein Babyvogel", sage ich. "Und wo ist die Mama vom Babyvogel?", will Carlina wissen. "Ich weiß es nicht. Vielleicht sucht sie nach Futter", vermute ich. "Und warum sucht sie nach Futter?" "Weil sie Hunger hat." "Warum hat die Mama Hunger?" "Vielleicht ist sie schon ganz viel geflogen." "Warum ist sie schon viel geflogen?" "Vielleicht weil heute so schönes Wetter ist und sie einfach Spaß daran hatte oder weil sie ein neues Nest baut." "Warum baut sie ein neues Nest?" "Vielleicht ist das alte kaputt gegangen", überlege ich. "Warum ist der Mamavogel nicht da?", hakt Carlina nach. "Ich weiß es nicht. Vielleicht sucht sie Futter." Meine Tochter: "Warum?" Ich bin froh, da vorne kommt die Esel-Wiese. Ablenkung! Aber die beiden Tiere sind nicht da. "Mama, wo sind die Esel?" "Wahrscheinlich sind sie im Stall?" "Warum sind sie im Stall?" "Weil die Besitzer sie noch nicht raus gelassen haben?" "Und warum?" "Die schlafen vielleicht noch." "Ach so", begnügt sich meine Tochter mit meiner Antwort.
'Warum ist der Mamavogel nicht da?'
Glück gehabt, vielleicht habe ich ja nun etwas Ruhe. Ja, etwa zehn Sekunden. "Und wo ist der Mamavogel?" Ich weiß es nicht und will es auch gar nicht wissen. "Mama, warum ist der Mamavogel nicht da?" Mir fallen die Worte meines Linguistik-Professors ein: "Fragen sind der Motor für die Sprachentwicklung." "Wo ist der Mamavogel?", zetert Carlina. "Eltern die ihren Kindern keine Antworten geben, gehören gestraft", dringt mir die Mahnung des Sprachwissenschaftlers ins Gedächtnis. "Mama, wo ist der Mamavogel?" Allen guten Vorsätzen zum Trotz zische ich: "Carlina, ich weiß es nicht. Bitte nerve mich nicht immer mit dieser Frage." Ruhe – drei Sekunden. "Mama?" "Jaha", sage ich. Bitte nicht wieder die Mamavogel-Frage. "Mama, ich hab dich ganz doll lieb."
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