Hey, wir sind auch noch da
Kinder verändern das ganze Leben eines Paares. Doch Eltern können von Anfang an auch für ihre eigenen Bedürfnisse Zeiten schaffen und das Kind in ihr Alltagsleben integrieren, anstatt ihr altes Leben komplett über Bord zu werfen
Alle haben Bedürfnisse
Leon hat Hunger und möchte gestillt werden, wenig später ist seine Windel voll und danach möchte er spielen. Die Wäsche türmt sich, der Müll quillt über, die Nächte sind unterbrochen, der lesenswerte Roman noch ungelesen. Und der Kalender ist voll mit Arztterminen, Spielgruppentreffen, Babyschwimmen. Seit Leon da ist, dreht sich alles nur um ihn. Karen kann sich gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal in Ruhe Kaffee mit einer Freundin getrunken hat. Der Feierabend von Leons Papa ist auch nicht mehr der, der er mal war. Kaum ist er zu Hause, muss er seinen Sohn in den Schlaf wiegen, puzzeln, Windeln wechseln oder den Kinderwagen schieben.
Kinder können die Welt der Eltern ganz schön auf den Kopf stellen, trotzdem muss sich nicht alles nur um das Kind drehen. Und zwar, indem Eltern das Kind in ihr Leben integrieren, frei nach dem Motto: „Du bist dabei, aber es geht nicht nur um dich!
Kinder miterleben lassen
Es geht nicht darum, Kinder zu beschäftigen oder sich ständig mit ihnen zu beschäftigen, sondern darum, sie miterleben zu lassen, womit ihr, als Eltern, euch beschäftigt. Eure Kinder brauchen kein extra Kinderprogramm, wenn ihr ein soziales Umfeld habt und in einem geregelten Alltag lebt. Ihr könnt sie einfach mitnehmen, sie teilhaben lassen und mit einbeziehen. In fast allen Situationen ist das irgendwie möglich.
Hausarbeiten gehen prima mit Kindern, egal welchen Alters: Wäsche falten, Putzarbeiten, Gartenarbeit oder Einkaufen. Kinder sind kostbare Helfer, wenn sie mit einbezogen werden, ihnen erklärt wird, was getan wird und sie ausprobieren dürfen. „Gib mir doch bitte mal die Wäscheklammern.“; „Du kannst das mal alles absaugen!“; „Schaffst du es, den Einkaufskorb ins Auto zu tragen?“
Nur, wenn Kinder die Hausarbeit miterleben, können sie diese selbstständig nachahmen, bringen dem, der sie tut, Wertschätzung entgegen und Eltern haben auch wirklich Feierabend, wenn die Kinder schlafen. Und schon sind Zeiten für euch selbst und die Partnerschaft geschaffen!
Auch ein Treffen mit Freunden, Ausflug oder eine Shoppingtour sind mit Kindern stressfrei, wenn ihr sie von Anfang an dazu mitnimmt und auch auf ihre Bedürfnisse eigegangen wird: „Schau mal, du kannst dort auf der Wiese spielen gehen, ich möchte mich hier mit Lea unterhalten.“; „Gleich können wir eine Pause machen, jetzt möchte ich noch in diesem Laden nach einem Geschenk für Oma schauen. Ich weiß, dass dich das langweilt.“; „Ich nehm dich ins Tragetuch, dann kannst du in Ruhe schlafen.“
Zeiten für Eltern und Kinder
Es gibt natürlich auch Zeiten, bei denen es nur um deine Kinder geht: Arztbesuche, vielleicht notwendige Therapien, Kindergeburtstage, Krankheitstage. Dafür musst du häufig eigene Interessen zurückstecken und stattdessen deine ganze Kraft, Liebe, Energie und Geduld aufbringen. Das ist auch richtig so. Elternsein ist die Entscheidung, einen Menschen zu begleiten und das bedeutet nun mal für ihn da zu sein und für anderes weniger Zeit zu haben.
Es gibt aber genauso Momente, Stunden oder auch Tage, in denen deine Kinder einfach mit dabei sind, ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, aber es gerade nicht nach ihren Wünschen gehen kann. Sie können „Verzichten“, genauso wie „geduldiges Warten“ lernen. Die Priorität liegt dann darauf, der Oma beim Umzug zu helfen, dem Papa eine schöne Geburtstagsfeier vorzubereiten oder dass Mama wieder gesund wird.
Kinder direkt mit einbeziehen
Kinder können vieles verstehen und begreifen, wenn man ihnen Dinge in Ruhe erklärt, zeigt und sie mit einbezieht: „Schau mal, all die Umzugskartons müssen noch nach unten getragen werden. Es wäre eine große Hilfe, wenn du schon mal die leere Wohnung fegst.“ Oder: „Nächste Woche können wir wieder auf den Spielplatz gehen, doch im Moment tut mir mein Fuß zu sehr weh.“
Notwendig dafür, dass deine Kinder auf etwas verzichten und geduldig warten, ist zum einen deine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit und zum anderen die emotionale Ebene. Eine Tochter, die Mitgefühl mit der Mutter entwickelt, wird es gar nicht wollen, dass die Mama den weiten Weg zum Spielplatz humpelt und ein Sohn, der seinen Papa glücklich machen möchte, wird fleißig in der Küche den Kuchen mit backen.
Kinder können ein hohes Maß an Geduld aufbringen, wenn man ihnen in den entsprechenden Alltagssituationen entgegenkommt: Mira sitzt ungeduldig im Flur auf dem Boden, schreit und möchte auf den Arm. Ihre Mama muss aber noch ihre Schuhe anziehen. Sie erklärt ihr, in ruhiger Stimmlage, was sie noch tun muss und legt ihr schon mal ihre Jacke vor die Füße: „Gleich gehen wir los, Mira. Schau mal, ich muss noch meine Schuhe anziehen, hier ist schon mal deine Jacke, die zieh ich dir danach an.“
Oberste Priorität bleibt die Paarbeziehung
Ein weiterer Aspekt ist wichtig für die richtige Gewichtung innerhalb der Familie: Ihr, als Eltern, seid in erster Linie ein Paar und habt durch das Kind eine gemeinsame Aufgabe. Die Pflege eurer Paarbeziehung ist schon alleine wichtig, um überhaupt die Rolle der Eltern, der Erziehenden ausfüllen zu können. Trotz aller Alltagshektik braucht ihr feste Zeiten, in denen ihr euch austauschen könnt, teilen, was ihr fühlt und etwas nur als Paar erleben. Im normalen Alltag reichen vielleicht die freien Zeiten, in denen die Kinder schlafen oder außer Haus sind und kleine Pausen zwischendurch, wie ein Spaziergang. Ab und zu ist auch ein Babysitter und ein Abend außer Haus eine sinnvolle Investition.
Mache dir immer neu bewusst, dass du dich zuerst für ein Leben mit dem Partner entschieden hast und deine Kinder als Geschenke und Aufgaben des Lebens dazu kamen und sie irgendwann auch wieder verlassen. Deine Partnerschaft aber muss zu allen Zeiten gepflegt werden. Vor allem in denen, die anstrengend und von Veränderungen geprägt sind. So wie die erste Zeit mit Kindern.
Vermittel das deinen Kindern und lasse sie spüren: „Ihr seid ein geliebter Teil von uns, wir haben und füreinander entschieden und ihr seid uns geschenkt worden. Wir sind immer für euch da und sorgen für euch, aber es gibt auch noch andere Dinge in unserem Leben.“
Denn je stärker der Fokus ist, den du auf dein Kind richtest, umso stärker entwickelst du auch eine Erwartungshaltung deinem Kind gegenüber. Dein Kind kann dadurch enormen Druck empfinden, schließlich will es deinen Erwartungen gerecht werden.
Räume schaffen
Ein Kind, was ankommt, verändert das Paarleben. Vieles ist nicht mehr, wie es einmal war. Ein Kind hat Bedürfnisse, aber Eltern haben sie auch. Für jeden mit seinen persönlichen Anliegen sollte Raum geschaffen werden, anstelle im Leben des Paares nur noch Raum für die Bedürfnisse des Kindes zu lassen und das „alte“ Leben vor die Tür zu setzen. Das ist gar nicht nötig und es nicht zu tun, entspannt nicht nur die Eltern.