Unser Kind hat uns beim Sex erwischt!
Irgendwie konnte man sich doch nie vorstellen, dass es einem selbst einmal passiert - und dann das: Sie sind von ihrem Kind beim Sex erwischt worden. Muss Ihnen das peinlich sein? Wie sollen Sie jetzt reagieren? Eine Psychologin gibt Antworten.
Wie sollen wir reagieren?
Zu hoffen, es werde einen selbst nicht treffen, ist zwecklos: Wohl beinahe jedes Elternpaar wird irgendwann vom Nachwuchs beim Liebesspiel erwischt, es ist nur eine Frage der Zeit. Und obwohl wir in Liebesdingen noch nie so aufgeschlossen waren wie heute und es fast kein Sexthema gibt, das nicht schon nachmittags im Fernsehen ausführlich breitgetreten würde: Viele Eltern sind doch noch sehr peinlich berührt, wenn Tochter oder Sohn urplötzlich mit fragendem Gesicht in der Schlafzimmertür stehen. Wie soll man denn nun reagieren? Erschreckt sich das Kind nicht, weil Mama und Papa beim Sex so komisch gucken, ist der Anblick der stöhnenden Eltern nicht vielleicht sogar schädlich für den Nachwuchs?
Problem liegt bei den Eltern, nicht beim Kind
"Kinder nehmen keinen Schaden, wenn sie die Eltern beim Sex erwischen", beruhigt Diplom-Psychologin Erika Sievers aus Wuppertal. Dabei spiele es auch keine Rolle, wie alt das Kind sei. "Wie Eltern mit dem Thema umgehen, hängt davon ab, wo bei ihnen selbst die Schamgrenze liegt" erläutert Sievers. "Eltern müssen für sich herausfinden, ob sie die Schlafzimmertür lieber abschließen möchten, oder nicht. Auch das Abschließen ist für die Kinder nicht schädlich. Und ob nun abgeschlossen wird oder nicht, alle Kinder lernen mit der Zeit, dass die Eltern eine Intimsphäre haben, die ihnen allein gehört. Älteren Kindern kann man daher zum Beispiel auch erklären, dass sie erst anklopfen sollten, bevor sie ins Elternschlafzimmer gehen. Genauso müssen jedoch auch die Eltern die Privatsphäre der Kinder respektieren und an deren Kinderzimmertür klopfen, statt einfach hineinzuplatzen.
Dass Eltern es meist als peinlich empfinden, beim Sex überrascht zu werden, hängt übrigens nicht von der Sache selbst ab, denn die ist ja etwas ganz Natürliches: "Das Empfinden der Peinlichkeit ist kulturell bedingt und hat auch mit den unterschiedlichen Lebensumständen zu tun. In manchen Gesellschaften schläft die ganze Familie im selben Raum, so dass jeder zwangsläufig ab und zu mitbekommt, wenn die Eltern Sex haben. Dort gilt es aber vielleicht als anstößig, wenn Männer und Frauen zusammen ihre Mahlzeiten einnehmen und sich gegenseitig beim Essen zusehen, was wiederum für uns schwer verständlich ist", erklärt die Fachfrau.
Wenn's passiert ist: Gelassenheit ist Trumpf
Wie aber nun reagieren, wenn es passiert? "Wenn das Kind spät abends oder nachts ins Schlafzimmer marschiert, ist es sowieso schlaftrunken und noch so in seinen Träumen gefangen, dass es gar nichts bemerkt und die Situation nicht wahrnimmt", erläutert Erika Sievers. "Man sollte den Sex wie selbstverständlich unterbrechen, gelassen bleiben und das Kind eine Weile zu sich ins Bett holen." Doch auch, wenn das Kind die Eltern tagsüber beim Sex erwischt und erstaunt im Türrahmen steht, heißt es locker bleiben. "Jetzt ist es wichtig, keinerlei Peinlichkeit aufkommen zu lassen. Die Eltern sollten das Kind zu sich ins Bett holen, wo dann gemeinsam geschmust, geredet, gelacht oder getobt werden kann." Erklärungen brauchen die "Ertappten" nur dann abzugeben, wenn das Kind ausdrücklich danach fragt, was Mama und Papa denn gerade gemacht haben. Wenn die Frage kommt, sollte man aber nicht allzu weit ausholen: "Anstatt bei den Bienen und den Blumen zu beginnen, ist es besser, jeweils nur die konkrete Frage des Kindes zu beantworten", rät Sievers. Man kann also zum Beispiel sagen, dass Mama und Papa gerade miteinander geschmust haben, weil sie sich so lieb haben.
Was hier gilt, gilt auch für die Aufklärung des Kindes generell: Erst mit Erläuterungen beginnen, wenn Fragen kommen. Auf jede Frage klar und kurz antworten. Und: Immer nur so viel erklären, wie auch gefragt wird. „Ein ganz tolles Hilfsmittel sind dabei die Bilderbücher, die es heute rund ums Thema Aufklärung gibt“, so der Tipp der Psychologin. "Man schaut gemeinsam das Buch an und erklärt, was zu sehen ist." Dies entlaste die Eltern und helfe ihnen bei dieser Aufgabe, die von vielen noch als schwierig oder peinlich empfunden werde.