Down-Syndrom: Unsere Tochter will leben
Ihr noch ungeborenes Kind wird behindert sein, hat der Arzt festgestellt. Es hat Trisomie 21. Doch eine Abtreibung kommt für Conny Weber trotzdem nicht in Frage. Ein Erfahrungsbericht über ihre Zweifel und die Entscheidung, Eltern zu werden.
Ultraschall: Down-Syndrom festgestellt
Conny Weber (24)* ist schwanger. Bei den Vorsorgeuntersuchungen wurde festgestellt, dass ihr Kind – ein Mädchen – mit dem so genannten Down-Syndrom geboren werden wird. Nach dem ersten Schrecken wussten sie und ihr Partner: Eine Abtreibung kommt für sie nicht in Frage.
"Der Arzt hat gleich von Abtreibung geredet"
"Mein Freund ist erst beim dritten Termin mitgegangen zum Frauenarzt, ich war in der 14. SSW, da wurde dann auch das erste Screening gemacht. Und dabei hat mein Frauenarzt eine verdickte Nackenfalte entdeckt. Wir konnten damit natürlich nichts anfangen und mein Arzt wollte auch nicht so recht mit der Sprache rausrücken, hat nur so Andeutungen gemacht von Trisomie und Chromosomenveränderung. Wahrscheinlich wollte er uns nicht zu sehr beunruhigen ohne das Urteil eines Spezialisten. Wir haben dann einen Termin an der Städtischen Klinik in Osnabrück für den Montag darauf bekommen.
An dem Wochenende habe ich mich schon mal per Internet über mögliche Befunde informiert, mein Freund wollte es lieber verdrängen. Als wir dann am Montag in Osnabrück waren, hat der Arzt dort auch sofort per Ultraschall den Verdacht bestätigt, Nackenfalte von 1,5 mm Dicke, bis ca. 3 mm ist normal. Er hat uns auch gesagt, welche Schäden vorliegen können: Trisomie 13, 18 und 21 (Chromosomenstörung, bei der das normalerweise zweifach vorhandene Chromosom dreifach vorkommt, was Entwicklungsstörungen verursacht).
Er hat uns zu einer Fruchtwasseruntersuchung und einer Chorionzottenbiopsie geraten. Das Schlimmste aber war, das er sofort von einem Abbruch der Schwangerschaft geredet hat. So, als wenn alles schon klar wäre. Viele würden sich dafür entscheiden. Ich hatte den Eindruck, als wenn er jemand wäre, der aussortieren würde. Die Gesunden dürfen leben, die Behinderten sollte man lieber nicht bekommen.
Wir haben der Fruchtwasseruntersuchung zugestimmt. Vorher musste ich noch eine Erklärung über die möglichen Folgen des Eingriffs (z.B. erhöhte Gefahr einer Fehlgeburt) unterschreiben, wir haben uns das gemeinsam auf dem Flur durchgelesen. Mein Freund hat dort gesagt, dass er kein behindertes Kind will. Ich war erst mal geschockt über seine Reaktion, habe aber nichts gesagt, weil ich sonst angefangen hätte zu heulen. Nach dem Eingriff hat uns der Arzt gesagt, dass wir die vorläufigen Befunde innerhalb von 48 Stunden hätten. Ich konnte den ganzen Tag mit niemanden reden, weil mir ständig die Tränen in die Augen traten und ich nicht wollte, dass mich mein Freund heulen sieht.
*Name von der Redaktion geändert
Diagnose Down Syndrom: Was jetzt?
Die Befunde kamen und kamen aber nicht. Das war eine ziemlich schwere Zeit für uns, weil wir ja nichts wussten. Ich habe dann auch noch den Fehler gemacht, zu glauben, dass, wenn immer noch nichts da ist, sie vielleicht auch nichts gefunden haben. Ansonsten hätten sie uns mit Sicherheit schon Bescheid gegeben, hoffte ich. Als eine Woche später immer noch nichts da war, habe ich bei meinem FA angerufen. Die Ergebnisse waren da. Befund: freie Trisomie 21.
Ich habe es per Telefon einen Tag vor meinem 24. Geburtstag erfahren. Am Telefon war ich noch ziemlich gefasst, als ich auflegte auch noch, aber als mein Freund nach Hause kam und ich es ihm sagte, fing ich an zu heulen. Einerseits wegen des Befundes, aber wohl mehr deswegen, weil ich nicht wusste, wie mein Freund darauf reagiert. Er hatte mir zwar ein paar Tage vorher noch gesagt, dass er mit dem Down-Syndrom nun wohl zurecht käme, aber das klang nicht sehr überzeugend. Wir mussten uns also entscheiden, ob wir das Kind wollten oder nicht.
Trisomie 21: Eine Abtreibung kommt nicht in Frage
Mein Freund hat mal gesagt, wenn schon behindert, dann wenigstens einen Jungen. Ich habe meinen Arzt angerufen, weil ich ja wissen wollte, was es wird. Er hat mir gesagt, dass es ein Mädchen ist und dass er gerne noch am selben Tag mit uns reden möchte. Wir sind dann abends noch hingefahren, haben uns unsere Tochter auf dem Ultraschall angesehen, sie war sehr lebhaft und bewegte sich die ganze Zeit. Ich hatte sofort das Gefühl: Die Kleine ist so aktiv auf dem Ultraschall, sie will leben. Wenn es nicht hätte sein sollen, hätte die Natur schon längst eingegriffen. Hat sie aber nicht.
Am liebsten hätte ich meinem Freund nicht gesagt, dass es ein Mädchen ist, aber er hat ja den FA selbst gefragt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er jetzt gegen das Kind ist. Er hat sich dann auch erkundigt, wie so ein Abbruch abläuft. Als wir zu Hause waren, fing er schon an, von wegen Mädchen und so. Ich habe ihm gesagt, dass er das auf keinen Fall vom Geschlecht abhängig machen darf. Er hatte sich schon gedacht, dass ich mich schon für das Kind entschieden hatte, was ja auch stimmte. Und eigentlich machte er an diesem Abend den Eindruck, als wenn er auch dafür wäre.
Aber am nächsten Abend sagte er mir, dass er immer mehr ein negatives Gefühl der ganzen Sache gegenüber hätte. Er wäre zu sensibel und wüsste nicht, ob es damit zurecht käme. Schließlich würde sie, unsere Tochter, doch ewig nur gehänselt werden usw. Ich habe nur gedacht, also doch, nur weil es ein Mädchen ist. Und dann kam noch der Spruch, ich wäre doch fruchtbar und wir könnten doch auch gesunde Kinder bekommen.
Manchmal wollte ich das Kind mit Down-Syndrom, manchmal nicht
Ich war total am Boden zerstört, hab mich ins Schlafzimmer verzogen und nur noch geheult. Für mich hieß es in dem Moment, er hat sich dagegen entschieden und mir bleibt keine andere Wahl, als dem Folge zu leisten, weil ich ohne ihn mit einem behinderten Kind nicht zurecht käme.
Ich habe ihn in dem Moment richtig gehasst. Natürlich hatte auch ich zu kämpfen. Meine Gedanken gingen immer von dafür zu dagegen. Tagsüber war ich dafür und wenn ich nachts aufgewacht bin, wollte ich das Kind plötzlich nicht mehr. Und am nächsten Morgen dann wieder habe ich nur gedacht, wie kannst du so was nur denken!
Auch habe ich mich im Gegensatz zu meinem Freund mit anderen darüber unterhalten, einmal mit meiner Freundin und dann noch mit Zweien aus dem Forum, die ich bis dahin nicht kannte, und die mir sehr geholfen haben, einfach, weil sie zugehört haben.
Mir ist klar geworden, dass, wenn ich einen Abbruch nur meinem Freund zuliebe machen würde, ich mit diesem Mann dann nicht mehr zusammen leben könnte. Wir würden uns also trennen. Würde ich ihm sagen, ich behalte das Kind, würde er sich wahrscheinlich von mir trennen. Dann doch lieber ohne ihn, dafür mit meiner Tochter. Er hat dann am Abend angerufen und gesagt, er finde, dass wir doch gar nicht anders können, als unsere Tochter zu bekommen. Das am Vorabend sei nur eine Art Panikattacke gewesen. Ich war unendlich erleichtert. Seitdem steht er auch dazu, hat es sogar seinen Arbeitskollegen gesagt. Er sagt, wir beide zusammen schaffen das schon.
Mutter werden: Ein herrliches Gefühl!
Ich habe mich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet und finde es auch gar nicht so schlimm, dass unsere Tochter DS haben wird. Ich sehe darin eine Lebensaufgabe für mich. Wir haben auch schon gesagt, dass unsere Tochter nicht alleine aufwachsen soll und wir auf jeden Fall noch ein Kind bekommen wollen.
Übrigens steht meine ganze Familie hinter mir, meine Eltern bedauern nur, dass sie so weit weg wohnen, ca. 100 Kilometer von hier. Weil sie dann nicht mal eben aufpassen können. Sie haben gesagt, egal, wie wir uns (bzw. ich mich) entscheide(n), sie werden es verstehen.
In drei Wochen müssen wir noch mal zur Uniklinik. Da wird dann geguckt, ob die Organe alle in Ordnung sind, vor allem das Herz. Es könnte nämlich sein, dass schwere Herzfehler vorliegen, die laut FA katastrophale Folgen für unsere Tochter haben könnten. Aber ich denke nicht, dass es so ist, denn die Kleine ist ja sehr flippig. Ich kann sie übrigens auch schon spüren. Es ist ein herrliches Gefühl!"