Kinder mit besonderen Eigenschaften

Leben mit dem Down-Syndrom

In Deutschland werden jährlich 1200 Kinder mit dem Down-Syndrom geboren. Was sind ihre Besonderheiten, wo liegen ihre Schwierigkeiten? Wie und wo lernen und arbeiten sie? Wir klären Sie auf über diese Behinderung und über Möglichkeiten zur Integration.

Autor: Petra Fleckenstein

Wie sieht die Wirklichkeit heute aus?

Maedchen Downsyndrom schreibend
Foto: © iStockphoto.com/ Diloute

Die Furcht, ein behindertes Kind, zum Beispiel mit dem Down-Syndrom, zu bekommen, belastet viele werdende Eltern. Hilfreicher als sich mit noch mehr pränataler Diagnostik zu beschweren mag es sein, sich einmal die Realität des Lebens Behinderter genauer anzusehen. urbia gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Down-Syndrom.

Was ist das Down-Syndrom?

Das Down-Syndrom ist keine Krankheit, sondern die Folge einer Chromosomen-Anomalie. Die daraus resultierenden körperlichen und geistigen Besonderheiten bleiben das ganze Leben lang und sind nicht zu heilen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, ein Baby mit Down-Syndrom zu bekommen?

Weltweit leben etwa fünf Millionen Menschen mit dem Down-Syndrom. Dabei ist die Häufigkeit des Auftretens bei 1 auf 750 Geburten überall gleich. Es gibt in den verschiedenen Ländern der Erde keine Unterschiede bei der Häufigkeit des Auftretens. In Deutschland werden jährlich zirka 1200 Kinder mit Down-Syndrom geboren. Die Wahrscheinlichkeit, ein Baby mit Down-Syndrom zu bekommen, steigt mit zunehmendem Alter. Sie liegt bei einer 25-jährigen Schwangeren bei 0,1 Prozent, bei einer 40-jährigen Frau bei 1 Prozent, mit 45 Jahren bei 4 Prozent.

Welche Bezeichnung ist angemessen?

Der englische Arzt John Langdon Down beschrieb 1866 als erster die klassischen Merkmale dieser Behinderung. Dass beim Down-Syndrom das Chromosom Nummer 21 statt zweimal dreimal in jeder Zelle vorhanden ist, entdeckte erst 1959 der Franzose Jérome Lejeune. So kam es zur Bezeichnung Trisomie 21.

Die Begriffe mongoloid oder Mongolismus sollten heute nicht mehr gebraucht werden. Sie gehen von der im 19. Jahrhundert geprägten falschen Annahme aus, das Down-Syndrom sei eine Rückverwandlung mancher Menschen in einen primitiveren Rassetyp. Zudem hat die Volksrepublik Mongolei schon 1965 dagegen protestiert, den Namen ihres Volkes derart zu missbrauchen.

Medizinische Probleme bei Menschen mit Down-Syndrom

Zunächst einmal: Menschen mit Down-Syndrom sind Individuen wie alle anderen auch mit all den Erbinformationen, die ihnen von ihren Eltern mitgegeben wurden. Erst danach sind sie Menschen mit bestimmten Schwierigkeiten. Babys sind meist kleiner als normal, eine Muskelschwäche ist die Regel. 40-50 Prozent der Kinder kommen mit einem Herzfehler auf die Welt, der jedoch schon früh operiert werden kann. Auch Fehlbildungen der Verdauungsorgane treten häufiger auf (bis zu 12 Prozent), sind jedoch ebenfalls operabel. Kinder mit Down-Syndrom bekommen häufiger Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit), so dass sie mit gluten-freiem Getreide wie Reis und Hafer ernährt werden müssen.

Viele Kinder haben Sehstörungen oder hören schlechter. Die Hörfähigkeit sollte daher regelmäßig untersucht werden. Allgemein wird darauf hingewiesen, dass Menschen mit Down-Syndrom häufiger an Infekten erkranken.

Insgesamt gilt aber: Nie treten all diese Probleme bei einem einzigen Kind auf. Sie sind unterschiedlich stark ausgeprägt und fehlen bei einigen Kindern fast ganz.

Wie leben Kinder mit dem Down-Syndrom im Kleinkindalter?

Kinder mit Down-Syndrom durchlaufen in den ersten Lebensjahren fast die gleiche Entwicklung wie andere Kinder, nur zeitlich verschoben. Je nach Ausprägung des Down-Syndroms ist wegen des schwachen Muskeltonus häufig eine Krankengymnastik nötig. In der Regel lernen jedoch alle Kinder das Sitzen, Krabbeln und Laufen.

www.familienratgeber.de ist ein Internetangebot der Aktion Mensch, das sich an Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen und die sie betreuenden Stellen richtet. Interessierte können sich umfassend zum Thema Familie und Behinderung informieren und sich in Gesprächsforen direkt austauschen. Eine Adressdatenbank mit über 15.000 Anlaufstellen bundesweit bietet die Möglichkeit, gezielt nach Einrichtungen sowie Beratungs- und Hilfsangeboten zu suchen.

Pädagogen einer Frühförderstelle (Adressen bei den Kinderärzten) kommen ins Haus und unterstützen die Eltern dabei, durch spielerische Aktivitäten die Entwicklung des Kindes zu fördern. Zeitweise kann es nötig sein, sich bei der Sprachentwicklung Hilfe durch Logopäden zu holen. Probleme haben Kinder mit Down-Syndrom weniger mit dem Sprachverständnis als vielmehr mit der Sprachproduktion. Heute ist das Angebot an Therapien für behinderte Kinder sehr groß. So dass es wichtig ist, eine Auswahl zu treffen und sich und das Kind nicht allzu sehr unter Druck zu setzen mit der Angst, irgendetwas zu verpassen.

Gut ist es, wenn Sie von Anfang an mit Ihrem Kind Kontakte suchen wie andere Mütter auch, zum Beispiel in Krabbel- oder Spielgruppen der Familienbildungsstätten oder auf öffentlichen Spielplätzen.

Down Syndrom: Schule und Kindergarten

Wer wissen möchte, welche Kindergärten und Schulen Kinder Down Syndrom besuchen, kommt an einer Debatte nicht vorbei, die seit 25 Jahren in Deutschland geführt wird: Die Frage nach "nicht-aussondernder" Erziehung, oder, anders gesagt, der Integration behinderter Kinder in Regelkindergärten und Regelschulen. Deutschland ist in dieser Frage Entwicklungsland. Während in den 70er und 80er Jahren Sonderschulen in Norwegen und Italien systematisch geschlossen wurden und in diesen Ländern eine Integrationsquote von fast 100 Prozent erreicht wurde, liegt Deutschland mit fünf Prozent weit hinten.

Es gibt jedoch frappiernde Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 6. Mai 1994 lautete: "Die Bildung behinderter junger Menschen ist verstärkt als gemeinsame Aufgabe für grundsätzlich alle Schulen anzustreben." Ernst gemacht haben damit bis heute vor allem Berlin und Schleswig-Holstein, wo Eltern die besten Chancen haben, ihr behindertes Kind in einer Schule ihrer Wahl in der Nähe des Wohnorts unterzubringen. Schlusslichter bei den Integrationsbemühungen bilden Bayern und Baden-Württemberg. Beliebtes Argument: Die Kostenfrage. Dabei zeigen Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern und eine Studie der TU Berlin, dass Integration preiswerter ist als das eher teure Sonderschulwesen.

Der Alltag vieler Kinder mit Down-Syndrom sieht daher noch immer so aus, dass sie am Morgen zu Hause abgeholt und bis nachmittags in einer klassischen Sonderschule – getrennt von den sogenannten normalen Kindern - unterrichtet werden.

Wo arbeiten und wohnen?

In Deutschland gibt es 1100 Werkstätten für Behinderte mit etwa 210 000 Mitarbeitern, 80 Prozent davon sind geistig behindert. So stellen die Werkstätten für Behinderte noch immer den Hauptarbeitgeber auch von Menschen mit Down-Syndrom dar. Doch der Integrationsgedanke in die "normale" Arbeitswelt setzt sich mehr und mehr durch. Informationen und Hilfen gibt es bei der "Bundesarbeitsgemeinschaft für unterstützte Beschäftigungen" (BAG UB). Schon heute finden Menschen mit Down-Syndrom im Gastgewerbe, Altersheimen, Krankenhäusern, Geschäften, als Schauspieler, Maler, Weber oder Töpfer Arbeit.

Auch beim Wohnen geht der Trend weg von den großen Wohnheimen für Behinderte hin zu kleineren Wohneinheiten, zum Beispiel zu sozialpädagogisch betreuten Wohngemeinschaften, in denen Behinderte mit nicht-behinderten Freunden zusammen leben.

Ein Beispiel für eine geglücktes Zusammenleben: Dorfgemeinschaft Hohenroth

In Unterfranken, bei Gemünden am Main, leben in der Dorfgemeinschaft Hohenroth 140 geistig-seelisch behinderte Menschen mit den sie betreuenden Familien in Hausgemeinschaften zusammen. Je drei bis vier Familienhäuser bilden zusammen mit Stall oder Werkstatt einen Hof. Arbeitsplätze gibt es in der Landwirtschaft, Gartenbau, Bäckerei, Molkerei, Metall- und Holzwerkstätten, sowie im Naturkostladen und im Café. Neben der Arbeit gibt es Angebote zu musizieren, zu plastizieren, zu reiten, zu tanzen und Sport zu treiben.

Menschen mit dem Down-Sndrom haben heute eine Lebenserwartung von 60 Jahren. In Hohenroth bleiben sie auch im Alter. Träger der Einrichtung ist der deutsche SOS-Kinderdorf-Verein.

Ohrenkuss - Menschen mit Down-Syndrom machen eine Zeitschrift

Viele Menschen mit Down-Syndrom können heute lesen und schreiben. Dass sie aber über sich und ihr Leben schriftlich reflektieren können und eine ganze Zeitschrift nach bestimmten thematischen Schwerpunkten gestalten, mag viele überraschen. Doch in Bonn trifft sich regelmäßig die Redaktion "Ohrenkuss", um ihre nächste Ausgabe zu planen. Themen sind zum Beispiel Liebe, Essen, Arbeit, Afrika – durchweg gestaltet von Menschen mit Down-Syndrom. Eine sehr bereichernde Informationsquelle auch für sogenannte Normale, um sich Denken und Fühlen ihrer Mitmenschen mit Down-Syndrom besser vorstellen zu können.

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