Mutter hilft beim eigenen Kaiserschnitt
Sinnvoll oder medizinisch fragwürdig? In einer Bad Oeynhausener Klinik hat eine Mutter bei der Kaiserschnitt-Geburt geholfen und ihr Baby selbst aus dem Bauch gehoben. Der deutschlandweit erste von der Mutter assistierte Kaiserschnitt soll die Mutter-Kind-Bindung stärken.
Neuer Kaiserschnitt: Stärkere Bindung fördern
Nach einer halben Stunde war alles vorüber: Die fünffache Mutter Oxana Kaiser hat Anfang Juni 2015 ihr jüngstes Kind Eric Maximilian bei einem medizinisch notwendigen Kaiserschnitt selbst aus dem Bauch gezogen. Die bislang in Deutschland neue Geburtsmethode stammt aus Australien und wurde in einer Klinik in Bad Oeynhausen erstmals durchgeführt. Die Bindung zu ihrem Sohn sei von Beginn an gleich sehr eng gewesen, weil sie das Baby eigentlich selbst zur Welt gebracht hätte, erzählte die 30-Jährige dem WDR in einem Interview. Das sei auch der Grund, warum man sich für die Einführung des so genannten mütterlich assistierten Kaiserschnitts entschieden habe, betonte Manfred Schmitt, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde im Krankenhaus Bad Oeynhausen.
Fast ein normaler Kaiserschnitt
Nach einer anfänglichen Skepsis und genauer Festlegung von besonderen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen sei er inzwischen davon überzeugt, dass die mütterliche Hilfe bei der Geburt keine Gefahr für das Wohl von Mutter und Säugling darstelle. "Dass die Frau sich selbst das Kind auf die Brust ziehen kann, gibt ihr ein gewisses Maß an Selbstbestimmung zurück, was sonst in eine Operation nicht gegeben ist", sagt Chefarzt Manfred Schmitt. Im Übrigen sieht er bei der neuen Geburtsmethode auch sehr wenig Änderungen im Vergleich zum gewöhnlichen Kaiserschnitt: Die Arme der Mutter und ihre Hände müssen absolut keimfrei sein, nötige Kanülen und Infusionen werden dann an anderen Körperstellen platziert - außerdem sind die Kosten für die assistierte Methode nicht teurer als beim normalen Kaiserschnitt und mehr Personal sei dafür auch nicht nötig.
Assistierter Kaiserschnitt: Das denken Ärzte und Hebammen
An der Klinik für Geburtsmedizin der Berliner Charité hat man sich schon vor Jahren Gedanken über eine Alternative zum konventionellen Kaiserschnitt gemacht und im Jahr 2012 die so genannte Kaisergeburt eingeführt: Hier kann die Mutter im entscheidenden Moment zuschauen oder sogar mitpressen, wenn die Medizinier den sonst üblichen Sichtschutz absenken, um das Baby-Köpfchen aus dem Bauch zu heben. Auch bei dieser noch relativ neuen Geburtsmethode sei das Ziel, die Atmosphäre einer Geburt zu betonen, damit die Anmutung einer Operation wieder in den Hintergrund tritt, erklärt der Chefarzt der Klinik, Professor Wolfgang Henrich. Zudem spielt der Vater bei der "Kaisergeburt" eine größere Rolle, denn er darf die Nabelschnur durchtrennen. Ist das Kind gesund, legt man es der Mutter auf die Haut. "Das alles dient dem Bonding", sagt Professor Wolfgang Henrich, "der frühen Mutter-Kind-Bindung durch Haut- und Blickkontakt." Das Prinzip sei sicher, so Professor Henrich, und habe die Kaiserschnittrate nicht ansteigen lassen, wie die Ergebnisse wiederholter Erhebungen zeigen. Eine "Kaisergeburt" werde auch nur dann durchgeführt, wenn für einen Kaiserschnitt medizinische Gründe vorliegen. Den "assistierten Kaiserschnitt" will Wolfgang Henrich zwar nicht von vornherein ablehnen, bewertet aber dessen Nutzen zurückhaltend: "Worin soll der besondere Mehrwert denn liegen, wenn das Baby erst einmal gar keinen Hautkontakt zur Mutter haben kann, weil deren Körper aus hygienischen Gründen abgedeckt ist?
Hebammen bezweifeln Nutzen
Auch der NRW-Landesverband der Hebammen stellt den nachhaltigen Nutzen dieser Art des Kaiserschnitts in Frage. Schließlich beschränke sich die für werdende Mütter so wichtige Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit bei einer Geburt hier lediglich auf das Herausziehen des Kindes - und das auch nur während eines komplexen operativen Eingriffs, auf den die Frau ansonsten keinerlei Einfluss nehmen kann. Als einzigen positiven Nebenaspekt bewertet der Hebammenverband die Tatsache, dass die Hände der werdenden Mutter beim "assistierten Kaiserschnitt" nicht, wie sonst durchaus üblich, fixiert sind. Dennoch bleiben Zweifel und eine gewisse Irritation bei den Hebammen über: "Bei der natürlichen Geburt gehört die Verbundenheit zwischen Mutter, Kind und Vater dazu. Dass dieser Aspekt nun gerade im Rahmen des mütterlich assistierten Kaiserschnitts herangezogen wird, um eine operative Entbindung als besonders positiv darzustellen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie", meint denn auch Renate Egelkraut, Vorsitzende des Landesverbandes der Hebammen NRW.