Dicke Mutter - dickes Kind
Wer zu dick ist, befindet sich oft im Vorstadium eines Diabetes, ohne es zu wissen. Bei einer Schwangerschaft kann dies das Gehirn des Fötus so prägen, dass auch er die Neigung zum Übergewicht entwickelt.
Kinder dicker Mütter werden häufig schon als Kinder dick
Viele junge Schwangere in Deutschland sind zu dick. Schon jeder zweite Einwohner Deutschlands - und keineswegs nur ältere Personen - ist übergewichtig und jeder sechste sogar als adipös (fettsüchtig) einzustufen. Aber nicht genug damit: Schon 15 Millionen übergewichtige Deutsche befinden sich - gewöhnlich ohne es zu wissen - in einem Vorstadium zum Diabetes und werden innerhalb von 10 Jahren das Vollbild des Diabetes entwickeln.
Werden aber Frauen im Vorstadium zum Diabetes schwanger oder entwickeln einen sogenannten Schwangerschafts-Diabetes, werden dann aber nicht angemessen behandelt, so geben sie ihrem Kind einen Schaden im Gehirn mit, an dessen Folgen das Kind schwer zu tragen hat: Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls dick oder sogar fett werden und zwar schon während seiner Kindheit und Jugend und es wird diesen erworbenen Schaden an die nächste Generation weitergeben.
Fötus entwickelt nur geringes Gefühl für Sattsein
Professor Dr. Andreas Plagemann von der "Klinik für Geburtsmedizin" der Berliner Charité hat am Modell von Ratten gezeigt, dass die prädiabetischen und diabetischen Tiere durch ihren erhöhten Zuckerspiegel im Blut und der daraus folgenden erhöhten Insulinproduktion der Ungeborenen deren Gehirne schädigen. Die Bereiche im Zwischenhirn, in denen das Gefühl für Hunger oder Sattsein ebenso wie die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse reguliert werden, bleiben bei den Nachkommen fehlentwickelt und und in ihrer Funktion gestört. Der Nachwuchs kann wegen des ständig zu hohen Insulinspiegels, der Fettsucht begünstigt, schon übergewichtig zur Welt kommen und hat ein zu gering entwickeltes Gefühl für Sattsein.
Dies ist auch bei Säuglingen diabetischer Mütter der Fall: Sie werden ständig nach Nahrung verlangen und bereits in jungen Jahren wegen ihres Übergewichts überhöhte Werte von Blutdruck und Blutfett haben und ihr Organismus kann das Hormon Insulin nicht korrekt nutzen. Sie tragen damit das Risiko für alle Folgekrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen, Erblindung und Krebs in sich. "Wir haben es hier nicht mit einem genetischen (erblichen) Schaden zu tun, sondern mit einem in der uterinen Umwelt erworbenen, der dennoch an die folgenden Generationen weitergegeben wird" sagt Professor Plagemann.
Änderung der Mutterschaftsrichtlinien gefordert
Um aber die Kette - dicke Mutter - dickes Kind - dicke Mutter etc. zu unterbrechen, so Plagemann, sei es unbedingt notwendig, bei jeder Schwangeren nach der 24. Schwangerschaftswoche einen sogenannten "oralen Glukose-Toleranz-Test" durchzuführen. Fällt der Test krankhaft aus, so muss die Frau unbedingt entsprechend behandelt werden, sei es durch Diät oder auch durch tägliche Insulininjektionen. Nur wenn ihr Stoffwechsel normalisiert wird, entwickelt sich auch die Stoffwechselregulation ihres Kindes normal und das Kind bringt ein gesundes Gefühl für Hunger und Sättigung mit auf die Welt und kann, sofern die Mutter es nicht absichtlich mästet, normalgewichtig und stoffwechselgesund aufwachsen.
Der Test kostet sechs Euro. Er zahlt sich mit Sicherheit aus: In Deutschland kommen jährlich ca. 700.000 Kinder zur Welt. Mehr als jede 10. Schwangere entwickelt einen Schwangerschaftsdiabetes. Gelänge es, all diese Frauen adäquat zu behandeln, so bliebe rein rechnerisch jedes Jahr mindestens 80.000 Kindern das Risiko lebenslanger Fettsucht mit allem Leid der gesundheitlichen und psychischen Folgen erspart. Auch das würde sich "rechnen": Denn zur Zeit geben die Krankenkassen allein für die krankhaften Folgen des Übergewichts mehr als 18 Milliarden Euro jährlich aus. (idw)