Wie sich die Verdauung deines Babys entwickelt
Das Verdauungssystem deines Babys muss erst noch reifen und reagiert empfindlich auf Störungen. Wir erklären dir, was im ersten Jahr alles im Babybauch passiert.
- Baby im Mutterleib: Verdauungstrakt entwickelt sich früh
- Nach der Geburt: Darmbakterien beeinflussen ganzes Leben
- Brust oder Flasche: Gibt es einen Unterschied?
- Antibiotika und Probiotika beeinflussen Darmbakterien
- Die ersten drei Monate: Unreifer Darm braucht Zeit und Training
- Regulationsstörung oft Ursache von Dreimonatskoliken
Baby im Mutterleib: Verdauungstrakt entwickelt sich früh
Der Verdauungstrakt ist eines der ersten Organsysteme, die sich im Babykörper ausbilden. Am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats ist mit Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm bereits alles da, was dein Baby später für die Verdauung braucht. Die wichtigen Verdauungsenzyme werden zwar auch schon gebildet, nehmen ihre Arbeit aber erst nach der Geburt auf. Denn bis auf das Fruchtwasser in Mamas Bauch gibt es ja auch noch nichts zu verdauen. Verdauuungprobleme gibt es also noch nicht.
Nach der Geburt: Darmbakterien beeinflussen ganzes Leben
Solange ein Baby im Mutterleib ist, bleibt sein Verdauungstrakt nahezu keimfrei. Doch schon wenige Wochen nach der Geburt haben die unterschiedlichsten Bakterien seinen Darm dicht besiedelt. Die Basis dafür wird schon bei der Geburt gelegt, wenn das Baby im Geburtskanal mit schützenden Bakterien der Mutter in Berührung kommt, die sich dann in seinem Darm ansiedeln. „Die ersten Darmkeime wirken vermutlich ein Leben lang auf unser Immunsystemwirkung, doch wir wissen noch immer viel zu wenig darüber, wie sich diese Bakteriengemeinschaften zusammenfinden", schreibt Phillip Tarr von der Washington University School of Medicine auf seiner Homepage. Der Mediziner hat für eine Studie die Wirkung von Darmbakterien bei Neugeborenen untersucht.
Eine weitere Studie ergab einen Zusammenhand zwischen der Häufigkeit von entzündlichen Darmerkrankungen und dem Aufwachsen auf dem Land oder in der Stadt. Die Anfälligkeit für Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa bereits im Kindesalter wird ebenfalls mit der Darmflora in Verbindung gebracht. Und die entwickelt sich, dafür sprechen die im American Journal of Gastroenenterology veröffentlichten Ergebnisse der Kanadischen Studie (Juli 2017), bei Landkindern offenbar besser als bei Stadtkindern. Daher haben Landkinder ein um 42 Prozent niedrigeres Risiko, in den ersten 10 Lebensjahren eine entzündliche Darmerkrankung zu bekommen.
Fest steht außerdem für die Forschung, dass Bakterien den Babydarm in einer bestimmten und immer gleichen Reihenfolge besiedeln – unabhängig von Ernährung, Medikamenten oder Art der Geburt. Die Bakterien sorgen hier nicht nur dafür, dass das Baby gegen krankmachende Eindringlinge geschützt ist, sondern auch seine Nahrung gut verdauen kann.
Brust oder Flasche: Gibt es einen Unterschied?
Welche Bakterien sich wie schnell im Darm des Babys ansiedeln, hängt auch davon ab, ob ein Baby Muttermilch oder Säuglingsmilch trinkt. In einer Studie aus dem Jahr 2014 haben Professor Dirk Haller und sein Team vom Lehrstuhl Ernährung und Immunologie der TU München einen Unterschied entdeckt: Demnach wiesen Stillkinder ein einfacheres Mikrobiom (die Ansammlung von verschiedenen Bakterien im Darm) auf, das vor allem Bifidobakterien enthielt. Das sind Bakterien, die das Immunsystem stärken und zur Produktion von Antikörpern anregen, so dass das Kind vor bestimmten Krankheiten und Infektionen geschützt ist. Bei Flaschenkindern war der Anteil der Bifidobakterien geringer, dafür dann aber eine größere Zahl verschiedener Mikroben vorhanden. „Die Unterschiede zwischen Still- und Flaschenkindern verlieren sich jedoch, wenn das Baby Beikost und feste Nahrung bekommt", sagt Professor Haller. Vereinfachte Aussagen, wonach nicht gestillte Kinder lebenslang ein erhöhtes Infektionsrisiko tragen, lehnt er daher ab.
Muttermilch und Babyspeichel gut für die Verdauung
Muttermilch kann noch mehr: Forscher der Universität von Queensland in Australien konnten 2015 nachweisen, dass es eine einzigartige Wechselwirkung zwischen der Milch der Mutter und dem Speichel des Babys gibt, die dem kindlichen Immunsystem nutzt. Beim Trinken und Verdauen von Muttermilch entwickelt sich nämlich eine Bakterienflora in Mund und Darm des Babys, die dafür sorgt, dass guten Bakterien aufgenommen werden und schädliche Bakterien zu bevorzugen und die schädlichen zu stoppen. Auch andere Studien hatten zuvor schon darauf hingewiesen, dass Muttermilch das Verdauungssystem des Kindes stimuliert: Während der ersten sechs Wochen nach der Geburt hemmt nämlich die Milch-Speichel-Mischung z.B. das Wachstum von Staphylokokken und Salmonellen, fördert aber gleichzeitig die Darmbesiedelung mit verdauungsfördernden Laktobazillen. Außerdem versorgt Muttermilch den empfindlichen Babydarm mit präbiotischen Kohlenhydraten, die sich positiv auf die Darmflora und damit auf das Wohlbefinden und die Entwicklung des Babys auswirken.
Antibiotika und Probiotika beeinflussen Darmbakterien
Antibiotika sind definitiv schädlich für die Darmflora, denn sie töten nicht nur Krankheitserreger ab, sondern auch nützliche Darmbakterien. Zwar erholt sich die Darmflora nach einer einmaligen Behandlung wieder, doch häufige Antibiotika-Therapien können ihre Zusammensetzung nachhaltig verändern. Deshalb sollten Kinder in den ersten Lebensjahren, wenn sich das Mikrobiom im Darm erst noch entwickelt, Antibiotika nur nehmen, wenn sie wirklich nötig sind.
Da bekannt ist, dass gestillte Kinder seltener an Infektionen und Durchfall leiden und in Muttermilch Bifidobakterien enthalten sind, reichen einige Hersteller ihre Säuglingsmilch mit probiotische Kulturen an. Diese Mikroorganismen sollen Babys einen zusätzlichen Gesundheitsschutz bieten. Doch bislang gibt es weder Studien noch Untersuchungen über positive Effekte dieser Säuglingsmilch.
Die ersten drei Monate: Unreifer Darm braucht Zeit und Training
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist sein Körper natürlich grundsätzlich in der Lage, Muttermilch oder Säuglingsmilch zu verdauen. Allerdings ist der Darm des Babys noch nicht ausgereift und reagiert empfindlich auf alle möglichen Störungen. Manchmal reicht es schon aus, dass ein Baby hastig trinkt und dabei zu viel Luft schluckt, damit es im Bäuchlein rumpelt und zwickt. Es dauert etwa drei Monate, bis sich die Babys an das Leben außerhalb von Mamas Bauch angepasst haben. In dieser Zeit sind deshalb auch Verdauungsprobleme am häufigsten. Doch nicht alle Babys leiden darunter und es kann gut sein, dass dein Kind von Blähungen, Durchfall oder Verstopfung verschont bleibt.
Es dauert seine Zeit, bis sich das unreife Verdauungssystem des Babys entwickelt hat: Anfangs sind noch nicht ausreichende Mengen der nötigen Darmbakterien vorhanden und es fehlt auch an Enzymen wie Laktase, die den Milchzucker (=Laktose) aufspaltet und für den weiteren Verdauungsprozess zerlegt. Deshalb wandert dann zu viel Laktose unverdaut in Babys Dickdarm, wo sie von Bakterien verarbeitet wird. Diese bilden dabei jede Menge Gase, so dass unangenehme Blähungen und Koliken entstehen können. Aber auch Verstopfungen kommen vor, wenn Fette und Kalzium aus der Milch ohne die Hilfe von genügend Bakterien und Enzymen zu so genannten Kalkseifen verklumpen. Du brauchst dir dennoch keine Sorgen zu machen: Auch wenn der Darm deines Kindes noch unreif ist und manchmal streikt, bekommt das Baby dennoch genügend Nährstoffe für sein Wachstum und seine Entwicklung.
Regulationsstörung oft Ursache von Dreimonatskoliken
Blähungen, Bauchweh und Koliken durch zu viel geschluckte Luft und ein unreifes Verdauungssystem: Die daraus resultierenden Beschwerden fassen Mediziner unter dem Schlagwort der Dreimonatskoliken zusammen. Doch die sind weniger eine echte Erkrankung, sondern beschreiben eher einen Zustand. Typische Anzeichen sind hier exzessives Schreien oder anfallsartige Schreiattacken von eigentlich gesunden Babys im Anschluss an Mahlzeiten oder am Abend. Dann krümmt sich das Baby vor Schmerzen, zieht die Beinchen an, überstreckt vielleicht noch den Kopf, hat ein rotes Gesicht und einen geblähten Bauch. Meist beginnen die Symptome nach den ersten beiden Lebenswoche, und oft ist der Spuk nach rund drei Monaten auch schon wieder vorbei.
Zu viele Reize für das Baby
Doch heftige und anhaltende Schreiattacken sind längst nicht bei allen Säuglingen die Folge von echten Magen-Darm-Problemen. Viel häufiger haben häufig schreiende Babys Probleme mit den Reizen, die auf sie einstürmen oder damit, in den Schlaf zu finden. Sie bekommen über Tag dann nicht genügend Schlaf und sind spätestens am frühen Abend völlig überreizt. Wenn du glaubst, dass das bei deinem Baby der Fall ist, dann sprich am besten mit dem Kinderarzt oder der Hebamme über deinen Verdacht. So genannte Ambulanzen für Schreibabys können hier gut weiterhelfen und individuelle Tipps geben.
Spezialmilch gegen Blähungen und Koliken meist unnötig
Gegen die häufigen Probleme mit Blähungen, Koliken, starkem Aufstoßen und Ausspucken bieten einige Hersteller eine Spezialmilch an. Diese Produkte enthalten neben der üblichen Zusammensetzung einer Säuglingsmilch zusätzlich noch spezielle Fette, Elektrolyte, Ballaststoffe und Proteine. Experten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung raten von deren Kauf ab, wenn ein Baby nur hin und wieder mit Blähungen oder Koliken zu kämpfen hat: Solch eine Spezialmilch solltest du nach Rücksprache mit dem Kinderarzt oder der Hebamme geben und auch nur dann, wenn die Beschwerden stark sind und länger andauern.