Welche Flaschenmilch für das Baby?
Hier gibt es einen Überblick über die einzelnen Milchtypen, für welches Baby und welches Alter sie geeignet sind, ob es Unterschiede bei den Herstellern gibt und was bei Infekten oder erhöhtem Allergierisiko zu beachten ist.
Baby Milch: Pre oder 1er Milch?
Wir wissen es natürlich längst: Milch, frisch gezapft aus der mütterlichen Brust ist das Allerbeste für Säuglinge. Dennoch gibt es viele Gründe dafür, dass Mütter sich für die teilweise oder ausschließliche Fütterung ihres Kindes mit Säuglingsmilchnahrung entscheiden: Das Stillen klappt nicht wie erhofft, die Mutter muss aus Krankheitsgründen abstillen oder möchte zurück in den Beruf, oder will nach einer bestimmten Stillzeit wieder mehr Unabhängigkeit gewinnen. Manche Mütter möchten auch von Anfang an nicht stillen. Welches aber ist die beste Milchnahrung für Säuglinge? urbia gibt einen Überblick über die einzelnen Milchtypen, für welches Baby und welches Alter sie geeignet sind, ob es Unterschiede bei den Herstellern gibt, was bei Infekten oder erhöhtem Allergierisiko zu beachten ist. Und last but not least, ob Produkte aus Soja-, Ziegen- oder Stutenmilch wirklich eine Alternative sind.
Worin besteht der Unterschied zwischen Pre- und 1er-Nahrung?
Für Kinder im gesamten ersten Lebensjahr sind Pre- und 1er-Milch geeignet, "und zwar beide gleich gut", wie Diplom-Ökotrophologin Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont. "Man kann nicht sagen, dass die eine oder die andere von beiden vorzuziehen ist. Es kommt auf das Kind und seine Bedürfnisse an", so Keller. Es gebe sehr aktive Babys, bei denen die Premilch nicht so lang vorhalte, und andere, die damit lange zufrieden sind. Beide Typen dürfen von Anfang an gegeben werden. Dennoch unterscheiden sie sich: Premilch ist der Muttermilch im Eiweiß und in der Konsistenz am ähnlichsten (= adaptiert). Sie ist sehr dünnflüssig und enthält als Hauptbestandteile Milcheiweiß und Milchzucker. Deshalb wird sie oft als erste Nahrung gegeben, z. B. als Zufütterung zur Muttermilch oder gleich nach dem Abstillen. 1er-Nahrung (= teiladaptiert) enthält zusätzlich auch Stärke und ist daher sättigender. Auch enthält sie oft weitere Kohlehydrate (Maltodextrine, manchmal Saccharose). Der Wunsch nach weniger nächtlichen Zwischenmahlzeiten des Babys kann daher für Eltern ein Argument für die sättigendere 1er-Milch sein. Eine Garantie, dass ein Kind mit 1er-Milch länger schläft als mit Prenahrung gibt es jedoch nicht. Das Schlafverhalten hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.
Werden Babys von 1er-Milch moppelig?
Viele Hebammen empfehlen Prenahrung, weil diese "ad libitum" (lat.: nach Wunsch) gegeben werden darf, also soviel wie das Kind möchte. Was viele Eltern nicht wissen: Pre- und 1er-Nahrung enthalten beide annähernd gleich viele Kalorien. Angst vor Babyspeck sollte also nicht die Entscheidung für einen der beiden Typen beeinflussen. "Man darf von beiden Milchtypen dem Säugling soviel geben, bis er satt ist", so Keller. "Bei Babys sollte man auch noch nicht auf die ‚schlanke Linie’ achten, ein Baby das Hunger hat, muss gefüttert und nicht vertröstet werden", so die Ernährungswissenschaftlerin. Und sie beruhigt: "Babyspeck ist von der Natur vorgesehen und gibt sich, wenn das Kind im zweiten Lebensjahr körperlich aktiver wird, meist von selbst." Im übrigen würden auch viele Kinder, die ausschließlich von Muttermilch ernährt werden, oft durchaus rund.
Ab wann kann man 2er-Milch (= Folgemilch) geben?
Folgemilchnahrung (2er-Milch) - so die offizielle Empfehlung - soll erst nach den ersten sechs Lebensmonaten gegeben werden. Keinesfalls darf sie vor dem fünften Monat gefüttert werden, weil sie die Nieren des Babys wegen des höheren Eiweißgehalts sonst zu sehr belastet, 3er-Milch nicht vor dem 9. Monat. Kuhmilch sollen besonders Kinder aus Allergikerfamilien am besten erst im zweiten Lebensjahr zu trinken bekommen.
Sind Markenprodukte besser als preiswertere?
Bei der Wahl der geeigneten Milchnahrung müssen der Hersteller und sein Bekanntheitsgrad nicht unbedingt eine Rolle spielen. Denn den rechtlichen Rahmen für Zusammensetzung, Etikettierung und den Vertrieb von Säuglingsflaschennahrung liefern Richtlinien der EU über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung und deren Umsetzung in deutsches Recht im Rahmen der Diätverordnung. Auch die strengen Grenzwerte für Schadstoffe sind gesetzlich geregelt. Der individuelle Spielraum der Hersteller ist also sehr klein, weshalb sich im Prinzip die Milchnahrungen gleichen Typs von Firma zu Firma nur wenig unterscheiden. Es gibt jedoch leichte Abweichungen in Konsistenz und Geschmack des Pulvers. So dass man der einmal gewählten Marke treu bleiben sollte, weil Babys sich an sie gewöhnen.
Wofür sind LCP gut?
Einige Hersteller setzen der Säuglingsmilchnahrung außerdem LCP zu, das sind langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (z.B. Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren). Diese haben offenbar positive Wirkungen. LCP-Gaben im frühen Säuglingsalter haben zum Beispiel laut einer Studie einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck der Kinder, wenn diese älter sind, so Diplom Ökotrophologin Katrin Raschke von der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen in einer Pressemitteilung. Da zu hoher Blutdruck bei Kindern oft eine Entsprechung im Erwachsenenalter hat, bietet die frühe LCP-Aufnahme hier eine gewisse Vorbeugung. Auch sollen LCP die Entwicklung des Gehirns fördern, wie Intelligenztests mit (gestillten) Kindern gezeigt haben. Die Mütter der Kinder, die hier besser abschnitten, hatten im Gegensatz zu einer Vergleichsgruppe bereits in der Schwangerschaft und Stillzeit LCP eingenommen und diese so indirekt an die Kinder weitergegeben.
Welche Milchnahrung bei Allergien?
HA-Nahrung: Der kleine Unterschied
Wenn die Eltern bereits selbst Allergien haben, also dem Kind wahrscheinlich ein erhöhtes Allergie-Risiko vererbt haben, bietet sich HA-Nahrung an, die es für alle gängigen Säuglingsnahrungstypen gibt. HA steht für hypoallergen (wenig allergieauslösend). In HA-Nahrung ist das Milcheiweiß stärker aufgespalten als in regulärer Säuglingsmilchnahrung. Es ist damit vom ursprünglichen Kuhmilch-Eiweiß noch weiter entfernt und wird vom Körper noch weniger als Solches „erkannt“. Auch Kinder, deren Eltern unter Allergien leiden, dürfen jedoch im zweiten Lebenshalbjahr bereits Kuhmilch im Milchbrei zu sich nehmen, „sofern sie selbst keine manifeste Allergie haben“, so Keller. „Wenn man Kuhmilch-Breie einführt, sollte man allerdings nicht gleichzeitig noch ein weiteres neues Nahrungsmittel geben. So erkennt man besser, wenn das Kind eine Kuhmilchunverträglichkeit hat“ rät die Ökotrophologin. „Wer sichergehen will, kann auch anfangs nur milchfreien Obst-Getreidebrei geben, und erst ab dem 9. Monat Milchbrei.“ Auch ist es möglich, die Milch-Getreide-Breie im ersten Lebensjahr nur mit vorher zubereiteter HA-Milch anzurühren.
Für Kinder, die bereits selbst nachgewiesenermaßen eine Laktose-Unverträglichkeit , andere Allergien oder auch Verdauungsstörungen haben, gibt es Spezialnahrung, die im Eiweiß noch wesentlich stärker aufgespalten ist. „Ob dies nötig ist, und welche man hier wählt, sollte man ausschließlich mit dem Kinderarzt besprechen und nicht selbst entscheiden“, betont die Fachfrau von der DGE.
Ist Milch aus Soja oder von Stute, Ziege oder Schaf eine Alternative?
Manche Eltern möchten aus Angst vor Allergien, aus Kostengründen oder auch aus Abneigung gegen industriell gefertigte Säuglingsnahrung ihr Kind am liebsten mit alternativen Produkten aus Soja-, Stuten-, Ziegen- oder Schafsmilch füttern. „Industriell hergestellte Milchnahrung hat sich für nicht-gestillte Babys am besten bewährt“, betont Isabelle Keller. Sie enthält alle Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, die das Kind braucht, und sie ist im Eiweiß und Fettgehalt am gut an Babys Verdauungssystem angepasst.“ Experimente mit anderen Milcharten lehnt sie ab. „Soja ist ein häufiger Allergieauslöser und daher zumindest beim Allergierisiko keine echte Alternative zu Kuhmilch“, so die stellvertretende Pressesprecherin der DGE. Auch Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), warnt: „Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung aus Sojaeiweiß soll nur gegeben werden, wenn medizinische Gründe vorliegen, und auch dann nur unter ärztlicher Aufsicht.“
Auch Milch von Ziegen, Stuten und Schafen biete keine Garantie, dass sich keine Allergie dagegen entwickele, erklärt Hensel. Sie weiche in der Zusammensetzung stark von der Muttermilch ab. Nur wenn die Kost wegen Unverträglichkeiten beim Kind wirklich laktose- und/oder galaktosefrei sein muss, eigne sich Soja unter Umständen als Basis. Auch diese Nahrung sollte jedoch den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und keinesfalls selbst hergestellt werden. Es gibt Firmen, die für diese Fälle Nahrung auf Sojabasis anbieten. Auch hier sollte man nur in Rücksprache mit dem Kinderarzt die geeignete Milch auswählen.
Spezialnahrungen
Zusätzlich zum ohnehin schon großen Spektrum an Milchnahrungen bieten manche Hersteller Spezialnahrungen unter verschiedenen Namen an. Diese sollen besonders geeignet sein für Kinder, die Durchfall haben, zu Blähungen und Krämpfen oder zum verstärkten Aufstoßen (Reflux) und Spucken neigen. Ernährungswissenschaftlerin Isabelle Keller rät jedoch, auf jeden Fall bei Beschwerden immer zuerst den Kinderarzt zu befragen, weil hier verschiedenste Ursachen in Frage kommen - auch behandlungsbedürftige (zum Beispiel Magenpförtnerprobleme), die nichts mit der Milchnahrung zu tun haben. Auch bei anderen Störungen wie z.B. einer Milchunverträglichkeit sei immer der Kinderarzt der erste Ansprechpartner. Spezialnahrung sollte nur auf seine Empfehlung hin gegeben werden. Manchmal rät dann der Arzt zu Nahrungen, die zum Beispiel Johannisbrotkern-Mehl enthalten, das die Milch eindickt, so dass sie nicht so leicht mit aufgestoßen werden kann. Andere Nahrungen enthalten besondere Fettstrukturen, die den Stuhl weicher machen. Und wiederum andere sind noch stärker im Eiweiß aufgespalten, als HA-Nahrung oder enthalten gar kein Kuhmilch-Eiweiß mehr. Ein weiterer Typ („Heilnahrung“) hat einen besonders hohen Eiweißgehalt sowie reduzierten Fett- und Lactosegehalt sowie Stuhl festigende Beigaben.
Isabelle Keller steht diesen Produkten allerdings – besonders wenn ein Kind erkrankt ist – eher skeptisch gegenüber: „Gerade wenn ein Kind einen akuten Infekt hat und sich schlecht fühlt, braucht es das Vertraute. Man sollte es nicht mit einem veränderten Geschmack der Milch irritieren und damit zusätzlich belasten. Auch bei Magen-Darm-Infekten kann man einfach die bisher verwendete Nahrung weiter füttern.“
Kann pro- oder prebiotische Nahrung Infekten vorbeugen?
Nicht nur muss man die Milchtypen kennen, es gibt auf den Packungen oft auch noch Hinweise wie pro- oder prebiotisch. „Diese Produkte sind durchaus sinnvoll“, so Ernährungswissenschaftlerin Keller. „Die Darmoberfläche ist ja u.a. mit Bakterien besiedelt, idealerweise überwiegend mit Milchsäurebakterien. Und probiotische Nahrung enthält sog. Bifidus-Kulturen, die diese Flora aus hilfreichen Bakterien unterstützen.“ Ein flächendeckender Teppich aus erwünschten Bakterien mache es z. B. den Erregern von Magen-Darm-Infekten schwerer, sich dort anzusiedeln. „Auch Muttermilch enthält Milchsäurekulturen,“ so Keller. Prebiotische Nahrung enthält im Gegensatz zu probiotischer Nahrung selbst keine Milchsäurebakterien, sondern unter anderem sog. Oligo-Saccharide. Das sind Kohlehydrate, die gleichsam als „Futter“ für die wichtigen Milchsäurebakterien dienen, und so indirekt eine optimale Darmflora fördern.
Hürden bei der Umstellung
Treten beim Start mit Säuglingsmilchnahrung beim nicht-gestillten Baby Probleme wie z.B. Blähungen auf, sollte man nicht gleich an den Milchnahrungstyp, sondern auch an die sogenannte Dreimonatskolik denken: In den ersten drei Lebensmonaten ist Babys Nervensystem oft noch etwas unreif. Dies führt zu vermehrter motorischer Unruhe, und die wiederum macht auch den empfindlichen Darm nervös: Blähungen und Krämpfe sind die bekannte Folge. Treten länger andauernde Verdauungsprobleme oder anhaltende Verstopfung auf, sollte man zunächst den Kinderarzt befragen, bevor man den Milchtyp wechselt. Denn manchmal stecken eine Milchunverträglichkeit, ein Infekt oder eine andere Störung dahinter, die durch einen Wechsel der Milchnahrung allein nicht zu behandeln ist.
Bei der Umstellung von Muttermilch auf Milchnahrung, aber auch vom einen Nahrungstyp auf einen anderen, kann es vorkommen, dass Babys Verdauungssystem anfangs verunsichert reagiert. Man sollte anfangs nur eine Stillmahlzeit durch ein Fläschchen ersetzen. Grundsätzlich unterscheidet sich der Stuhl eines flaschenernährten Kindes sowohl vom Geruch als auch von der Konsistenz von dem eines Stillkindes. Auch kann der Windelinhalt je nach Milchtyp unterschiedlich aussehen, was an der Zusammensetzung liegt. Nach Premilch sieht der Stuhl tendenziell oft eher grünlich und recht flüssig aus. Auch bei Kindern, die HA-Milch bekommen, färbt sich der Stuhl tendenziell grünlich. Bei 1er-Milch wird er gelblich und hat eine etwas breiigere Konsistenz. Stellt man von normaler Nahrung auf probiotische Nahrung um, kann es für einige Tage zu sehr weichen und häufigen Stühlen kommen. Nach einer knappen Woche ist dieser Spuk vorbei. Bekommt das Kind bereits Beikost, beeinflusst diese natürlich auch das Aussehen des Stuhls.
Hat Säuglingsmilchnahrung Vorteile gegenüber der Muttermilch?
Die Grenzwerte, die die EU für den Schadstoffgehalt der Milchnahrung vorgibt, sind sehr streng. Auch in der Muttermilch sinkt jedoch die Schadstoffbelastung seit Jahren stetig. Sie ist natürlich zudem unübertroffen optimal an die Bedürfnisse eines Säuglings angepasst. Experten betonen daher, dass dass Muttermilch trotz etwaiger Belastungen die beste Nahrung für Säuglinge ist. Nur bei extremer Allergiebelastung scheinen bestimmte Spezialnahrungen tatsächlich Vorteile zu besitzen. Der bekannte Kinderarzt Dr. Andreas Busse dazu in seinem Internet-Forum: „Die Allergievorbeugung scheint bei hoch belasteten Familien mit Spezialnahrungen besser zu funktionieren, da auch andere Eiweißstoffe aus der Nahrung der Mutter in die Muttermilch übergehen. Unabhängig davon ist Stillen aber als Gesamtheit unübertroffen.“
Etwaige andere Vorteile der industriell hergestellten Säuglingsmilchnahrung liegen daher eher im gefühlten, subjektiven Bereich: Manche Mütter fühlen sich ungebundener, das Füttern kann leichter dem Partner oder einer anderen Person übertragen werden. Manchmal ist es so für die Frau einfacher, die Rückkehr in den Beruf zu schaffen. Viele Mütter berichten auch, dass ihr Kind erst mit Einführung der Pulvermilchnahrung angefangen hat durchzuschlafen. Und manche Frauen, die sich bei Stillproblemen seelisch sehr unter Druck setzen, finden es entlastend, dass sie auf Milchnahrung zurückgreifen können, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind werde nicht ausreichend satt.
Service
Zum Nachlesen:
„Die richtige Milch für nicht gestillte Säuglinge“, Beitrag von F. Manz - M. Kersting in: Kinderärztliche Praxis, Sonderheft Säuglingsernährung (2000) S. 25-29.
Nachzulesen im Internet auf der Site der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)..