Laues Lüftchen, frohes Putzen?
Auch wenn die Temperatur eher noch nach Wollsocken schreit, ist Felicitas Römer von wilder Entschlossenheit, den Frühling hervorzulocken. Tulpen und der Gedanke an luftige Kleider lassen sogar die Lust auf einen Frühjahrsputz aufkommen - bis die Frühjahrsmüdigkeit den löblichen Impuls erstickt.
Gedanken zur schönsten Zeit des Jahres
Ab heute ist Frühling. Das habe ich soeben beschlossen. Schluss mit gräulichem Pieselwetter und gefühlten Minusgraden. Gemütliche Teenachmittage habe ich auch langsam satt. Schwarze Rollkragenpullis und Stiefel sind ab sofort Tabu. Bunte Blüschen müssen her. Und leichte Röckchen. Einem leicht verwegenen Impuls folgend habe ich sogar meine Flip-Flops hervorgekramt. Noch stecken meine Füße zwar in Wollsocken, denn hier im Norden lässt die Frühlingssonne auf sich warten. Im Gegensatz zu einer Schwäbin, die im Fernsehen von ihren ersten beglückenden Frühlingserlebnissen berichtete, habe ich in meinem Gärtchen noch keinen einzigen Krokus entdeckt.
Trotzdem bin ich entschlossen, den Frühling aus seinem Versteck zu locken. Irgendwann wird er sich erbarmen und auch bei uns einkehren. Deshalb habe ich mir einen Riesenstrauß Tulpen gekauft und die Fußnägel lackiert. Die bloße Fantasie, im luftigen Kleid mit meinem Liebsten im Straßencafé Eis zu essen, weckt in mir heftigste Frühlingsgefühle. Kennen Sie das? Diese überbordende, nahezu unangemessene Lebensfreude, die einen aus heiterem Himmel anfällt, kaum ist man aus dem mentalen Winterschlaf erwacht? Und das nur, weil ein paar Sonnenstrahlen das Haar streifen und ein laues Lüftchen weht? Willkommen im Club der Getäuschten. „Rein hormonell betrachtet gibt es die vielzitierten Frühlingsgefühle gar nicht“, behauptet nämlich der Freiburger Professor Martin Reincke. Höchstens bei den Eskimos. Die seien noch echten klimatischen Veränderungen ausgesetzt und damit auch spürbaren Hormonumstellungen unterworfen. Wir Normalos hingegen bildeten stets dieselben Hormone und erlebten also auch kein nachweisbares „Spring-Fever“.
Hochmeditativer Frühjahrsputz
So eine Spaßbremse! Von einem Hormon-Spezialisten lasse ich mir jetzt aber nicht die Laune verderben! Ich bin trotzdem fröhlich. Vor lauter überschäumender Lebensenergie werde ich nachher mein Wohnzimmer umräumen. Vorher kommt noch schnell der Frühjahrsputz. Zunächst wären die Fenster dran, denn ihr Anblick hat beim ersten Sonnenschein doch stets etwas Betrübliches. Diesem tristen Moment möchte ich vorbeugen: Verschiedenfarbige Mikrofasertücher liegen in Massen bereit, von fein über mittelfaserig bis grob habe ich alles vorrätig. Auf das spätere Debut des kochfesten Superwischmopps „Bodenzauberer“ freue ich mich schon regelrecht.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Putzen gehört nicht zu meinen Hobbys. Aber als auto-therapeutische Instrumente gegen Wut, Übellaunigkeit und Verwirrungszustände sind Aufräumen, Ausmisten und Staubsaugen nicht zu unterschätzen: Das schafft Ordnung in der Seele, entlastet und lässt innere Ruhe einkehren. Es soll sogar Menschen geben, die während des Schrubbens und Polierens hochmeditative Seelenzustände erreichen!
Zum Nacktputzen konnte ich mich übrigens noch nicht durchringen, was sicher an meiner Mutter liegt, die mir stets so eindringlich ans Herz legte, immer „was Warmes“ um die Hüfte zu haben. Zugucken würde eh' keiner. Und wenn ich's mir recht überlege: Auch im Putzkittel ist Großreinemachen im Grunde genommen nicht wirklich gesundheitsfördernd. Es belastet zum Beispiel die Bronchien. Aufgewirbelter Staub ist hier der Übeltäter. Auch diverse Ingredienzien von Scheuermitteln und Badreinigern verursachen nachweislich gereizte Schleimhäute und Atembeschwerden. Und man denke an die unzähligen tödlichen Unfälle, die jährlich im Haushalt geschehen! Gut, rund 84 Prozent davon passieren Frauen über 65. Aber auch als Mittvierzigerin muss man das Schicksal ja nicht unnötig herausfordern.
Überhaupt bin ich jetzt vom vielen Planen ganz furchtbar schlapp geworden. Das muss die Frühjahrsmüdigkeit sein. Deren Existenz ist wissenschaftlich wenigstens nicht widerlegt. Stoffwechsel, niedriger Blutdruck und die plötzlich eintretende Serotoninproduktion machen sicher nicht nur mir schwer zu schaffen. Mein hochkomplexer Organismus muss sich an die neue Großwetterlage eben noch gewöhnen. Und deshalb mache ich jetzt erst mal ein ordentliches Nickerchen. Putzen kann ich schließlich auch morgen noch. Oder übermorgen.