Mami, ich hab’ dich lieb!
Entgegengestreckte Babyhändchen, eine Nackenmassage für Mama oder Worte wie „Ich mag dich ganz doll!“ - Nicht nur am Muttertag freut sich jede Mutter über Liebesbekundungen ihrer Kinder. Je nach Alter und Temperament des Kindes können diese sehr unterschiedlich sein.
Bei solchen Worten hüpft das mütterliche Herz. Eine Liebeserklärung verbunden mit einem Antrag: „Ich habe dich so lieb, von hier bis zu Gott. Und ich freue mich, dass du immer da bist.“ Wenig später ergänzt Freddy (4): „Mama, ich will dich heiraten. Verkleidest du dich dann auch?“ Mama Christina nimmt Freddy in den Arm und kuschelt ihn. Dann fragt sie: „Und was machen wir mit Papa?“ Freddy sieht da keine Probleme und zeigt sich großzügig. „Der heiratet dich dann auch.“
Kindliche Liebeserklärungen, egal welcher Art, gehen runter wie Öl. Schon wenige Wochen alte Babys setzen ihre Eltern mit dem so genannten Engelslächeln in Verzückung. Dieses Lächeln hat zwar überhaupt nichts mit einer Willens- oder Meinungsbekundung zu tun, wird aber trotzdem gerne als Anlächeln interpretiert. Obwohl es ein reiner Reflex ist, lässt es Mütterherzen schmelzen und entschädigt für viele schlaflose Nächte. Im Laufe der Zeit entstehen bewusste Zärtlichkeiten und Zuwendungen. Die Mutter wird gestreichelt, mit selbst gemalten Bildern beschenkt und bekommt Liebesbekundungen ins Ohr geflüstert. Spätestens im Teenager-Alter können Liebeserklärungen aber auch berechnend werden, wie ein oller Witz zeigt: Sagt eine 14-Jährige zu ihrer Mutter: „Mama, ich hab’ dich lieb!“ Entgegnet die Mutter: „Sag schon, was willst du?“
Von Berechnung ist Fiona (4) noch weit entfernt. Sie verbindet ihre Liebesbekundungen derzeit gerne mit Taten. Als ihre Mama nach einer Fortbildung nach Hause kommt, stürzt Fiona ins Kinderzimmer und ruft: „Ich räume schnell mein Zimmer auf, weil ich dich so lieb habe.“ Ihre Freundin Lia (3) bekundet ihre Zuneigung lieber mit Worten und stürmischen Umarmungen. „Du bist meine beste Freundin. Ich hab dich soooo doll lieb“, sagt sie und drückt ihre Mutter ganz fest an sich. Dann dreht sie sich um, läuft zu ihrer Puppe Charlotte und macht der exakt die gleiche Liebeserklärung.
Bilderbuchhase Josi verlässt seine Mama
Jutta Langreuter ist ein Profi für Kinderthemen. Als Psychologin hat sie jahrelang mit Kindern gearbeitet, sie ist die Erfinderin von „Käpt’n Sharky“ und damit eine der erfolgreichsten deutschen Bilderbuchautorinnen, und sie ist Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Söhnen. Anfang 2011 erschien ihr Bilderbuch „So lieb hab ich nur dich“ – die Geschichte von einem Hasenkind: Häschen Josi hat die Faxen dicke. Immer muss er so öde Dinge machen wie aufräumen oder sich waschen. So etwas kann nur die „blödeste Mama der Welt“ verlangen. Also packt er seine Sachen und zieht von dannen. Doch egal wo er gerade ist, richtig glücklich ist Josi nicht. Nach ein paar Tagen begreift er, was ihn so sehr zwackt. Er rennt, hopst und rast nach Hause, ruft „Mama!“ und schmeißt sich seiner Mutter in die Arme. In diesem Ausruf liegen die ganze Geschichte, Josis Erkenntnis und eine Liebeserklärung.
Diese Geschichte hat sich vor gut 25 Jahren tatsächlich zugetragen, so ähnlich zumindest. Nicht mit einem Hasenkind, sondern mit dem viereinhalb Jahre alten Spross von Jutta Langreuter. Weil es für Jonas nicht rund lief, packte der seine Siebensachen zusammen und ging los zu einem Nachbarskind. „Wir Mütter telefonierten natürlich miteinander, taten aber sonst nichts. Sich da aufzuregen wäre sicher falsch gewesen“, erinnert sie sich mit einem Schmunzeln. „Schon nach kurzer Zeit kam Jonas wieder, er war einfach wieder da. Ging in sein Zimmer, ging in die Küche und mir hinterher, eine ganze Zeit lang und sagte nichts. Das war auch nicht nötig, die Dinge waren zwischen uns wieder klar.“
Mama ich hab dich lieb: Liebeserklärungen mit und ohne Worte
Nicht jede Liebeserklärung braucht Worte. „Wenn die Kinder noch klein sind, vermengen sich Abhängigkeit und Liebe. Das Kind wäre ohne die Bezugsperson, also die Mutter, verloren“, erklärt Jutta Langreuter. „Babys machen niedliche, liebevolle Sachen, wie die Händchen nach der Mutter ausstrecken, sie anstrahlen, sie mit Blicken verfolgen. Sie wirken selig, wenn Mama mal weg war und sie dann wieder abholt.“ Die Abhängigkeit sei von Gesten des Liebhabens oft nicht zu trennen. Kinder greifen beispielsweise nach der Hand der Mutter, wenn sich Fremde nähern. Sie fühlen, dass sie alleine nicht zurechtkommen. In der Trotzphase geht es dann um die Selbstständigkeit, eben darum, nicht mehr so sehr abhängig von der Mutter zu sein. „Trotzdem brauchen die Kinder natürlich die Nähe zur Mutter. Sie wollen auf dem Schoß sitzen, der Mama zeigen, was sie schön finden. Sie kümmern sich um ihre Mutter fast fürsorglich, bringen ihr was zu Essen, streicheln sie“, sagt sie.
Nach und nach kommen immer mehr verbale Liebesbekundungen hinzu. „‚Du bist so lieb!’, 'Du hast so schöne Haare!’, ‚Ich möchte werden wie du und machen, was du machst’ – das sind natürlich auch alles Liebeserklärungen, die häufig von Kindern zwischen drei und sechs Jahren geäußert werden“, sagt die Psychologin Langreuter. Hinzu kämen die typischen Kindergartensituationen, die viele Mütter erleben und die auch sie selber erlebt habe: „Die Kinder machen, wenn die Mutter geht, ein weinerliches Schnäuzchen und wenn die Mama sie später abholt, ist die Freude riesengroß. Hier kann man auch wieder die Doppelseitigkeit von Abhängigkeit und Liebe nicht so ganz trennen. Später kommt dann oft die Phase, dass sich das Kind im Kindergarten ganz sicher fühlt und weiß ‚Meine Mama geht nicht für immer weg’. Es geht dann ohne Weiteres in den Kindergarten und spielt noch, wenn die Mama schon lange wieder in der Tür steht.“
Von Babysitterjobs und Nackenmassagen: Kinder lieben auch mit Taten
Trotz aller verbalen Ausdrucksmöglichkeiten, die Kindern mit zunehmendem Alter immer mehr offen stehen, bleiben natürlich auch die tätigen Liebeserklärungen – mal mit und mal ohne Worte. Jutta Langreuter denkt gerne zurück an die Zeit, als ihre Kinder klein waren. Jonas, zweieinhalb Jahre älter als sein Bruder, habe seine Liebe sehr oft durch praktische Hilfe gezeigt und beispielsweise „stundenlang mit seinem kleinen Bruder gespielt, auch Sachen, die er selber furchtbar langweilig fand. Er wollte eben helfen“, erinnert sich Jutta Langreuter.
Auch Freddy liebt gerne mal mit Taten – und massiert seiner Mama hin und wieder den Nacken. Das ist immer angenehm. Wäre natürlich auch ein schnurriger Start in den Muttertag. . .
Buchtipps:
- Jutta Langreuter und Stefanie Dahle:
„So lieb hab ich nur dich“, gebundene Ausgabe,
Januar 2011, Verlag Arena
- Sam McBratney, Anita Jeram:
Weißt Du eigentlich, wie lieb ich Dich hab?
Verlag Sauerländer
CD-Tipp:
- Fünf kleine Geschichten, gelesen von Katrin Gerken (Februar 2012).
U. a. dabei: „So lieb hab ich nur dich“ von Jutta Langreuter.