Erste Party, erster Sex, erste Zigarette

Pubertät: Typische Probleme und Konflikte

Probleme und Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen sind in der Pubertät an der Tagsordnung. urbia greift drei Themen auf, die am häufigsten zum Streit führen, und gibt konkrete Tipps für den Umgang damit.

Autor: Heike Byn

Pubertät und Eltern: Immer Streit ums Weggehen

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Foto: © panthermedia, Perez Navarro

Birgit Zander kann nicht einschlafen. Wie so oft in letzter Zeit wälzt sich die 45-Jährige in ihrem Bett herum und wirft immer wieder einen Blick auf ihren Wecker. Es ist 0.30 Uhr und noch immer lauscht die allein erziehende Mutter vergeblich auf das erlösende Geräusch einer sich öffnenden Wohnungstür. Als die 15-jährige Simone endlich kurz nach 1 Uhr in der Diele steht, ist Birgit Zander mit den Nerven am Ende und eilt zu ihr. „Na, hast Du wieder stundenlang auf mich gewartet?“, blafft die sofort los. Ihre Mutter faucht nicht minder aggressiv zurück: „Daran hast Du Schuld. Du weißt genau, dass ich kein Auge zukriege, wenn ich nicht weiß, wo Du bist!“ Im Handumdrehen ist mal wieder ein lautstarker Streit zwischen den beiden im Gange. Birgit Zander sieht erneut ihre Regeln missachtet, ihre Sorgen verhöhnt. Tochter Simone fühlt sich nicht ernst genommen und behandelt wie ein Kleinkind. Einen Ausweg aus ihrem Dauerkonflikt haben die beiden bislang noch nicht gefunden. Birgit Zander hat in ihrer Ratlosigkeit jetzt einen Termin bei einer Erziehungsberatungsstelle vereinbart. Tochter Simone hat zugestimmt, mitzukommen. Ein erster Schritt in Richtung Versöhnung ist gemacht.

Konflikte zeigen den Abschied von der Kindheit an

Sich wiederholende Kämpfe um Regeln und Freiheiten sind wichtig, sie müssen sogar sein, sagt der Familienberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge: „Kinder in der Pubertät suchen die Auseinandersetzung, wollen den Konflikt mit den Eltern. Sie wollen aber auch deren Fürsorge. Indem Eltern Grenzen setzen, zeigen sie ihrem Kind: ich sorge mich um dich, weil du mir wichtig bist.“ Nachgeben hilft den Kindern nicht – im Gegenteil: „Mit zu viel Freiheit werden Kinder nicht nur überfordert, sondern bekommen auch das Gefühl: Meine Eltern interessieren sich nicht für mich. Ich bin ihnen egal“, so Rogge. Auch für Mütter und Väter ist diese Zeit nicht einfach. Denn die Abnabelung der Kinder macht ihnen erst einmal Angst. Der für Pubertierende typische Wechsel zwischen Nähe und Distanz ist für Eltern oft nur schwer zu ertragen. Die Loslösung von zuhause bedeutet für beide Seiten, allmählich Abschied von der Kindheit zu nehmen.

Klare Abmachungen fürs Nachhausekommen

Eine erste Orientierung für eine vernünftige Regelung der Ausgehzeiten kann zum Beispiel so aussehen: Kinder ab 14 Jahren dürfen bis zehn Uhr wegbleiben, ab 15 Jahre bis elf, ab 16 bis zwölf. Halten sich die Kinder an die Absprachen, kann man auch mal großzügiger sein – und auf privaten Partys bei Freunden dürfen Kinder und Jugendliche auch schonmal länger bleiben. Aber: Während des Schulalltags wird nicht gefeiert. Kommt ein Teenager mal ein paar Minuten zu spät nach Hause, ist das kein Beinbruch. Aber wenn er ein paar Mal eine halbe Stunde überzieht, sind Konsequenzen angebracht: zum Beispiel den Ausgang für die kommende Woche zu streichen oder zumindest zu reduzieren.
Eltern müssen deutlich zeigen, dass sie konfliktbereit sind. Indem sie ihrem Kind sagen, dass sie sich Sorgen machen und nicht möchten, dass ihm etwas passiert. Und dass sie deshalb wissen wollen, wo es sich aufhält und mit wem es zusammen ist. Auf die typische Teenager-Floskel: „Ich finde schon jemanden, der mich fährt“ sollten sie sich gar nicht erst einlassen, sondern das Nachhausekommen vorher klären. Am sichersten ist, sie holen das Kind zur vereinbarten Zeit selbst ab. Oder wechseln sich mit anderen Eltern beim Abholen ab. Im Zweifelsfall kann man dem Sohn oder der Tochter auch Taxigeld mitgeben, damit sie auch von entlegenen Orten ohne Bus- oder Straßenbahnverbindung sicher nach Hause kommen. Es ist auch absolut okay, wenn sich Eltern nachts ins Auto setzen und ihr Kind suchen, das nicht wie vereinbart nach Hause gekommen ist. Vielleicht erlösen sie es ja damit sogar aus einer verfahrenen Situation?

Die urbia-Reihe zur Pubertät:

Let’s talk about Sex!

Vielen Eltern ist nicht ganz wohl bei der Vorstellung, mit ihren Kindern über Sexualität zu reden, weil sie befürchten, dabei auch über ihr Intimleben sprechen zu müssen. „Das ist aber gar nicht unbedingt nötig“, meint Ulla Atzert. Die Journalistin, Autorin und Mutter betont vielmehr in ihrem humorvollen Ratgeber „Tipps zum störungsfreien Umgang mit Heranwachsenden“ das Recht der Eltern auf Privatsphäre. Wichtig sei aber, dass sie Fragen aufgreifen und die genau und möglichst kurz beantworten – und das vom Kindergarten an. Es ist sinnvoll, mit seinen Kindern über Verhütung zu reden, über Geschlechtskrankheiten, über Pornografie – und das, noch bevor sich der Teenager zum ersten Mal verliebt. Hauptansprechpartner für Teenager ist auch heute noch die Mutter – dabei würden Jungen diese Themen oft lieber mit einem Mann besprochen. Sie brauchen jemanden, der als Ansprechpartner da ist, Stellung bezieht und ein paar Sachen erklärt.

Statt Gespräch ein Buch oder eine Broschüre

Eine gute Alternative zu einem Gespräch kann aber auch ein Buch oder eine Broschüre sein, zum Beispiel zum Thema Verhütung. Allerdings mit dem Hinweis, dass man bei weiteren Fragen zur Verfügung steht. Gerade in Sachen Verhütung gibt es auch heute noch viel Unwissen. Nach einer Studie über Jugendsexualität der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bekommt die Hälfte aller 14- bis 17-jährigen Jungen zu Hause keine konkrete Verhütungsberatung. Gleichwohl halten sich vier Fünftel der gleichen Altersgruppe nach eigener Aussage für bestens informiert. Mit wichtigen Detailkenntnissen hapert es aber. Nur 22 Prozent der Jungen und 43 Prozent der Mädchen wussten beispielsweise, an welchen Zyklustagen eine Frau besonders fruchtbar ist.

Teenagern sind Gespräche schnell peinlich

Die 17-jährige Anne Dregger macht bald ihr Abitur. Seit einem halben Jahr hat sie einen festen Freund. Ihre Mutter hat schon früh gemerkt, dass sich da eine dauerhafte Beziehung entwickelt. Längst war sie bei einer Frauenärztin: „Allein, nicht mit dem Freund oder einer Freundin oder meiner Mutter, das fand ich besser so. Man muss auch nicht dauernd mit der Mutter darüber reden – obwohl ich’s könnte. Aber manchmal denkt man bei dieser Art von Gesprächen: Muss das jetzt eigentlich sein?“ Vielleicht ist auch einfach nur der Ton falsch, den Eltern bei solchen Gelegenheiten anschlagen. Sie sind belehrend, verkrampft oder mischen sich für den Geschmack ihrer Kinder zu sehr in deren Liebesleben ein. Im Teenager-Alter ist Jungen und Mädchen vieles peinlich oder unangenehm. Deshalb können auch Einladungen an den ersten Freund oder die erste Freundin zum Beschnuppern schnell peinlich werden. Besser ist da, Situationen zu nutzen, in denen man sich zufällig trifft oder miteinander telefoniert, um den anderen ein bisschen besser kennenzulernen.

Eltern sollen zu ihren Überzeugungen stehen

Grundsätzlich gilt: Eltern müssen sich weder verbiegen noch total tolerant verhalten, wenn sie das gar nicht sind. Man muss zum Beispiel nicht ständig Übernachtungsbesuche tolerieren, wenn man das nicht möchte. „Auch wenn es dann Widerspruch oder Streit gibt, ist es wichtig, dass Eltern ihrem Kind sagen, was sie okay finden und was nicht“, betont Ulla Atzert. Wenn Eltern in allem nachgeben oder sich raushalten, entsteht beim Kind der Eindruck, dass ihnen alles egal ist, und es den Eltern nicht wichtig ist. Oft erleichtert es Jugendliche sogar, wenn ihre Eltern ihnen sagen, dass sie sie noch zu jung für Sex halten und ihre Bedenken auch begründen und dabei auch auf die Persönlichkeit des Kindes eingehen.

Rauchen und trinken ist cool

Tom wohnt in einem Dorf im Bergischen Land. Mit dem Zug fährt der 16-Jährige mit seiner Clique am Wochenende gerne ins nahe gelegene Köln. In einem Club in der Altstadt haben sie neulich sogar Cocktails ausprobiert. Ansonsten trinken die Jungs und Mädchen regelmäßig Alcopops – Mixgetränke aus Limonaden oder Säften plus Alkohol. Dabei sind Tom und seine Freunde noch maßvoll im Gegensatz zu vielen anderen Jugendlichen. Denn die aus England bekannte Unsitte des „Wetttrinkens“ und „Flatrate-Saufens“ ist auch hierzulande Mode geworden. Zwar meldet der letzte Drogenbericht der Bundesregierung einen Rückgang bei illegalen Drogen, dafür aber einen drastischen Anstieg der „Alltagssüchte“ Alkohol und Nikotin. Die meisten Jugendlichen beginnen mit 13, 14 Jahren zu rauchen, unter den 15-Jährigen tun es mehr als ein Drittel. Alle rauchen - es ist cool und macht sexy, das sagen Jugendliche, wenn man sie nach ihren Gründen fürs Rauchen fragt. Uncool sind da nur die Eltern, die einem das Rauchen ausreden oder verbieten wollen.

Gute Argumente und eine klare Haltung gegen das Rauchen

Doch auch wenn es Nerven und Überzeugungskraft kostet, Eltern müssen den grauen Dunst in Haus oder Wohnung auf keinen Fall einfach so hinnehmen. Wichtig bei ihrer Mission für das Nichtrauchen sind aber eine klare Linie, sachliche Argumente und vor allem Verständnis für ihren Nachwuchs, der sich rauchend so toll und erwachsen fühlt. So cool aber Teenager Zigaretten rauchen mit 13 oder 14 Jahren finden mögen, so eklig ist es für sie in den Jahren zuvor. Und genau diese Zeit sollten Eltern nutzen, um mit ihren Kindern über die gesundheitlichen Risiken und Folgen zu sprechen. Auch wenn Teenager noch nicht zu den Gewohnheitsrauchern gehören, kann man sie mit guten Argumenten noch recht gut erreichen. Doch statt dann mit Lungenkrebs oder Raucherlunge zu drohen, sollten Eltern den Kindern besser die naheliegenden Folgen des Rauchens schildern: schlechter Atem, gelbe Fingerkuppen, unreine Haut, müffelnde Klamotten, miese Kondition und bald auch Raucherhusten. Vielleicht gibt es ja auch mit einem Patenonkel oder einer guten Freundin der Familie, jemanden, den die Kinder mögen und der schon lange mit dem Rauchen aufhören will und ihnen von seinen Entzugserscheinungen erzählt. So etwas ist überzeugender, als die gut gemeinten theoretischen Erläuterungen noch so engagierter Eltern.

Regelmäßiger Alkoholkonsum ist nicht erlaubt

In Sachen Alkohol haben die Eltern das Recht auf ihrer Seite: Das Jugendschutzgesetz bestimmt, dass unter 16-Jährige in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken dürfen. Ob das im privaten Rahmen geschieht, liegt im Ermessen der Eltern. Wie beim Rauchen auch, sollten Mütter und Väter gegenüber ihren Kindern eine klare, gemeinsame Sprache sprechen: regelmäßiger Alkoholkonsum ist nicht erlaubt, über ein Gläschen Sekt oder Bier bei festlichen Gelegenheiten oder unter Aufsicht von Mutter und Vater entscheiden sie von Fall zu Fall. Natürlich können Eltern nicht kontrollieren, wie ihre Kinder auf Partys oder in der Öffentlichkeit mit Alkohol umgehen. Doch Eltern, die das Selbstwertgefühl ihrer Kinder durch die Erziehung gestärkt haben, müssen sich nicht sorgen, dass der Nachwuchs bei jeder Gelegenheit dem Gruppendruck nachgibt. Dennoch gilt: Die meisten Teenager trinken irgendwann einmal Alkohol und manchmal auch mehr, als sie vertragen. Kommt ein Jugendlicher betrunken nach Hause, sollten die Eltern erst mal Verständnis zeigen. Am Tag danach muss es aber heißen: Das kommt nicht mehr vor! Wird Alkohol zum Dauerproblem, hilft ein Gespräch mit den Freunden und deren Eltern. „Beide Seiten erzählen dann offen, warum sie Alkohol trinken, beziehungsweise, warum auch nicht“, schlägt Peter Wüschner in seinem „Überlebenstraining für Eltern“ vor. Übrigens: Eltern sind Vorbild – gerade in dieser Beziehung. Wer selbst gerne einen über den Durst trinkt, hat es schwer mit Gegenargumenten ernst genommen zu werden.

Buchtipps

Buchtipps

Barbara Sichtermann: Pubertät. Beltz & Gelberg 2008, 272 Seiten, 17,90 Euro. ISBN 978-3407857620

Ulla Atzert: Homo pubertensis. Tipps zum störungsfreien Umgang mit Heranwachsenden. Fischer 2007, 157 Seiten, 7,95 Euro, ISBN 978-3596174775

Peter Wüschner: Grenzerfahrung Pubertät. Neues Überlebenstraining für Eltern. Eichborn 2005, 214 Seiten, 13,95 Euro, ISBN 978-3821856148