Buchtipp: Die verkaufte Kindheit
Eltern wollen nicht als Spielverderber dastehen, wenn sich der Spross zum achten Geburtstag ein iPhone wünscht oder die Tochter das zehnte Barbie-Set. Denn die Werbung gaukelt uns vor, Konsum mache unsere Kinder glücklich. Autorin Susanne Gaschke warnt vor einem Ausverkauf der Kindheit.
Kinder sind jetzt "Kids"
Kinder sind ins Visier von Vermarktern geraten. Als immer bedeutsamere Zielgruppe für Werbung und Marketingaktivitäten heißen sie nicht mehr "Kinder", sondern "Kids". Kids, das klingt irgendwie größer, pfiffiger, gewitzter. Fast schon nach mündigem Konsumenten, der sehr genau weiß, was er will und was ihm gut tut. Eltern und Lehrer hingegen nerven als störende Spaßbremsen, wenn sie Kindern bestimmte Markenprodukte nicht kaufen oder die Schule frei von subtilen Werbestrategien vermeintlich gutmeinender Sponsoren halten wollen. So jedenfalls beschreibt Susanne Gaschke unsere schöne neue Konsumwelt in ihrem Buch "Die verkaufte Kindheit" und zeigt eindrücklich auf, wie Konsumindustrie und Werbung nach unseren Kindern greifen.
Cool sein heißt: die richtigen Sachen besitzen
Zum Beispiel, wenn Werber allen "Kids" völlig unrealistischerweise per se eine hohe Medienkompetenz unterstellen und der freie Zugang zu allerlei Endgeräten als der Schlüssel zum Erfolg erscheinen soll. Oder durch "Coolness" als die erstrebenswerte Leitwährung der Zeitgeistkids, die schlicht darin besteht, die angesagtesten Produkte zu besitzen und vorzeigen zu können. Oder indem vollkommen überflüssige Bedürfnisse geweckt werden, denn irgendwer muss die 70.000 Neuheiten, die jährlich zum Beispiel auf der Nürnberger Spielzeugmesse zu bewundern sind, ja kaufen. Und nicht zuletzt durch moderne Spielwelten, die Kinder lehren "passiv zu sein. Sich unterhalten zu lassen. Auf Bildschirme zu starren. Befehlen zu gehorchen." Und - weil dies bald langweilig wird - bald wieder ein neues Modell, neues Zeugs haben zu wollen.
Die Autorin hat den äußerst löblichen Versuch unternommen, mit Verantwortlichen großer Spielzeugketten über Sinn und Unsinn all dessen, was da verkauft werden soll, zu sprechen. Alle betonen die Wächterfunktion von Eltern und winden sich so aus ihrer eigenen Verantwortung. Letztlich seien es ja allein die Eltern, die entscheiden müssten, was sie ihren Kindern kauften.
Kindliche Freiräume ohne Kommerz
Um ihre Wächterfunktion trotz aller Anfechtungen wahrzunehmen, müssen sich Eltern jedoch zunächst von der Angst befreien, ihre Kinder würden auf der Strecke bleiben, vereinzeln, nicht dazugehören, wenn sie bestimmte Produkte, Must-Haves, wie die Werbung gerne einflüstert, nicht besitzen oder bestimmte Sendungen nicht sehen. Und sie müssen sich auf die Suche machen, sich einsetzen für nichtkommerzielle kindliche (Frei-)Räume. Auch von diesen guten und ermutigenden Beispielen finden sich viele in diesem unbedingt empfehlenswerten Buch.