Gruseln macht Kindern Spaß
Zombies, Vampire und Hexen: An Halloween sind die Straßen voller böser Monster und Magier. Die meisten Kinder lieben es, sich davor ein wenig zu gruseln. Warum Gruseln Spaß macht und in Maßen für unsere Kinder sogar sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Kinder brauchen Monster
Nicht nur an Halloween, auch in vielen Filmen, Geschichten und nicht zuletzt in Märchen geht es oft blutrünstig und brutal zu. Das scheint vielen Kindern aber überhaupt nichts auszumachen – im Gegenteil: Sie lieben es, sich zu gruseln. Warum das so ist? Schon in den 1970er Jahren hat der österreichisch-amerikanische Psychologe Bruno Bettelheim mit seinem Klassiker „Kinder brauchen Märchen" über die Gründe aufgeklärt. Der Tenor: Kinder brauchen Geschichten, in denen es um den Konflikt zwischen Gut und Böse geht. So entwickeln sie ein Gefühl von „richtig" und „falsch" für ihr Leben und können sich an den Werten orientieren.
Beim Gruseln macht das Wechselspiel von Fantasie und Wirklichkeit für sie aber erst den richtigen Kick für sie aus: Einerseits wissen Kinder, dass im schaurigen Hexenkostüm die Nachbarin aus dem Erdgeschoss steckt, doch ein ganz kleines bisschen Zweifel ist doch dabei, und genau das macht gruselige Situationen für sie so spannend.
Halloween: Die Angst spielerisch überwinden
Der 31. Oktober ist da eine gute Gelegenheit für Kinder, an diesem Tag Gruseliges zu sehen und erleben und dabei gleichzeitig auch die entstehende Furcht zu überwinden und selbst zu verarbeiten, meint die Kinderpsychologin Karen Krause, die das Zentrum für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie der Ruhr-Universität Bochum leitet und über die Angstbewältigung von Kindern und Jugendlichen geforscht hat. Solch ein Erlebnis mache Kinder letztlich auch selbstbewusster. „Ängste gehören nun einmal zum Leben dazu und Kinder sollen ja lernen, damit umzugehen", so Karen Krause. Indem Kinder sich mit Kostüm und Schminke in Figuren verwandeln, die ihnen sonst eigentlich Angst machen würden, besiegen sie ihre eigene Angst vor dem Unerklärlichen. Im Buch „Kinder brauchen Märchen" des Psychologen Bruno Bettelheim liest sich das so: „Alles, was man beschreiben und benennen kann, wird dadurch in den eigenen Machtbereich eingezogen." Die Verwandlung in ein grässliches Monster bedeutet also für ein Kind: Macht zu haben über das, was ängstigt, es zu personalisieren und dadurch unschädlich zu machen.
Ängstliche Kinder lernen dazu
Und was ist mit den besonders ängstlichen Kindern? Die können an solch einem Tag mit Unterstützung der Eltern austesten, was sie sich zutrauen, welchen Situationen sie sich ausliefern können. Sie fragen sich: „Was schaffe ich?", „Was macht mir Angst?" – Dadurch lernen sie, Strategien zu entwickeln, um mit Ängsten umzugehen und Hemmschwellen zu überwinden. „Nach jeder überstandenen Angst sind sie dann einen Schritt weiter", betont denn auch die Kinderpsychologin Karen Krause.
Kinder auf Halloween vorbereiten
Hilfreich ist es, unseren Nachwuchs gut auf Halloween – oder andere Anlässe, bei denen es gruselig zugehen wird -vorzubereiten. „Sprechen Sie vorher so viel wie möglich mit dem Kind", so Karen Krause. Gut ist es, wenn Kinder eine Atmosphäre erleben, in der sie ihre Wünsche und Ängste formulieren können. Besonders schreckhafte Kinder können wir ermuntern, einen Blick hinter die Monstermaske zu werfen oder einen scheinbar wilden Vampir nach seinem Namen zu fragen. Das hilft ihnen dabei, die Angst in den Griff zu bekommen und bei aller Fantasie die Realität nicht aus den Augen zu verlieren.
Woher kommen Kinderängste?
In jedem Kind wohnen Ängste, auch wenn es niemals eine konkrete Angst machende Situation erlebt hat. Die Angst vor der Dunkelheit entsteht zum Beispiel, wenn das Kind um die acht Monate alt ist, zeitgleich mit dem Fremdeln. Diese Angst ist wohl Teil unseres evolutionären Erbes und war für unser Ur-Vorfahren lebenswichtig: Angst macht wachsam und schützt uns vor und in gefährlichen Situationen. Gespenster, gruselige Puppen, scheinbar böse Zauberer dagegen sind Dinge, deren Angst machende Wirkung für Kinder die Erwachsenen gar nicht verstehen können. Psychologen sehen darin die Auseinandersetzung des Kindes mit seinen Konflikten: Hat es zum Beispiel einerseits Angst, von Mama und Papa verlassen zu werden, wird ihm aber andererseits rational erklärt, dass das nicht passieren kann, so kann es diesen Zwiespalt auf ein bedrohlich wirkendes Monster im Kostüm übertragen. Wie können Eltern mit diesen normalen Kinderängsten umgehen? Indem sie sie nicht kleinreden, sondern dem Kind bei der Überwindung helfen: gemeinsam darüber reden, immer wieder nachfragen und genau hinhören.
Angst der Kinder ernst nehmen
So verschieden die Charaktere und Temperamente von Kindern sind, so unterschiedlich reagieren sie auch auf angstmachende Situationen. Es gibt Kinder, die gerne Monster spielen und wenig Angst vor der Dunkelheit und gruseligen Geräuschen haben; andere wiederum finden so etwas unheimlich und bleiben an Halloween am liebsten zuhause. Manchmal stürzen sich Kinder aber auch voller Vorfreude ins unheimliche Getümmel, um sich doch wenig später zu fürchten. Dann ist es wichtig, dass Eltern ihrem Kind wortwörtlich zur Seite stehen, es in den Arm nehmen oder seine Hand halten. Wenn auch das nicht hilft, kann es sinnvoll sein, die Halloween-Party oder den Straßenumzug zumindest für eine Weile zu verlassen. Für unsere Kinder ist es sehr wichtig, dass wir Eltern ihre Angst ernst nehmen. Sätze wie „du musst doch keine Angst haben" oder „stell dich nicht so an!" sind ein absolutes No-Go.