Zwei Hände voll Sonne!

Mit Kindern meditieren

Meditation verbessert die Konzentration, macht kreativ und gibt Zuversicht in die eigene Stärke. Vier kinderleichte Übungen für junge Einsteiger und ihre Eltern!

Autor: Gabriele Möller

Meditation - stark gegen Angst und Stress

Kinder Meditation Teaser
Foto: © Fotolia.com/ maxximmm

Kinder müssen sich heute einem schnellen Lebensrhythmus anpassen: Morgens geht es oft schon früh zum Kindergarten oder in die Schule, und auch die Nachmittage sind häufig durchgeplant. Im Kiga werden die Kleinsten manchmal vom Abschiedsschmerz geplagt, in der Schulklasse geht es nicht immer ohne Spannungen und Klassenarbeiten können Ängste auslösen. Meditation ist ein wunderbares Mittel, um solche Herausforderungen gut zu schaffen, denn sie macht Kinder widerstandsfähiger gegen Unruhe, Ängste und Frustrationen. Meditation muss auch nicht an etwas Religiöses geknüpft sein, sie funktioniert auch so, und viele ihrer guten Wirkungen sind wissenschaftlich belegt.

1. Geh-Meditation: Kleine Füße ertasten die Welt

Die Übung: Manchen Kindern fällt das Stillsitzen sehr schwer. Ihrem Bewegungsdrang kommt eine Geh-Meditation eher entgegen. Am schönsten ist es, barfuß auf einer Wiese zu üben. Wenn das nicht geht, einfach die Hausschuhe ausziehen und durch die Wohnung gehen. Wichtig ist, sehr langsam zu gehen, fast wie in Zeitlupe. Bei jedem Schritt wird leise eine Silbe dieses Kinderreims gesprochen:

"Ei wie lang-sam, ei wie lang-sam, ei wie lang-sam
kommt der Schneck von seinem Fleck!
Kriecht er einen Zentimeter,
findet er sich schon ganz keck.
Ach, wie würd ich schneller laufen,
wenn ich so ein Schnecklein wär!"

Nach ein paar Tagen spricht das Kind den Reim schon mit. Später kann man auch dazu übergehen, zu den eigenen Atemzügen gehen: Beim Einatmen zwei, und beim Ausatmen drei Schritte machen. Dabei langsam und leise mitsprechen: "Eeein, Aaauus". Es ist nicht nötig, besonders tief zu atmen, sondern möglichst natürlich. Eltern können ihr Kind hinterher fragen, was die Füße alles gespürt haben: raue oder glatte Untergründe, Wärme und Kälte.

So geht's kinderleicht: Die Gehmeditation dauert etwa fünf Minuten. Damit Meditation ihre gute Wirkung entfaltet, zählt weniger die Dauer, als die Regelmäßigkeit. Eine bis zwei kleine Einheiten pro Tag dürfen also sein. Die Übung muss dabei aber spielerisch und spontan bleiben. Kinder wollen fast immer mitmachen bei dem, was auch die Erwachsenen tun. Also einfach selbst anfangen und das Kind animieren, es auch zu probieren!

Die Wirkung: Auch Kinder sind sich ihres Körpers oft nur wenig bewusst und befinden sich eher im "Autopilot-Modus". Die Gehmeditation bringt die Aufmerksamkeit in den Körper zurück. So werden nicht nur körperliche Empfindungen, sondern auch Gefühle besser wahrgenommen. Koppelt man das Gehen an den Atem, bewirkt dies, "dass die Atmung sich von selbst verlangsamt und vertieft, Herzrate und Blutdruck sinken, Muskelspannung und Schweißdrüsenaktivität abnehmen", wie der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Ott von der Universität Gießen in einem Interview der Techniker Krankenkasse erklärte.

2. Der Ruf des Uhus: den Atem tönen lassen

Die Übung: Aber auch das Meditieren im Sitzen ist gar nicht so schwer - wenn man dabei nicht völlig still sein muss. Für Kinder ist deshalb eine Sitzmeditation mit Bewegung und Klängen besonders geeignet. Kleine und Große setzen sich in den Schneidersitz auf Kissen oder einen weichen Teppich. Alle atmen ein und heben dabei die Arme hoch zur Decke. Beim Ausatmen werden die Arme langsam bis auf den Schoß gesenkt und dabei der Ruf eines Uhus oder einer Kuh nachgeahmt: huu-huu-huu (muuh-muuh-muuh). Wieder einatmen und von Neuem beginnen.

So geht's kinderleicht: Auch hier reichen wenige Minuten. Eltern und Kind können während der Übung auch mal eine Hand auf den Hals oder aufs Brustbein legen und nachfühlen, ob sie den Ton auch mit den Händen erspüren können (vielleicht wie ein Brummen). Klappt die Koordination zwischen Ausatmen und Tönen anfangs noch nicht, macht dies nichts, bald wird es leichter. Die

Wirkung: Beim Tönen wird der Brustkorb zu einem Resonanzkörper, der sanft mit vibriert - fast wie bei einer Violine. Verspannungen im Bauchraum werden so gelöst und die Durchblutung angeregt. Vor allem wird die Ausatem-Phase verlängert, was entspannend und angstlösend wirkt. Meditationstraining kann schon nach wenigen Tagen Stress mindern, sagt der bekannte Gehirnforscher Prof. Dr. Manfred Spitzer. Er bezieht sich in einem Fachaufsatz eine Studie, nach der Menschen, die meditieren, unter Belastung deutlich weniger Stresshormon Cortisol freisetzten als Personen, die nicht meditieren.

3. Zwischen Tag und Traum - das innere Bilderbuch

Die Übung: Alle legen sich auf eine bequeme Unterlage und schließen die Augen. Ein Erwachsener beginnt nun, mit Worten ein kleines Bild zu "malen", zum Beispiel so: "Ich stelle mir vor, ich stehe auf einer Wiese. Das Gras ist ganz hoch. Mitten auf der Wiese steht ein großer Baum. Er hat tausende dunkelgrüne Blätter. Sein Stamm ist graubraun und ganz dick. Die Äste wiegen sich im Wind hin und her, und die vielen Blätter rauschen. Es klingt, wie wenn Wasser in einem kleinen Bach fließt. Ich spüre den Wind auch: meine Haare wehen ein bisschen vor und zurück."

So geht's kinderleicht: Die Szenen dürfen kurz und schlicht sein und stammen am besten aus der Natur. Sie sollten kaum Handlung haben, sondern eher einem Bild gleichen - aber einem, das man auch fühlen kann: mit Wind im Gesicht, Sonne auf der Haut, kühlem Wasser, weichem Heu oder duftende Blumen in allen Farben. Nach jedem Satz sollte man eine Pause machen. Ältere Kinder können sich schon selbst eine Szene ausdenken, die sich gut für sie anfühlt, und sie den Anderen beschreiben.

Die Wirkung: Fantasiereisen regen die Kreativität an, denn um sich etwas vorzustellen, muss ein Kind ebenso erfindungsreich sein wie beim Malen auf Papier. Die Hinwendung nach innen bewirkt zudem, dass die Außenwelt mal ganz unwichtig wird - das ist wie ein kleiner Urlaub mitten am Tag! Die Erfahrung, in sich selbst einen Ort zu haben, der sich gut und sicher anfühlt, gibt schon Kindern ein Gefühl der Stärke: Denn wer diesen Ort kennt, kann sich auch zuversichtlich und gelassen der Außenwelt zuwenden. Ein meditativer Mini-Urlaub ist aber auch gesund: Prof. Spitzer stellte fest, dass die Immunwerte Meditierender besser sind als die Nicht-Meditierender, sie haben also stärkere Abwehrkräfte.

4. Hör-Meditation: Wie klingt die Stille?

Die Übung: Alle setzen sich auf Kissen auf den Boden. Mutter oder Vater legen den Finger auf den Mund als Zeichen, dass es wichtig ist, jetzt nicht zu sprechen. Dann wird eine Klangschale, ein Gong, Zimbeln oder eine Triangel (notfalls auch ein großes Weinglas) angeschlagen. Alle versuchen festzustellen, wie lange man den Klang hören kann. Das kann man zweimal wiederholen. Ist nun der letzte Ton verklungen, lauschen alle etwa zwei Minuten lang, ob man auch in der anschließenden Stille etwas hören kann. Hinterher berichten Groß und Klein, was sie wahrgenommen haben: das Atmen der Anderen, das leise Rauschen des Straßenverkehrs oder des Baums vor dem Haus, einen bellenden Hund oder ein Flugzeug.

Bei älteren Kindern können Erwachsene auch fragen: Wie still ist es eigentlich in uns drin? Ist es dort wirklich absolut ruhig, wenn wir nichts sagen? Oder plappern die Gedanken einfach weiter? Kann man eigentlich auch mal gar nichts denken (ausprobieren!)?

So geht's kinderleicht: Die Stille darf deutlich länger sein als der Klang des Instruments, sollte aber nicht zu lange dauern. Kinder schaffen es, für diese kurze Zeit (fast) still zu bleiben, wenn sie die Aufgabe bekommen, sich auch leiseste Geräusche zu merken. Es ist nicht schlimm, wenn trotzdem kleine Zwischenbemerkungen kommen. Eltern können kurz darauf eingehen und wieder die Finger auf die Lippen legen.

Die Wirkung: Still zu sein und sich aufs Lauschen zu fokussieren, ist für Kinder ungewohnt, gibt ihnen aber schon nach kurzer Zeit mehr Ruhe. Es verbessert aber auch die Konzentrationsfähigkeit: Meditationsexperte Prof. Ulrich Ott konnte beobachten, dass bei regelmäßiger Meditation die Aufmerksamkeit steigt. Zugleich wird man gelassener, weil die Zeitspanne zwischen Außenreiz und eigener Reaktion größer wird. Eine gute Sache also für sehr impulsive Kinder oder ungeduldige Erwachsene!

Vormachen und Mitmachen

Alle Übungen können in ihrer Reihenfolge beliebig vertauscht oder auch miteinander kombiniert werden. Es hängt vom Temperament und vom Alter des Kindes ab, welche Meditationsform ihm am meisten liegt. Wichtig ist, dass die Meditation keine Pflichtübung wird. Von ihren guten Wirkungen müssen Eltern daher gar nicht unbedingt sprechen. Ein Satz wie: "Wir meditieren jetzt jeden Tag, damit du endlich nicht mehr so zappelig bist und dich besser konzentrieren kannst!", wirkt nicht motivierend auf ein Kind. Am besten ist es, wenn Erwachsene selbst meditieren, dies auch zeigen und das Kind einladen mitzumachen.

Viele Kinder berichten davon, dass sie durchs Meditieren gelassener und ruhiger geworden sind. Erzwingen kann man trotzdem nichts. Wenn ein Kind nach ein paar Versuchen kein Interesse mehr hat, müssen Eltern nicht enttäuscht sein. Ihr Kind hat nun eine Vorstellung davon, dass Meditation etwas Natürliches und Einfaches ist. Es besteht deshalb eine große Chance, dass es als Jugendlicher oder junger Erwachsener mit neu erwachtem Interesse darauf zurückkommen wird.

Buchtipps:

  • Snel, Eline: "Stillsitzen wie ein Frosch: Kinderleichte Meditationen für Groß und Klein" (mit CD), Goldmann Verlag, ISBN-13: 978-3442220281 (ab vier Jahre).
  • Edda Reschke: "Mit Kindern Stille erleben: Ideen für Familie, Kindergarten und Grundschule", Lahn-Verlag, ISBN-13: 978-3784033914.
  • Jennie Appel, Dirk Grosser: "Du bist nie allein! - Meditationen und Fantasiereisen, die Kinderseelen stark machen", Schirner Verlag, ISBN-13: 978-3843430418 (für spätes Kiga- und frühes Schulalter).